In der Tessiner Tourismusbranche darf man sich die Hände reiben. Nach dem Lockdown im Vorjahr mit Totalstillstand war Ostern 2021 fast schon wieder wie in normalen Jahren. Sonnenhungrige Touristen strömten zu Tausenden in den Südkanton. Hotels, Campingplätze und Ferienwohnungen waren gut belegt, häufig sogar ausgebucht. Die Feriengäste kamen, auch wenn es keinerlei Veranstaltungen gab und die Restaurants geschlossen waren. Die bitterste Osterpille mussten die Wirte schlucken, die nicht einmal ihre Aussenterrassen öffnen konnten, während die Hoteliers von nebenan ihre Gäste selbst in Innenräumen verpflegen durften. Die Gastronomen mussten sich mit Take-away-Angeboten begnügen. Littering und Müllberge waren die Folge, die dem touristischen Image des Tessin nicht eben förderlich waren.

Gleichwohl steht ausser Frage: Ostern als traditioneller Saisonauftakt ist für die Tessiner Beherbergungsindustrie geglückt. Und die Aussichten auf ein gutes touristisches Jahr sind dank des boomenden Binnentourismus intakt. Angesichts fast geschlossener Grenzen in Richtung Süden buchen viele Deutschschweizer jetzt schon ihre Sommerferien im Tessin, in einem Kanton, der italienisches und mediterranes Ambiente verströmt, auch wenn überall Schweizer Fahnen wehen. Dass die pandemische Situation mittlerweile viele Westschweizer in die Südschweiz zieht, ist auffallend und sehr begrüssenswert. Dem touristischen Klima, das durch die Deutschschweizer geprägt ist, tut die Präsenz der französischsprachigen Landsleute gut. Auch diese Ostern. Es gibt einen Hauch von Internationalität.

Zumindest in der Hotellerie ist das Krisenszenario vom Frühjahr 2020 folglich Geschichte. Schon die Sommersaison 2020 lief extrem gut, nun auch Ostern. Die Reservationen für den kommenden Sommer sind vielversprechend, die durchschnittliche Anzahl der Logiernächte steigt an. Allerdings birgt diese Entwicklung auch eine Gefahr. Denn so schön und vielfältig das Tessin sein mag: Deutschschweizer und Romands werden irgendwann «Tessin-gesättigt» sein und wieder Lust auf andere Reiseziele haben. Sobald die Vorschriften bei Reisen ins Ausland gelockert sein werden, ist mit einem Absacken der Logiernächte zu rechnen.

Ticino Turismo und die regionalen Tourismusorganisationen sind somit gut beraten, sich schon jetzt auf das Ende eines Booms vorzubereiten, der zumindest teilweise den gegenwärtigen Reiserestriktionen zu verdanken ist. Man wird sich überlegen müssen, wie man aus Gästen Stammgäste machen kann. Dass sich eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Tourismusorganisationen bereits jetzt mit diesem Post-Corona-Szenario beschäftigt, ist jedenfalls mehr als gerechtfertigt.

Gerhard Lob ist freier Journalist und wohnt im Tessin.