Klaus Kobjoll, eine Ihrer Thesen zu Leadership lautet: Vertrauen stärken durch Vertrauen. Was meinen Sie damit?
Wir müssen keine Buddhisten sein, um zu wissen, dass all das, was wir im Leben tun, wieder auf uns zurückfällt.

Was bewirkt Vertrauen in die Mitarbeitenden?

Sie geben ihr Bestes. Sie wollen nicht enttäuschen. Gerade Auszubildende und sehr junge Profis wachsen oft über sich hinaus, wenn man sie lässt und es ihnen zutraut. Sie dürfen aber auch Fehler machen. No risk, no fun. Enttäuschungen in diesem Kontext hingegen kann ich nach 40 Jahren «Schindlerhof» an einer Hand abzählen.

Wie schenken Sie Vertrauen?

Es gibt schriftliche Pflichtenhefte, die klar definieren, wie weit die Kompetenzen gehen und wer in Abwesenheit die Hauptaufgaben übernimmt. Oft werden grössere Budgets und Projekte während der Jahreszielplan-Meetings direkt delegiert, ohne dass weitere Rücksprachen nötig sind. Ein aktuelles Beispiel: Unser Tagungsleiter hat vor wenigen Monaten in allen zehn Tagungsräumen die Beamer durch LED-Wände ersetzt. Die grösste misst fünf mal drei Meter und hat 85'000 Euro gekostet. Der Mitarbeiter hat dieses Projekt eigenverantwortlich durchgezogen. Lediglich die Finanzierung hat meine Frau für ihn erledigt.

Fünf Faktoren für die Mitarbeiterzufriedenheit
•     Persönlicher Nutzen: Der Schindlerhof  zahlt weitestgehend Wunschgehälter, gewährt Darlehen und hilft mit Bürgschaften bei Wohneigentum des Inner Circles der Führungskräfte.
•     Status: Aufstiegschancen durch Weiterbildung einschliesslich Unterstützung auf dem Weg in die Selbstständigkeit
•      Rituale der Wertschätzung und teambildende Aktivitäten ersetzen mehr und mehr den oft fehlenden Familienzusammenhalt. 
•     Zu einem Team zu gehören: «Wir lassen Menschen strahlen, damit die Welt heller wird.»
•    Leidenschaft

Fünf Fehler in der Mitarbeiterführung
•     Hierarchieverhalten
•     Fehlende Transparenz
•     Keine «open door policy»
•     Kein Ideen-Management
•     Keine regelmässigen Gutachten mit 360 Grad Feedback

Ohne Kontrolle geht es aber wohl auch nicht ...

Es gibt einen Unterschied zwischen Kontrolle und Controlling. Controlling heisst regeln und steuern, und zwar nur da, wo es nötig ist.

Sie sprechen von Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden. Man munkelt, ein Küchenchef habe sich einmal einen Ferrari gewünscht und erhalten. Ist diese Geschichte wahr?

Unser Küchenchef bekam 1985 einen Porsche 944 als ersten Dienstwagen, als zweiten einen Mercedes 300 SL. Damals war der Wertverlust so gering, dass die monatlichen Leasingraten nicht besonders hoch waren, und die meisten jungen Leute hatten noch Spass an Autos. Unserem jetzigen Küchenchef haben wir zum vorletzten Geburtstag zwei Bienenvölker geschenkt, um die er sich liebevoll kümmert. Das mit dem Ferrari war anders: Den habe ich mir 1990 gekauft, als ich zum Hotelier des Jahres gewählt wurde.

Welche Tipps geben Sie einem mittelgrossen 3-Sterne-Hotel, wie es seinen Mitarbeitenden gegenüber Wertschätzung zeigen kann?

Die intrinsischen Motivationsmöglichkeiten kosten ja nichts. Auf dieser Klaviatur kann jeder noch so kleine Betrieb spielen. Nur die extrinsischen kosten Geld. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, Gewinne zu steigern, um auch hier mehr für das Team tun zu können: entweder Kosten senken oder Preise erhöhen. Nach den multiplen Krisen der letzten Jahre haben wir unser Team durch natürliche Fluktuation von 72 auf 60 Mitarbeitende verkleinert, ohne aber den Service einzuschränken oder gar Ruhetage einzuführen. Da hilft das Parkinsonsche Gesetz: «Arbeit dehnt sich in genau dem Mass aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.» Gleichzeitig sind unsere jetzigen Teamkosten um 30 000 Euro monatlich gestiegen. Wir haben eine deutliche Preiserhöhung vorgenommen, um das zu stemmen.

Es gibt einen Unterschied zwischen Kontrolle und Controlling. Controlling heisst steuern, und zwar nur da, wo es nötig ist.
Klaus Kobjoll, Hotelier

Sie haben einen Mitarbeiteraktienindex (MAX)entwickelt. Wie kam dieser zustande?

Karl Friedrich von Weizsäcker sagte, dass die Arbeit des Einzelnen an sich selbst die gesamte Gesellschaft verändere. Das war der Anlass für die Entwicklung des MAX. Jede und jeder schaut einmal monatlich in einen Spiegel und beurteilt sich selbst. Die Kriterien wurden von den Teams in Workshops selbst erarbeitet und bereits mehrfach verändert. Heute heisst unser MAX übrigens «Human Stars Index».

Was können Sie zu den Kriterien sagen?

Das sind eine ganze Reihe: Unternehmerisches Denken, Überstundenbereitschaft, Mitarbeit am kontinuierlichen Verbesserungsprozess, Fachwissen, Ordnung am Arbeitsplatz, Pünktlichkeit und Weiterbildungswille (in der Freizeit) sind tragend. Anzahl Krankentage, Body-Mass-Index oder Rauchen wurden mal eingeführt, aber inzwischen wieder abgeschafft.

Ihre Erfahrungen mit dem Human Stars Index?

Es gibt monatlich ein Ranking, und die Top 30 sind auch tatsächlich die karriereorientiertesten Teammitglieder. Wer unter den Letzten ist, hat nichts zu befürchten, muss aber wissen: Wer immer das tut, was er schon kann, wird auch immer bleiben, was er schon ist. Beförderungen und Gehaltserhöhungen sind schon auch davon abhängig. Seit Corona und exakt 300 behördlichen Schliessungstagen ist der Index eingeschlafen. Wir bauen ihn gerade wieder auf.

Sie halten am kommenden Hospitality Summit Ihren allerletzten Vortrag. Was möchten Sie den Schweizer Hoteliers unbedingt noch mitgeben?

Jetzt, mit fast 76, halte ich Vorträge nur noch im eigenen Haus. Der Hospitality Summit war aber schon lange vorher vereinbart worden. Nun zu Ihrer Frage: Arbeiten Sie nicht im Hotel, sondern am Hotel. Langfristig erfolgreiche Unternehmen setzen immer auf Grundbesitz, auf die Erziehung der Kinder zu Unternehmern und auf Innovation.

Leading-Legende am Hospitality Summit
Klaus Kobjoll betreibt seit 1984 den «Schindlerhof», ein 4-Sterne-Tagungshotel in Nürnberg. Im Unternehmen des heute 75-jährigen Hoteliers bringen sich die Mitarbeitenden deutlich mehr ein als in herkömmlichen.[IMG 2]

Kobjoll entwickelte den sogenannten Human Stars Index, ein Mitarbeitendenbewertungstool, dessen Kriterien der Hotelier von den 65 Mitarbeitenden selbst bestimmen lässt. Sein Unternehmen wurde vom Forschungs- und Beratungsinstitut Great Place to Work mehrmals zum besten Arbeitgeber Deutschlands gekürt. 
Am 13. Juni spricht Klaus Kobjoll anlässlich des Education Day zu Leadership und Service Excellence:

hospitality-summit.ch