Zu diesem Schluss kommt eine Analyse zur Zuverlässigkeit der Schweizer Flugbranche des Fluggastrechte-Portals AirHelp. Untersucht wurde laut einer Mitteilung vom Mittwoch der Zeitraum zwischen 2014 und 2018. Demnach hatten alleine 2018 insgesamt 56'300 Flüge mindestens 15 Minuten Verspätung oder sind sogar ganz ausgefallen. Im Jahr 2014 waren es noch 37'400.

Selbstverschulden der Fluglinien
Die Anzahl an Passagieren, die Anspruch auf eine Entschädigung haben, sei zwischen 2014 und 2018 um satte 88 Prozent angestiegen. Die Schuld dafür schiebt AirHelp den Airlines zu. Denn das Argument, dass mehr Flugbewegungen automatisch zu mehr Verspätungen und Ausfällen führen, will das Fluggastrecht-Portal nur bedingt gelten lassen. Die Gesamtanzahl an Flugbewegungen in diesem Zeitraum habe sich im gleichen Zeitraum um nur 5,1 Prozent erhöht.

Den Grund für die Unzuverlässigkeit der Airlines sieht AirHelp unter anderem im immer härter werdenden internationalen Wettbewerb im Luftraum. So böten einige Fluggesellschaften etwa Strecken an, die sie aufgrund von Flugzeug- und Personalmangel gar nicht in Stande seien zu bedienen.

«Europaweites Problem»
Die Swiss hält auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP fest, dass man grundsätzlich keine konkreten Zahlen zu Flugausfällen kommuniziere. «Was ich bestätigen kann, ist, dass die Anzahl Verspätungen und Annullierungen im Sommer 2018 deutlich höher lag im Vergleich zu anderen Jahren», teilte Swiss-Mediensprecherin Karin Müller mit.

Dies betreffe aber bei weitem nicht nur die Swiss oder den Schweizer Flugbetrieb alleine, sondern sei ein europaweites Problem. Zurückzuführen sei die Zunahme meist auf externe Faktoren wie mangelndes Personal und Streiks bei den europäischen Flugsicherungen. «Insbesondere in Zürich waren zudem ungünstige Wetterbedingungen in Kombination mit den sehr komplexen Betriebskonzepten des Flughafen Zürich, welche die Kapazitäten im Flugbetrieb stark reduzieren, eine weitere Hauptursache für die vielen Verspätungen», sagte Müller.

Nadelöhr Sommerferien
Die Lage dürfte sich zudem nicht so schnell bessern. Der Flughafen Zürich erwartet auch im kommenden Sommer wieder viele Verspätungen: Bei Bise etwa falle die Kapazität am Flughafen stark ab: «Der Flughafen Zürich ist generell wetteranfällig», sagte Flughafen-Sprecherin Sonja Zöchling gegenüber AWP. Bei ungünstigen Windverhältnissen seien statt den angestrebten gut 60 Flügen pro Stunde nur noch etwa 40 möglich. Der Flughafen selbst führe zudem wie die Swiss keine Statistiken über Verspätungen und Ausfälle im Flugverkehr. Angestrebt werde aber, dass mindestens 80 Prozent der Flüge pünktlich starten, sagte Zöchling.

Laut Swiss-Mediensprecherin Müller erzielte die Schweizer Fluggesellschaft zwischen 2015 und 2018 Werte zwischen 73 und 78 Prozent, wobei der tiefste Wert von 73 Prozent im letzten Jahr erreicht wurde. Eine Entspannung der Situation ist aber schon aufgrund des erwarteten Passagieraufkommens nicht in Sicht: Im laufenden Jahr soll der bisherige Passagierrekord von 2018 von über 31 Millionen Fluggästen erneut übertroffen werden. Und bis in 20 Jahren erwartet der Flughafen Zürich ganze 50 Millionen Passagiere und über 350'000 Flugbewegungen.

Anrecht auf Entschädigung bei Flugausfällen
Ein Anrecht auf Entschädigung haben Flugpassagiere in der Regel erst dann, wenn der Grund für die Verzögerung oder den Ausfall durch die Airline selbst verschuldet ist. Bei aussergewöhnlichen Umständen wie Unwetter oder medizinischen Notfällen sind Airlines von Kompensationspflichten befreit. Die Voraussetzungen zum Anspruch auf Entschädigung sind, dass sich der Start- oder Zielflughafen innerhalb der EU befindet oder die durchführende Fluggesellschaft ihren Sitz in der EU hat. Dies gilt gemäss der europäischen Fluggastrechte nach Verordnung 261/2004 auch für Abflüge aus der Schweiz, Norwegen sowie Island – unabhängig von der Fluggesellschaft.

Der Gesetzestext sieht aber grundsätzlich keine Ausgleichszahlung im Falle von blossen Verspätungen vor. Laut dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) gab es aber bereits Gerichtsentscheide des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die festhielten, dass ab einer Ankunftsverspätung am Zielort von mindestens 3 Stunden ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung bestehen könnte.

Betroffene Fluggäste können auf Portalen wie AirHelp, Refund.me, Fairplane, Flightright oder EUclaim ihre zustehende Entschädigung geltend machen. Die Portale streichen aber im Erfolgsfall meist eine nicht unwesentliche Gebühr ein. Das Bazl empfiehlt zudem erst direkt bei der Airline vorstellig zu werden oder die Gratis-Fluggastdienste auf der Bazl-Website zu nutzen. Das Recht auf finanzielle Entschädigung kann laut Bazl innerhalb von drei Jahren ab dem verspäteten Flugtermin eingefordert werden, ansonsten verjähre der Anspruch. (awp sda)