Seit Montag gelten in der Schweiz national einheitlichere Regeln im Kampf gegen das Coronavirus, etwa eine flächendeckende Maskenpflicht in Innenräumen. Damit soll auch die kantonale Massnahmen-Vielfalt minimiert werden. Der Kanton Bern wirkt dem jedoch aus Sicht von Kritikern mit dem Alleingang beim Verbot von Grossanlässen entgegen.

Für die FDP des Kantons Bern sorgt die bernische Gesundheitsdirektion für das, was Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga beenden wollte, nämlich für ein «Gstürm», wie die Partei am Montag in einer Mitteilung schreibt. Der Kanton provoziere einen neuen Flickenteppich und stosse die Sportklubs vor den Kopf.

Das Verbot sei nicht der richtige Weg, sagte auch Werner Salzmann, Präsident der SVP Bern, im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Das Problem seien nicht die Spiele, sondern das «Gedränge» vor und nach den Partien. Salzmann schlägt vor, dass nicht Grossanlässe verboten, sondern die Kontrollen bei Ein- und Ausgängen verbessert werden.

Die bernische Gesundheitsdirektion hat Grossveranstaltungen aus eben diesem Grund wieder verboten, wie Gundekar Giebel, Mediensprecher der bernischen Gesundheitsdirektion, am Montag im Schweizer Radio SRF sagte. Die Gefahr gehe von Treffen in Freundes- und Fankreisen rund um die Spiele aus – es gehe darum, Ansteckungen vor, nach und auf dem Weg zu Grossveranstaltungen zu verhindern.

Präsident der Kantonsärzte zeigt Verständnis
Der Fussballclub YB und der Eishockeyclub SCB machten ihrem Ärger in einem offenen Brief Luft. Seit mehreren Wochen sei im Eishockey und Fussball kein Covid-Fall unter Zuschauern bekannt geworden. Die beiden Geschäftsführungen seien vom Entscheid «bestürzt, verärgert und enttäuscht». Bereits am Sonntag wurde Kritik laut. Vor allem die finanziellen Sorgen seien gross, hiess es etwa seitens des Langnauer Hockeyclubs. In einer nationalen Liga könne so etwas nicht föderalistisch geregelt werden. [RELATED]

Ein gewisses Verständnis für den Berner Entscheid gab es von Rudolf Hauri, dem Präsidenten der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte. Die Schutzkonzepte von vielen Vereinen seien sehr gut umgesetzt und würden eingehalten werden, sagte er im Radio SRF. Er könne nachvollziehen, dass Grossveranstaltungen noch nicht auf Bundesebene eingeschränkt würden. Doch es könne unterschiedliche Situationen in den Kantonen geben. Auch eine nationale Einschränkung könne noch kommen.

Rein formell ist noch kein Verbot beschlossen worden. Zuständig sind die Regierungstatthalterinnen und -statthalter, welche die den Sportklubs erteilten Bewilligungen zur Durchführung von Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen formell widerrufen müssen. Gegen diesen Entscheid kann beim Verwaltungsgericht Beschwerde geführt werden. Eine solche hat grundsätzlich eine aufschiebende Wirkung.

Verdoppelung der Fälle in einer Woche
Bislang hat sich noch kein weiterer Kanton entscheiden, Grossanlässe wieder zu verbieten. Dies dürfte von der Entwicklung der Corona-Zahlen abhängen. Am Montag wurden dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) in der Schweiz und in Liechtenstein für Freitag bis Sonntag 8737 Coronavirus-Ansteckungen gemeldet worden. Das bedeutet gegenüber der Vorwoche eine Verdoppelung der gemeldeten Fälle (4068).

Zudem registrierte das BAG gemäss Mitteilung in den drei Tagen seit Freitag 14 Todesfälle und 171 Spital-Einweisungen. Bislang mussten 5447 Personen wegen einer Covid-19-Erkrankung im Spital behandelt werden. Die Zahl der Todesfälle stieg auf 1837. Über die vergangenen zwei Wochen gesehen fiel das Resultat bei 13,4 Prozent aller Tests positiv aus.

Bundeskanzler Thurnherr in Quarantäne
Aufgrund der steigenden Zahlen beschloss der Kanton Aargau am Montag, die Zahl der Anwesenden in Bars und Clubs auf 50 Personen zu beschränken. Die Maskenpflicht gilt in den Lokalen auch für sitzende Personen. Damit geht der Aargau weiter als der Bund.

Nach Wirtschaftsminister Guy Parmelin, der bis am Montag in Quarantäne war, trifft es nun Bundeskanzler Walter Thurnherr. Gemäss Bundesratssprecher André Simonazzi hatte er im familiären Umfeld Kontakt mit einer inzwischen positiv getesteten Person. Thurnherr sei negativ getestet worden. Der Bundeskanzler nimmt jeweils an den Bundesratssitzungen teil. (sda)