Wann haben Sie zuletzt bei der Arbeit herzlich gelacht? Wann die Faust im Sack gemacht oder Ihrem Ärger freien Lauf gelassen? Die Hotellerie ist ein emotionsgeladenes Metier. Durch neue Gäste- und Mitarbeitendenbedürfnisse werden emotionale und soziale Kompetenzen noch wichtiger. Begeisterungsfähigkeit, Einfühlungsvermögen und Anpassungsfähigkeit führen zum ganzheitlichen Geschäftserfolg.

An der EHL Hotelfachschule Passugg GR setzt man sich deshalb intensiv mit emotionaler Intelligenz auseinander. Was bisher «Gästebetreuung» hiess, heisst hier neu «Affective Hospitality». Das klassische Gastgebertum wird neu interpretiert. Die Studierenden lernen, mit Verständnis und Empathie das Vertrauen der Gäste und der Kollegen zu gewinnen. Nur wenn sie deren Emotionen erkennen und verstehen, können sie diese auch kompetent beeinflussen. Die Affective-Hospitality-Lernmodule wurden in Zusammenarbeit mit dem Swiss Center for Affective Science der Universität Genf erarbeitet.

Emotionale Intelligenz muss eine Kernkompetenz der Hotellerie sein.

Beatrice Schweighauser, Schulletierin EHL Hotelfachschule Passugg

Gefühle zeigen und abholen ist keine Kunst
Die EHL-Studentinnen und -Studenten schlüpfen während des Unterrichts in verschiedene Rollen. In gespielten Szenen treten sie als Gastgeberin, Kommunikator, Unternehmerin oder Vorgesetzter auf. Ein Drehbuch liefert die jeweilige Situation, die es zu meistern gilt. Die Interaktion mit dem Gast oder der Teamkollegin schult die emotionalen Kompetenzen. «Mit diesen Fähigkeiten lassen sich Erlebnisse kreieren und inszenieren, die beim Gegenüber ein bestimmtes Gefühl auslösen», erklärt Beatrice Schweighauser, Schulleiterin der EHL Passugg. Beim Gast sollen bleibende Emotionen erzeugt werden. «Der Erfolg der Hotellerie lebt von der Fähigkeit der Menschen, positive emotionale Verbindungen aufzubauen. Emotionale Intelligenz muss eine Kernkompetenz der Hotellerie der Zukunft sein», so Schweighauser.

Digitale Medien oder Online-Communitys würden die emotionale menschliche Verbindung nie ersetzen. Das Gastgewerbe müsse den Fokus vermehrt auf Gastgeberpräsenz und ein gemeinsames Erlebnis legen. «Das ist keine Wissenschaft. Es braucht nicht viel. Aber die richtigen Fähigkeiten müssen zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden.»

Auch Gastgeber haben emotionale Bedürfnisse
Die Psychologin Juliane Völker befasst sich am Swiss Center for Affective Science in Genf mit emotionaler Kompetenz im Gastgewerbe und im Tourismus. Für sie führt Affective Hospitality zu «Respekt vor den Gefühlen des anderen». Die Reisevorlieben der Generation Z beschreibt die Wissenschaftlerin als «schnelllebig». Sie seien geprägt von kurzen, unkomplizierten Prozessen und kompakten Erlebnissen. «Für den Gastgeber bedeutet dies schnelles Engagement und Disengagement gegenüber dem Gast», sagt Völker. Die Kunst liege darin, in dieser temporeichen Umgebung dem Gast aufrichtiges Interesse an seinen emotionalen Bedürfnissen zu signalisieren.

Und wo bleiben die emotionalen Bedürfnisse der Angestellten? «Die emotionalen und physischen Arbeitsbedingungen wirken sich auf das körperliche und mentale Heil der Arbeitnehmenden aus», sagt Völker. Affective Hospitality helfe auch, im Teamverbund und im Umgang mit kritischen Gästen Resilienz und Handlungsfähigkeit aufzubauen. Das ist im Gastgewerbe essenziell. Denn nur wem es gut geht, kann sich auch um andere kümmern.

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Nora Devenish