Gastkommentar von Urs Wagenseil, Prof., Co-Leiter Kompetenzzentrum Tourismus an der Hochschule Luzern.

Covid-19 hat den Schweizer Tourismus durchgeschüttelt. In seiner ganzen Ausprägung; in Incoming und Outgoing wie auch im inländischen Tourismus. Ebenso in seinen vielfältigen Formen; im Geschäfts- und Event- respektive beim Städtetourismus, im Gruppengeschäft oder auch im Outdoor-Bereich; Wildcamping lässt grüssen.

Richtig begonnen hat es mit dem verordneten Lockdown. Und seit damals steht der Tourismus im Auge des Hurrikans. Der gewaltige Wetterumschwung von Postkarten-Ambiente mit glänzenden Tourismus-Kennzahlen des Jahres 2019 und des vergangenen Winters zu den Wirbelsturm-Verhältnissen kam fast über Nacht. Hätten uns längerfristige «Wetterprognosen» à la Boner, Bucheli, Eitel etc. geholfen, dem Sturm auszuweichen? Da im Tourismus das Produkt zeitgleich geschaffen und konsumiert wird, hätte auch mehr Vorwarnzeit kaum entscheidend geholfen. Fazit: Von heute auf morgen ist die Nachfrage eingebrochen.

Entscheidend waren ein paar Faktoren; die Erreichbarkeit der Destinationen wurde massiv eingeschränkt, zum Beispiel durch das Wegfallen von Flugverbindungen und internationalen Zugverbindungen, Grenzschliessungen sowie Unsicherheit und Angst. Selbst wenn man noch reisen konnte, wenigstens im eigenen Land, so wurden die Motivation dazu und die Freude dafür massiv torpediert. Es herrschte ein Nachfrage-Einbruch bis hin zum -Stillstand.

Und nun, Sommerferienzeit. Ist alles anders als in den Monaten davor? Ja, in den Bergen und in den ländlichen Gebieten, wo wirklich wieder erfreuliche Nachfrage herrscht. Nein aber in den Städten und bei den touristisch relevanten Events – hier hinken die Gäste- und Logiernächtezahlen zum Teil dramatisch den Durchschnittswerten der letzten zehn Jahre hinterher respektive sind infolge Annullation auf null gesunken.

Haben die Bergdestinationen einen besseren Job gemacht als die Städte? Das können wir klar verneinen! Städte haben es jetzt einfach grundsätzlich schwerer, weil sie meist internationaler sind als Bergdestinationen, und vor allem auch, weil die Sommerferienzeit nicht die klassische Zeit ist, Geschäftsreisen, Städteausflüge oder Städte-(Kurz-)Ferien zu machen. So sind die erfreulichen Zahlen in den ländlichen Gebieten weniger ein Marketingresultat, sondern die Folge unserer Arbeitssaisonalität, Ferienbedürfnisse, der naturräumlichen Rahmenbedingungen und ganz simpel auch der mangelnden Alternativen. Badeferien-Destinationen, der hohe Norden, die USA, Thailand, Südafrika etc., sie alle sind entweder gar nicht erreichbar oder zum Teil mit der Gefahr verbunden, beim Heimkommen noch zehn Tage in Quarantäne zu müssen. Darauf kann man gut verzichten, und so sind die Schweizer Ferienorte plötzlich an der Spitze der gewählten Reiseziele. Natürlich auch, weil sie vieles zu bieten haben, attraktiv sind und weil sie tolle Ferienerlebnisse versprechen und garantieren.

Der Sommer 2020 ist demnach für alle Orte und Leistungsträger eine gewaltige Chance, der eigenen Bevölkerung zu zeigen, dass Sommerferien in der Schweiz nicht nur eine Notlösung oder eine Einmaligkeit sind, sondern zukünftig ernsthaft(er) in Erwägung gezogen werden könnten. Es gilt jetzt also einen Top-Job zu machen, um schon jetzt den Sommer 2021 zu verkaufen respektive den Startschuss für neue Entwicklungen auszulösen; zum Beispiel wäre eine konsequentere Nachhaltigkeitsorientierung machbar und glaubwürdig.

Aber der Schweizer Tourismus braucht auch florierende Städte. Solange kaum ausländische Gäste kommen (können), so lange gilt es, verstärkter die Schweizer zu überzeugen, dass auch unsere eigenen Städte einen klassischen Städtetrip wert sind; nicht nur Barcelona, London und so weiter. Und es gilt auch, die Firmen wieder zu gewinnen, um Meetings, Seminare, Workshops vonZoom, Teams, Skype wegzubringen und mit den Mehrwerten der physischen Treffen zu überzeugen. Gratis-Wi-Fi, Moderatorenkoffer und Whiteboard reichen dazu nicht (mehr) aus. Und verlassen die Schweizer unser Ferienland doch (oder auch zusätzlich), dann sollten wir nicht zu traurig sein, solange die Outgoing-Branche berücksichtigt wird. Der Buchungsprozess via Reisebüros und hiesige Veranstalter sichert nicht nur die eigenen Ferien(gelder) ab, sondern auch Arbeitsplätze, Expertenwissen und Vielfalt. Diese Anbieter gehören auch zum Schweizer Tourismus, und auch sie benötigen wieder viele Kunden! Solidarität braucht es auch hier; und das Geld im eigenen Zyklus zu halten, ist das Fundament für einen gesunden, ganzheitlichen Schweizer Tourismus.