Ende Juli unternahm ich einen Roadtrip nach Venedig. Jetzt oder nie, sagte ich mir, bevor die grossen Kreuzfahrtschiffe wieder andocken. Etwas mulmig zumute war mir beim Überqueren der Landesgrenze trotzdem – das erste Mal wieder ins Ausland, noch dazu nach Italien, ob das gut geht? Doch gleich beim ersten Pizza-Stopp in Bozen stellte ich erleichtert fest: In sämtlichen Shops und Restaurants wird ganz selbstverständlich Maske getragen. Muss an Südtirol liegen, blödete ich mir zunächst ein, denn «echte» Italiener halten sich ja bekanntlich nicht an Regeln. Aber auch bei den nächsten Zwischenstationen weiter südlich das gleiche Bild: Wer eine Lokalität betritt, setzt sich eine Maske auf. Viele Einheimische tragen sie sogar ständig, selbst im Freien. Bei anderen baumelt sie beim Flanieren leger ums Handgelenk oder spannt sich straff um den Oberarm, stets griffbereit, fast schon ein Statement, vielleicht auch ein modisches Accessoire.

Am Gardasee betrat ich dann gedankenverloren ein Caffè ohne Mundschutz. Die Bedienung erinnerte mich sogleich freundlich, aber bestimmt daran, mir doch bitte «la mascherina» aufzusetzen. Auch in Padua vergass ich meine Maske im Auto und wollte mich auf der Terrasse einer Trattoria niederlassen. Der Kellner bat mich, am Eingang zu warten, organisierte mir eine Einwegmaske und führte mich dann an meinen Sitzplatz – keine fünf Schritte entfernt. Nachdem ich mich gesetzt hatte, durfte ich die Maske abnehmen. Im ersten Moment wunderte ich mich über diese meiner Empfindung nach zutiefst unitalienische und fast schon alberne Regelversessenheit – bis ich einen Dreiviertelliter Aqua frizzante später das WC aufsuchen und mich mit Maske dicht an zahlreichen Gästen vorbeibewegen musste. Disziplin wider jedes Klischee auch bei der Schiffsüberfahrt Richtung Lagunenstadt: Maskentragen beim Ein- und Aussteigen sowie beim Gang zur Bar und zur Toilette. Auf Deck trug hingegen niemand einen Schutz. Das wäre bei Wind und Sonneneinstrahlung auch völlig überflüssig gewesen, beruhigte mich der innere Seuchenexperte – auch wenn man da in der Schweiz anderer Meinung ist.

Venedig war übrigens sehr schön. Noch mehr beeindruckt haben mich allerdings die Italienerinnen und Italiener, ihre Gelassenheit und ihr Pragmatismus im Umgang mit dieser schlimmen Krise. Zurück in der Schweiz, musste ich mir eingestehen: Was Covid-19 angeht, habe ich mich in Italien sicherer gefühlt.