Dr. Monika Bandi Tanner, Co-Leiterin Forschungsstelle Tourismus (CRED-T), Universität Bern.

Aktuelle Meldungen zu dem geforderten schärferen Grenzregime an den Bundesrat lassen uns aufhorchen. Als Anfang November der Durchbruch des Corona-Impfstoffs mit hoher Schutzwirkung und kaum Nebenwirkungen angekündigt wurde, ging ein tiefes Aufatmen durch die Gesellschaft, insbesondere durch die Kreise der Touristikerinnen und Touristiker. Die Impfung wurde als Game-Changer proklamiert, und die Wirtschaft, aber insbesondere der Tourismus reagierte eindrücklich: Der Aktienkurs der Lufthansa (inkl. Swiss) gewann kurzfristig 20 % an Wert, jener der Jungfraubahnen über 16 %, jener des Online-Reisebüros Lastminute über 18 % und jener des Duty-Free-Betreibers Dufry mehr als 20 %. Diese spekulativen Reaktionen zeigen, welche zentrale Rolle die Verfügbarkeit eines wirksamen Impfstoffs als Game-Changer spielt und wie stark die touristischen Hoffnungen darauf liegen.

So erstaunt es nicht, dass die Diskussionen rund um einen möglichen Impfnachweis im internationalen Flugverkehr heiss laufen. Die Common-App als Schweizer Lösung soll die weltweit verschiedenen Impfnachweise einheitlich lesbar machen und so den grenzüberschreitenden Flugverkehr ohne Quarantänebestimmungen ermöglichen. Die gesamte Outgoing-Branche hofft darauf, obwohl betreffend Bewilligung weiterer Impfstoffe und Schutzwirkung nach wie vor einiges unklar ist.

Trotz dieser Unsicherheiten scheint mir ein transparenter und glaubwürdiger Impfnachweis für den Schweizer Tourismus zentral zu sein, denn viele unserer Gäste buchen weder über Reiseveranstalter, noch reisen sie mit dem Flugzeug. Und da könnte, mindestens vorübergehend, auch über einen Impfnachweis für den Aufenthalt in einem Hotel nachgedacht werden. Noch sind uns die beiden Luxushotels in St. Moritz mit 100 Gästen und 300 Mitarbeitenden in Quarantäne oder die Aufregung mit Massentests in Wengen in Erinnerung. Allerdings ist fraglich, ob sich derartige Situationen verhindern liessen und welche Nachteile ein obligatorischer Impfnachweis für Gäste und folglich auch für die Mitarbeitenden hätte.

Für den Schweizer Tourismus scheint mir aber die zweite Strategie weit wichtiger zu sein: die rasche Durchimpfung der einheimischen Bevölkerung im In- und Ausland. Sie wird längerfristig den Binnen- und Incoming-Tourismus wieder stärken, da wir möglichst ohne gravierende Einschränkungen wieder reisen dürfen und internationale Gäste begrüssen können, weil Reisende und Bevölkerung weitgehend geschützt sind. Für eine Herdenimmunität ist eine Impfquote von 70 % oder mehr notwendig. Da sind etliche Impfskeptiker noch zu überzeugen.

Die Erreichung einer hohen Impfquote bei der Schweizer Bevölkerung scheint mir matchentscheidend zu sein. Zwar wird sie das Fernweh und damit die Outgoing-Aktivitäten von Herrn und Frau Schweizer beleben. Auch liegt es auf der Hand, dass die europäischen Gäste durch die eingeschränkten wirtschaftlichen Situationen andere Reiseziele präferieren, die günstigere Erlebnisse anzubieten haben. Und Gäste aus weiter entfernten Quellmärkten werden 2021 noch sehr zurückhaltend sein. Wir tun also gut daran, uns nochmals hauptsächlich auf die Gäste aus dem Inland und den Nahmärkten zu konzentrieren. Sprich, uns könnte trotz Vorliegen des Game-Changer nochmals eine touristisch frostige Sommersaison bevorstehen und die Recovery-Pläne der Tourismuswirtschaft stark dämpfen. Die Realität kann eben stark von den hoffnungsgestützten Spekulationen abweichen.