Selma Mahlknecht lebt im Unterengadin, stammt aus dem Südtirol und ist Autorin des Buches «Berg & Breakfast».

Die Corona-Pandemie geht in ihren zweiten Sommer, und für den Herbst werden neue «Wellen» prophezeit – mit allem, was das bedeuten kann: Reiseverbote, Betriebsschliessungen, Lockdowns. Für die Tourismusbranche eine unmögliche Situation. Vor allem die urbane Hotellerie, die auf ein internationales Publikum setzt, steht vor existenziellen Fragen: Wie soll es weitergehen? Es zeichnet sich mehr und mehr ab, dass der ersehnte Neustart nach der Pandemie nicht eine Rückkehr auf gewohnte Pfade bedeuten kann. Es ist daher an der Zeit, Hotellerie – und Tourismus überhaupt – neu zu denken.

Ein Schlüssel dazu ist die sich verändernde Mobilität. Diese zeichnet sich schon seit Jahren ab und hat durch die Pandemie wortwörtlich Fahrt aufgenommen. Erstaunlicherweise haben die Menschen nämlich auch im Lockdown nicht ganz aufgehört, unterwegs zu sein. Viele zog es aus ihren beengten Stadtwohnungen hinaus aufs Land, wo man zum Homeoffice gleich noch schöne Aussichten, frische Landluft und ausgedehnte Spaziergänge in der Natur dazubekam. In der Schweiz ist es folglich in den vergangenen Monaten zu einem beispiellosen Immobilienboom gekommen, die ohnehin schon beträchtliche Zahl an Zweitwohnungen ist noch einmal in die Höhe geschossen, die Preise für Wohneigentum und Mieten explodieren.

Das Homeoffice auf dem Land wird auch in Zukunft ein Thema bleiben. Hier ergibt sich eine erste Chance für die Hotellerie: Wer im Homeoffice arbeitet, schätzt flexible Arbeitszeiten, leidet aber unter der Doppelbelastung der Haushaltsführung. Wäre es da nicht traumhaft, sich morgens an den gedeckten Frühstückstisch zu setzen, tagsüber im Zimmer oder auf der Terrasse flexibel arbeiten und abends wieder zum Essen gehen zu können? Tatsächlich setzen immer mehr Arbeitsnomaden auf solche Lösungen und nutzen Hotelaufenthalte für eine hybride Form von Arbeits-Retreat und Freizeitgenuss.

Spinnen wir den Traum weiter. Statt im ländlichen Homeoffice arbeitet Frau Mustermann an der städtischen Uniklinik, lebt aber eineinhalb Autostunden entfernt in der Agglomeration. Sie pendelt viermal pro Woche in die Stadt. Auch hier könnte eine Unterkunft im Hotel eine Lösung bieten: Für Kost und Logis ist gesorgt, abends gibt es Theater, Kino oder einen Drink an der Bar statt nervtötendes Stop-and-go im Stau.

Urlaubsträume? Nicht ganz. Der Tourismus der Zukunft entkoppelt sich noch stärker vom klassischen Urlaub als ohnehin schon. Digitale Arbeitsnomaden, Wochenpendlerinnen, Saisonarbeiter sind nicht typische Touristen; aber ihre Zahl und Kaufkraft steigt. Auch sie haben Träume, wenn auch etwas andere als herkömmliche Urlauber.

Es war seit je die Stärke und Kernkompetenz der Beherbergungsbranche, Träume zu erfüllen. Die Hotellerie von morgen kann in der sich verändernden Arbeitswelt der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Das wäre durchaus ein Traum, den zu träumen es sich lohnt.