Poschiavo nutzt seine periphere Lage: Das Bündner Dorf ist laut dem Schweizer Heimatschutz ein zukunftsweisendes Modell für Bergregionen. «Historische Gebäude und zeitgenössische Architektur, innovative Projekte, sowie ein vielfältiges Kulturangebot schaffen Lebensqualität und wirken der Abwanderung entgegen». Der Schweizer Heimatschutz würdigt Poschiavo mit dem Wakkerpreis 2025 als Vorbild für das gelungene Zusammenwirken von Tradition, Fortschritt und Gemeinschaftssinn.
Es sei eine «spannende Geschichte eines einst florierenden Handelsorts zwischen Graubünden und Italien», schreibt der Schweizer Heimatschutz. Mit anderen Worten: Poschiavo machte das Beste aus einem wirtschaftlichen Kollaps im 18. Jahrhundert.
Damals wanderten viele Menschen ab, nachdem Napoleon das Veltlin übernommen hatte. Sie suchten ihr Glück als Zuckerbäcker in europäischen Metropolen. Bei ihrer Rückkehr brachten sie städtisches Flair mit. Es entstanden elegante Patrizierhäuser, auch «Palazzi»genannt, die bis heute das Ortsbild prägen.
Sie sind im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung eingetragen. Damit dies so bleibt, müssen sich neue Bauten gemäss Bauvorschriften der Gemeinde an den traditionellen Grundsätzen orientieren.
Abgeschieden und eigenständig
Mit seinen 3500 Einwohnenden liegt Poschiavo in der Region Bernina. Der Weg durch die Schweiz führt einzig über den gleichnamigen Pass. Diese Abgeschiedenheit macht sich die Gemeinde zunutze: Es gibt ein Spital, Fernwärmeanlagen, Schulen, eine Bibliothek und ein breites Kulturangebot. Man müsse sich hier eben selbst erfinden und definieren, so der Gemeindepräsident Giovanni Jochum zu Keystone-SDA.
Diese Eigenständigkeit sei ein entscheidender Faktor gegen die Abwanderung, mit welcher viele Bergregionen zu kämpfen hätten. «Es ist ein Ort, an dem die Menschen leben, arbeiten und sich gerne treffen - der Inbegriff des Heimatschutzes», begründete der Geschäftsführer des Verbandes David Vuillaume die Preisverleihung.
Weiter entwickle Poschiavo auch die umliegende Natur stetig weiter. 90 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen sind biozertifiziert. Das macht das Dorf zu einer Vorreiterin in diesem Sektor. Ausserdem werden traditionelle Terrassenlandschaften wiederhergestellt und für den Anbau von Gemüse und Kräutern genutzt.
Der Wakkerpreis sei eine Würdigung dieses Engagements, begründete der Heimatschutz. Dies sei von unschätzbarem Wert, so Jochum. (keystone-sda/mm)
Über den Wakkerpreis
Der Schweizer Heimatschutz vergibt jährlich den Wakkerpreis. Er zeichnet Gemeinden aus, die bezüglich Ortsbild- und Siedlungsentwicklung besondere Leistungen vorzeigen können. Hierzu gehören insbesondere das Fördern gestalterischer Qualität bei Neubauten, ein respektvoller Umgang mit der historischen Bausubstanz sowie eine vorbildliche Ortsplanung, die Rücksicht auf die Anliegen der Umwelt nimmt.
Erstmals ermöglicht wurde der Wakkerpreis 1972 durch ein Vermächtnis des Genfer Geschäftsmannes Henri-Louis Wakker an den Schweizer Heimatschutz. Seither sind weitere Legate und Spenden eingegangen, dank denen der Schweizer Heimatschutz den Preis bis heute vergeben kann.