Gemeinsam erreichen sie mit ihren beiden Accounts auf Instagram fast eine Million Menschen: Influencerin Sylvia Michel und ihr Hund Rasta. Für Bilder und Videos von ihr interessieren sich 532'000 Follower, dem Konto ihres Gefährten auf vier Pfoten folgen 437'000 Personen. Und auf Facebook hat die Berner Oberländerin im vergangenen Jahr alles in allem rund 144 Millionen Nutzerinnen und Nutzer erreicht.

«Corona hat für mich vieles verändert.» Die Fotografin erhielt weniger Bildaufträge, dafür blieb mehr Zeit für Beiträge auf den sozialen Medien. Heute ist sie hauptberuflich Influencerin – ein Job, der sie oft «16 Stunden am Tag» beschäftigt. Ausflüge planen, Wetter checken, Ideen nachgehen. Manchmal ist sie mit Hund Rasta unterwegs, manchmal ohne, aber sicher immer mit der Kamera. Nebst kleineren Engagements für diverse Bergbahnen, Hotels oder Destinationen hat sie für dieses Jahr vier fixe Partnerschaften mit Playern aus dem Tourismus; dazu gehört auch die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees. Nach einem Probelauf mit drei Influencern im Jahr 2021 haben die Verantwortlichen entschieden, entsprechende Beiträge in ihren Marketingmix aufzunehmen – und Sylvia Michel mit dem Realisieren des Contents betraut.

65 Millionen schauten, wie mein Hund durch eine Wiese mit Löwenzahn ging.

Influencerin Sylvia Michel über ihren grössten View-Erfolg mit einem Video auf Instagram

Verlagerung von Offline-in Online-Medien
Das Ziel der frisch überdachten Strategie ist klar: mehr und vor allem bessere Videoinhalte in Hochformat für Reels und Storys auf Plattformen wie Facebook, Instagram und Tiktok realisieren. Denn der Probelauf habe gezeigt, dass sich dank der Anstrengungen tatsächlich etwas tue, sagt Marketingleiter Raffael Grütter: «Auf unseren Profilen registrierten wir mehr Zugriffe und Klicks, zudem ist auch die Anzahl unserer Follower gewachsen.» Die Influencer selber hätten auf ihren Kanälen mit den Beiträgen gute und qualitativ hochwertige Reichweiten erlangt, viele Likes und Kommentare generiert. Die Partnerschaft sieht vor, «dass wir den Content für all unsere Kanäle und Anliegen nutzen können – inklusive Werbung», erklärt Raffael Grütter. Mehrere Tausend Franken gibt die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees 2022 für dieses Projekt aus. Zudem fliessen auch immer mehr Werbegelder in Onlinemedien, im Moment hielten sich die Anteile im Vergleich mit Offlinepublikationen in etwa die Waage. «Gerade Facebook, wo viele über Fünfzigjährige unterwegs sind, ist für uns eine ideale Werbeplattform, die wir intensiv nutzen.»

Facts & Figures

91 Prozent der Schweizer Bevölkerung ist auf sozialen Netzwerken unterwegs. Drei von vier aktiv.

10 Millionen Follower auf Instagram hat Dean Schneider, der in Afrika lebt und sich für Tiere einsetzt. Damit ist er der Schweizer mit den meisten Anhängern – Roger Federer schafft es auf 9,1 Millionen.

46 Prozent aller Aktivitäten auf dem Smartphone betreffen Besuche von sozialen Netzwerken. Platz 1 belegt das Schreiben und Lesen von Nachrichten (75 Prozent).

3,8 Millionen Schweizerinnen und Schweizer haben ein Konto bei Instagram – das ist top. Facebook kommt auf 3,5 Millionen und Linkedin auf 3,3 Millionen.

25 Prozent der 18- bis 24-Jährigen nutzen Tiktok; die meistgenutzte Plattform in dieser Altersgruppe.

Quelle: Bernet ZHAW Studie, Wunderman Thompson

Im Alleingang oder mit einer spezialisierten Agentur
Veröffentlichen anerkannte Influencer ansprechenden Content auf den sozialen Medien, können spezielle Locations massiv an Bekanntheit – und Begehrtheit – zulegen. Wie beispielsweise die «Villa Honegg» oberhalb von Ennetbürgen NW, dank Pool-Videos samt Bergpanorama. Das Verzascatal im Tessin wie auch der «Aescher» im Alpstein wurden zeitweilig überrannt. Beliebte Fotosujets und Dauergast auf Facebook und Co. sind ebenso das «Belvédère» in der Spitzkehre der Furkapassstrasse oder das Lauterbrunnental samt Wasserfällen im Berner Oberland.

Manchmal sind solche Fügungen reiner Zufall, manchmal aber auch geschickt gesteuert. Wer nicht recht weiss, wie er vorgehen soll, kann für Strategie und Umsetzung eine Agentur miteinbeziehen. «An erster Stelle muss immer die Frage stehen: Was wollen wir erreichen, und welche Zielgruppen möchten wir ansprechen?», sagt Anja Lapčević, Co-CEO der Kingfluencers AG. Sie und ihr Team bringen Unternehmen mit den zu ihnen passenden Influencern zusammen, kümmern sich um Strategie und Umsetzung – und übernehmen das Reporting, kontrollieren die Resultate. Ab einem Projektbudget von 10'000 Franken können Kunden hier von modernsten Techniken profitieren. «Wir haben einen Algorithmus, der bei jeder Kampagne dazulernt und uns neue Erkenntnisse bringt», erklärt Anja Lapčević. So könne im Vorfeld gut abgeschätzt werden, wie die gewünschten Ziele zu erreichen sind.

In der Datenbank von Kingfluencers finden sich verschiedenste Personen, Style und Authentizität sind vermerkt, wie viele und was für Follower sie auf welchen Plattformen haben. Die Co-CEO findet, dass der Ruf von Influencern besser sei als auch schon, «denn es gibt mittlerweile viele gute Kreatoren von Inhalten».

Eigentlich sind all unsere Kundinnen und Kunden auf dem See auch Influencer.

Raffael Grütter, Leiter Marketing der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees

Influencer aus der ganzen Welt kommen in die Schweiz
Während einige Hoteliers und Tourismusorte direkt auf Influencer zugehen und sie für ihre Angebote engagieren, konzentrieren sich andere auf den Content. Will heissen: Sind Influencer vor Ort, schenkt die Destination ihnen einen Ausflug – wie eine Kutschenfahrt oder einen Znacht in der Fondue-Gondel – und kauft ihnen je nach Resultat dann den Inhalt ab. Gstaad BE hat das unter anderem so gehandhabt.

Reisen und Summits für Influencer aus der ganzen Welt organisiert hingegen Schweiz Tourismus. Der nächste Anlass findet Ende Juni in der Region Luzern statt, erwartet werden 30 Teilnehmende aus 20 Ländern. Nebst den Erlebnissen, die sie posten werden, geht es auch um Networking und Erfahrungsaustausch mit verschiedenen Onlineplattformen.

Die Follower wollen spüren, dass da ein Mensch ist
Lieber individuell unterwegs bei ihrer Arbeit ist hingegen Sylvia Michel. Sie schätzt langjährige Zusammenarbeit mit Partnern, die perfekt zu ihr passen. «Zu meinem Job gehört, dass ich Träume und Sehnsüchte sichtbar mache», sagt die Influencerin. Ihre Follower dazu zu motivieren, selber mal nach Brienz, Ascona oder an den Vierwaldstättersee zu reisen, brauche seine Zeit. Das funktioniere am besten mit kontinuierlicher Arbeit. Und mit einem aufmerksamen Umgang: «Wenn ich einen neuen Beitrag poste, bin ich mindestens eine halbe bis eine ganze Stunde vor dem Computer und antworte auf Kommentare.» So merken die Abonnenten, dass da wirklich ein Mensch dahinter ist.

Viele ihrer Follower kommen aus der Schweiz, aber auch aus Amerika, Deutschland, Brasilien und Indien. Dieser Kundenkreis hat Raffael Grütter von der Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee überzeugt. Natürlich gibt es Regeln, welche Hashtags beim Veröffentlichen für die Beiträge benutzt werden sollten. Aber sonst? «Influencer sind Künstler. Man muss ihnen gewisse Freiheiten lassen.» Dann erzählen sie ihre Geschichten, echt und authentisch.


Impressionen vom Influencer Summit von Schweiz Tourismus

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Soziale Netzwerke unter der Lupe

Warum werden Bilder oder Videos gelikt?

Welche Wirkung erzielen populäre Musik oder Captions aus Text, Emojis, @-Mentions sowie Hashtags bei Kurzvideos? Wer likt oder teilt und warum? Wie unterscheiden sich Bilder, die Gäste und Tourismusorganisationen posten?

Mit solchen Studien beschäftigt sich das Team Digitalisierung am Institut für Tourismus und Mobilität der Hochschule Luzern aktuell. Erste Resultate werden im Sommer veröffentlicht.

Klar ist, dass Authentizität bei allen Kanälen wichtig ist. «Backstage-Storys kommen meist gut an. Exklusive Einblicke, zu denen ich normalerweise keinen Zugang habe», sagt Carolin Geyer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Master of Arts). Auch interessant: Neue Kontaktmöglichkeiten. Anders als auf Facebook und Instagram, wo man sich zuerst eine Followerschaft erarbeiten muss, lädt man auf Tiktok einfach ein Video hoch. Dieses bekommt eine auserlesene Gruppe zu sehen. Gefällt der Inhalt, wird er automatisch einem grösseren Pool zugespielt. «Ein gutes Video kann somit auch ohne Follower viral gehen.»

Facebook begeistert Ältere, auf Tiktok sind die Jungen, und Instagram liegt irgendwo dazwischen – wichtig ist, Sprache und Captions der Zielgruppe anzupassen. «So bedeutet das Totenkopf-Emoji bei den Jungen, dass man sich totlacht», erklärt Carolin Geyer. Wer hier noch das Emoji mit Freudentränen schickt, gehört zum alten Eisen …

Weiter beschäftigt sich das Team mit virtuellen Influencern und im Smart Region Lab (mittels interaktiver Datenvisualisierungen) mit Bewegungsströmen im Tourismus.

Influencerin Sylvia Michel und ihr Hund Rasta, ein Berger Blanc Suisse, haben je ein Instagram-Profil.

Schweiz Tourismus organisiert regelmässig Summits für Influencer aus der ganzen Welt – mit Reisen, viel Natur, Schweizer Produkten, Destinationen und Hotels.