Christian Laesser ist Professor für Tourismus und Dienstleistungsmanagement an der Uni St. Gallen

Niemand weiss, wie die Besucherströme – «Domestic», «Incoming», «Outgoing» – diesen Sommer und Herbst aussehen werden. Prognosen, die diesen Namen verdienen, sind aufgrund der Volatilität der Entwicklungen rund um die Pandemie unmöglich oder werden schnell wieder zur Makulatur. Trotzdem gibt es eine Reihe von Faktoren, deren jeweilige Ausprägung zumindest als Wegweiser dienen kann.

Diese Faktoren sind:

→ Impfquote im Ausland

→ Inzidenz der Infektionen im Ausland

→ Impfquote in der Schweiz

→ Inzidenz der Infektionen in der Schweiz

→ Persönlicher Impfstatus von reisenden Personen

→ Typ der Sars-CoV-2-Impfung bzw. Immunisierung (ist nur die geimpfte Person geschützt, oder wird auch eine Übertragung verhindert?)

→ Genesungsperspektiven von ernsthaft Erkrankten

→ Wirtschaftliche Perspektiven im Ausland

→ Wirtschaftliche Perspektiven in der Schweiz

→ Einreise- und Rückreisebedingungen im Ausland

→ Einreise- und Rückreisebedingungen in der Schweiz

→ Erreichbarkeit durch die Luft

→ Psychologischer Zustand der Menschen

→ Dynamik der Virusmutationen

Jeder dieser Faktoren kann sich je nach Ausprägung neutral, positiv oder negativ auf die Reisetätigkeit auswirken. Für jeden Besucherstrom ergibt sich daraus in der Summe ein Best Case (höchstmögliche Nachfrage) oder Worst Case (geringstmögliche Nachfrage).

Allgemein gilt, dass sich gute Genesungsperspektiven, eine gesunde Wirtschaft, eine geringe psychologische Belastung der Menschen und wenig Dynamik bei den Virusmutationen positiv auf die Nachfrage auswirken. Ob der Typ der Immunisierung durch die Impfung relevant sein wird, ist derzeit noch offen.

Was bedeutet das jetzt konkret? Auch für 2021 hoffen viele Touristiker, dass die Schweizerinnen und Schweizer einmal mehr «den Sommer retten» werden. Dieses Best-Case-Szenario für den Besucherstrom «Domestic» ist indes nur dann gegeben, wenn die Infektionsquoten im Ausland hoch, die Impfquoten im Ausland und in der Schweiz jedoch tief sind sowie Grenzüberschreitungen und die Erreichbarkeit durch die Luft eingeschränkt sind. Der Best Case für einen Besucherstrom «Incoming» – also möglichst viele Gäste aus einem bestimmten Herkunftsmarkt – ist hingegen dann wahrscheinlich, wenn die Zahl der Neuinfektionen sowohl in dieser Weltgegend als auch in der Schweiz tief, die Impfquote in der ausländischen Region hoch, die wirtschaftlichen Perspektiven im Herkunftsland gut sind sowie keine Einschränkungen beim Grenzübertritt bestehen und – bei Fernmärkten – die Erreichbarkeit aus der Luft gut ist. Spiegelbildlich lässt sich so auch der Besucherstrom «Outgoing» abschätzen, d. h. wie viele Schweizerinnen und Schweizer es ins Ausland zieht.

Die Analyse offenbart das Dilemma für den Schweizer Tourismus: Der Best Case für «Incoming» und «Outgoing» bedeutete einen Worst Case für «Domestic». Die Hoffnung auf zahlreiche Schweizer Gäste (welche also hierbleiben) und gleichzeitig viele Touristinnen und Touristen aus dem Ausland ist deshalb Wunschdenken.

Nähere Informationen unter
christianlaesser.net