Analyse von Tabea von Ow, AWP

Die Coronapandemie hat die Reisebranche in die tiefste Krise ihrer Geschichte gestürzt. Kostensenkungen, Entlassungen und Umstrukturierungen sind bei vielen Reiseveranstaltern die Folge. Doch die Betroffenheit der Konzerne hängt auch davon ab, wie sie aufgestellt sind.

Der Reiseveranstalter Hotelplan Suisse beispielsweise hat wegen der Coronapandemie das schlechteste Geschäftsjahr seiner 85-jährigen Geschichte erlebt, wie der Unternehmenschef Tim Bachmann am Dienstag vor den Medien in Glattbrugg sagte.

Der Umsatz brach im Ende Oktober abgelaufenen Geschäftsjahr 2019/2010 um rund zwei Drittel ein – und das trotz erfolgreichen Monaten von Oktober 2019 bis Februar 2020. Absolute Zahlen gab der Geschäftsführer zwar nicht bekannt, im Vorjahr hatte das Unternehmen aber einen Umsatz von 573 Millionen Franken erwirtschaftet.

Die vielen Umbuchungen, Stornierungen und Kundenanfragen hätten dem Unternehmen eine riesige Menge an Arbeit beschert, gleichzeitig aber sehr wenig Ertrag, so dass laut Bachmann teilweise nicht einmal mehr die Grenzkosten gedeckt werden konnten. Unter dem Strich resultierte der grösste Verlust der Geschichte, der mehrere Jahresgewinne kostete und eine hohe Verschuldung beim Mutterkonzern Migros zur Folge hat, wie Bachmann sagte.

Abbau von Stellen
Um die Kosten zu senken baut die Hotelplan Gruppe, zu der Hotelplan Suisse gehört, massiv Stellen ab. Rund 170 der knapp 1'200 Stellen in der Schweiz wurden wegrationalisiert und das das Unternehmen machte 12 seiner ursprünglich 98 Filialen dicht.

Einen Stellenabbau gab auch das Tourismusunternehmen DER Touristik Suisse bereits Mitte August bekannt. Das Unternehmen gab an, rund 140 der 810 Vollzeitstellen abzubauen. Zudem würden Reisebüros der Gesellschaft Kuoni zusammengelegt und einzelne Filialen aufgegeben. Zu DER Touristik Suisse gehören nebst Kuoni auch die Reiseveranstalter Helvetic Tours sowie verschiedene auf Ferndestinationen spezialisierte Veranstalter.    

Viele Assets – hohe Kosten
Auch die deutsche Tui-Gruppe, zu der der Reiseveranstalter Tui Suisse gehört, verzeichnete massive Verluste. In den ersten neun Monaten des aktuellen Geschäftsjahrs resultierte beim Unternehmen ein operativer Verlust von 2,0 Milliarden Euro, wie das Unternehmen in seinem Bericht zum dritten Quartal bekanntgab. Wie hoch der Verlust bei der Schweizer Gesellschaft ist, geht aus dem Bericht nicht hervor.

Obwohl Tui bereits nach dem ersten Halbjahr (per Ende März) angab, seine Fixkosten um mehr als 70 Prozent auf ein «absolutes Krisenminimum» reduziert zu haben, fallen bei der Tui-Gruppe laut dem Bericht noch immer monatliche Fixkosten von 235 Millionen Euro an.

Der weltgrösste Reisekonzern besitzt nämlich rund 1'600 Reisebüros und Online-Portale, fünf Fluggesellschaften mit rund 150 Flugzeugen, über 400 Hotels, 17 Kreuzfahrtschiffe und zahlreiche Agenturen in den Zielgebieten. Die Tui-Gruppe hat deshalb bereits im Mai den Abbau von rund 8'000 Stellen bekanntgegeben und verkleinert die konzerneigene deutsche Fluggesellschaft Tuifly. Zudem wolle sich der Konzern zu einer digitalen Plattform wandeln, wie Konzernchef Fritz Joussen sagte.

Als erstes deutsche Grossunternehmen erhielt Tui im Frühling von der Regierung ein Krisendarlehen über 1,8 Milliarden Euro und später ein zweites Stabilisierungspaket über 1,2 Milliarden Euro. Zudem zieht das Unternehmen eine Kapitalerhöhung in Erwägung, über deren Umfang und Zeitpunkt allerdings noch nichts bekannt ist. Am gestrigen Dienstag wurde ausserdem bekannt, dass Tui aktuell über weitere Staatshilfen diskutieren soll. Die Gespräche stünden aber noch ganz am Anfang, hiess es gemäss Agenturen aus gut unterrichteten Kreisen.

Online-Veranstalter LM Group mit positivem EBITDA
Etwas glimpflicher als die Konkurrenz kam der Online-Reiseanbieter LM Group davon, zu dem etwa die Portale lastminute.com, weg.de oder Hotelscan gehören. Zwar hat das Unternehmen ebenfalls stark unter der Coronakrise gelitten und unter dem Strich resultierte nach neun Monaten ein Verlust von 30,1 Millionen, wie heute Mittwoch bekannt wurde.

Immerhin schaffte es das Unternehmen aber operativ einen Betriebsgewinn vor Abschreibungen und Amortisationen (EBITDA) 7,4 Millionen Franken zu verbuchen. Entscheidend dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass die LM Group auf Online-Buchungen spezialisiert ist und weder eigene Hotels noch Filialen betreibt.

Das Unternehmen zeigte sich wenig optimistisch für die nächsten Monate, die Verlangsamung in der Reisebranche dürfte sich infolge der zweiten Corona-Welle sowie des gesunkenen Vertrauens der Reisenden über die Wintermonate hin fortsetzen. Dank «solider» Bilanz und einem «mehr als ausreichenden» Betrag an Barmitteln sei man aber gerüstet, die Krise zu meistern – auch bei einer weiteren Verschlechterung der Lage, hiess es bei der LM Group. (awp sda)