Hygiene, Sauberkeit und Reinlichkeit haben schon immer zu den Qualitätsmassstäben in der Beherbergungsbranche gehört. Vor der Corona-Pandemie wurde in Hotels Hygiene zwar ernst genommen und praktiziert, darüber gesprochen hat aber kaum jemand. Schon gar nicht vor den Gästen. Im postpandemischen Zeitalter gewinnen Hygienemassnahmen aber zunehmend an Bedeutung. Die Mitarbeitenden und die Gäste wollen sich im Hotel, ob als Arbeitsplatz oder Urlaubsort, geschützt und sicher fühlen.

Ein Hygienekonzept bestehend aus Plexiglasscheiben an der Réception oder prominent platzierten Dispensern mit Desinfektionsmittel wie bisher ist nicht mehr zeitgemäss. Gültige Hauswirtschaftspraktiken müssen überdacht werden. Fast drei Jahre nach Beginn der Pandemie gehört die transparente Diskussion um das Hygienemanagement zum guten Ton. Sauberkeit zeugt von Verantwortungsbewusstsein und Professionalität, weckt Vertrauen und darf durchaus auch zu verkaufstechnischen Zwecken bei den Gästen angepriesen werden.[DOSSIER]

Branchenübergreifendes Verantwortungsbewusstsein
Wie sehen die neuen Hygienestandards für die Hotellerie aus? Welche Lehren wurden aus der Vergangenheit gezogen? Wo besteht Nachholbedarf, und was sind die Gästeerwartungen? David Romanato, General Manager der Hauenstein Hotels, Roger Nessensohn, Leiter Verkauf und Marketing bei Steinfels Swiss, und Fabrizio Vagli, Geschäftsführer bei der Alice Cleantech AG, sind sich sicher, dass Hygienefragen das Leben und Arbeiten im Hotel weiterhin massgeblich beeinflussen werden und zur neuen Normalität gehören.

Am Tischgespräch der htr hotelrevue diskutierten der Hotelier, der Hygienefachmann und der Lüftungsexperte über die Aufgaben, die es für den branchenübergreifenden Erfolg zu bewältigen gilt, und definierten gemeinsame Lösungsansätze für die neue «Generation Clean».

Wissen, Einsatz und Verantwortung sichtbar machen
Die drei Gesprächspartner wurden sich schnell einig, dass es künftig absolut notwendig ist, auf gegenseitige Aufklärung und Wissenstransfer zu setzen.Hygieneexperten stünden in der Pflicht, ihr Know-how an ihre Kundinnen und Kunden aus der Hotellerie weiterzugeben. Damit solle sichergestellt werden, dass sich die schmerzhaften Erfahrungen und das Gefühl der Überforderung aus der Corona-Pandemie nicht wiederholten.

In einem weiteren Schritt müssten Hotelièren und Hoteliers als verantwortungsvolle Arbeitgeber den Wissenstransfer an ihre Mitarbeitenden gewährleisten. Wem es zudem gelinge, Hygienemassnahmen auch für die Gäste während der gesamten Customer Journey transparent zu machen, gehöre zu den Gewinnern, so der Konsens.


Inwiefern haben sich Hygieneansprüche an die Branche verändert?

David Romanato: Die Hygieneansprüche der Gäste an das Gastgewerbe und die daraus resultierenden Bedürfnisse sind so vielfältig wie die Gäste selbst. Für die einen ist die Pandemie Geschichte, für die anderen ist sie immer noch sehr präsent. Eine nicht zu volle Sauna oder genügend Abstand zum Nachbartisch im Restaurant gehören beispielsweise zu den neuen Branchennormen, die nicht mehr so schnell verschwinden und weiterhin geschätzt werden. Die Nachfrage nach Angeboten für kleine Gruppen ist definitiv gestiegen. Dies kann auch mit einem erhöhten Bedürfnis nach mehr Privatsphäre, wie wir das während der Pandemie erlebt haben, zu tun haben.

Fabrizio Vagli: Seit der Pandemie ist man sensibilisierter für die Themen Hygiene und Raumluftqualität. Mittlerweile weiss man, dass Räume mit einem konstanten und wechselnden Besucherstrom wie ein Sitzungszimmer, eine Hotelréception oder auch der ÖV Lufthygiene-Hotspots werden können. Bis vor zwei, drei Jahren wurde die Raumluftqualität noch als nebensächlich betrachtet. Heute ist sie ein wichtiges Auswahlkriterium für Gäste und Kunden, auch in der Hotellerie.

David Romanato: Wir bemerken in unseren Betrieben durchaus einen Unterschied zwischen den Hygieneansprüchen einheimischer und internationaler Gäste. Dies kann auch mit dem hohen Hygienestandard, den wir hierzulande geniessen, erklärt werden. Trotz dem hohen Standard, den wir uns in der Schweiz gewohnt sind, legen auch Schweizer Gäste seit der Corona-Pandemie noch mehr Wert auf Hygiene und Reinlichkeit. Diesem Anspruch gilt es seitens der Beherbergungsbranche gerecht zu werden.

Roger Nessensohn: Seit der Corona-Pandemie sind gesamtbetrieblich definierte und transparente Reinigungskonzepte und -pläne in den Vordergrund gerückt. Das war aber nicht immer so. Wir erhielten bei Steinfels Swiss gerade zu Beginn der Pandemie viele Anfragen aus der Branche, wie Räume und Gerätschaften professionell gereinigt werden müssten. Erstaunt hat uns auch das anscheinend vorhandene Bedürfnis nach Reinigungsanleitungen, wie sie auf den Portalen der Branchenverbände aufgeschaltet worden sind. Das zeigte uns, dass sich viele Betriebe bislang nicht eingehend und vor allem gesamthaft mit dem Thema Hygiene auseinandergesetzt haben. Vielmehr sah man die einzelnen Betriebsabteilungen wie beispielsweise die Küche oder die Etage in der Verantwortung. Neu ist das gesamtheitliche Hygienebewusstsein langfristig in den Betrieben verankert.

David Romanato: Vor Corona fanden die Reinigungsarbeiten jeweils im Hintergrund statt. Es durfte gegenüber den Gästen auf keinen Fall den Anschein machen, als ob etwas schmutzig wäre. Heute wird eine Hotellobby oder ein Aufzug auch mal oder gerade in Anwesenheit der Gäste geputzt und desinfiziert. Den Gästen werden seit der Pandemie bewusst Hygiene und Reinlichkeit und das entsprechende Verantwortungsbewusstsein der Gastgeber vermittelt.

Fabrizio Vagli: Dieses Hygiene- und Verantwortungsbewusstsein wird auch vermehrt kommuniziert. Die Hygienetransparenz gegenüber den Gästen, aber auch den Mitarbeitenden gehört seit der Pandemie zu den neuen Bewertungsmassstäben. Nicht nur für die Hotellerie, sondern branchenübergreifend. Diese Transparenz wird meiner Meinung nach sogar zu einem neuen Key Performance Indicator. Wer in Zukunft im Standortwettbewerb mithalten will, muss bereit und fähig sein, dem Kunden offen und vor allem verständlich Hygienemassnahmen, vielleicht sogar detaillierte Messdaten mit einzelnen Werten zu kommunizieren.


Aufklärug und Vermittlung bei Mitarbeitenden und Gästen nötig

Roger Nessensohn: Die Thematik rund um Hygiene und Gesundheit wird uns weiterhin beschäftigen. Zwar ist das gesamtheitliche Hygienebewusstsein mittlerweile in den Betrieben verankert, doch endet der Lernprozess damit nicht. Ein Szenario der Panik und Überforderung, wie wir es in den letzten Jahren erlebt haben, kann nur durch eine gezielte Aufklärung und den Wissenstransfer von Experten an Arbeitgebende, Arbeitnehmende und Gäste verhindert werden.

David Romanato: Diesbezüglich wird nur zielführend sein, wenn der Hotelière oder dem Hotelier das nötige Know-how durch verlässliche Partner zugespielt wird.

Fabrizio Vagli: Damit es aber überhaupt dazu kommen kann, sind sie auf die Lernbereitschaft der Kunden angewiesen. Des Weiteren gelingt eine nachhaltige Wissensvermittlung nur dann, wenn sie in einer allgemein verständlichen Sprache und ohne viel Fachjargon passiert. Der Vorteil des Raumluftqualitätsexperten ist, dass er die Materie versteht und in der Lage ist, die Problematik herunterzubrechen und langfristige Lösungsansätze im besten Fall allgemeinverständlich wiederzugeben.

Dem Gast werden seit der Corona-Pandemie bewusst Hygiene und Reinlichkeit und das entsprechende Verantwortungsbewusstsein der Gastgeber vermittelt.

David Romanato, General Manager Hauenstein Hotels

Roger Nessensohn: Uns erreichen immer wieder Anfragen aus dem Gastgewerbe betreffend rasch wirkende Hygienemassnahmen. Gesucht werden Mittel oder Gerätschaften, mit welchen sich innert kürzester Zeit gleich ganze Räume desinfizieren lassen. Gleichzeitig war unser Kundendienst während der Pandemie vermehrt mit Fragen betreffend Verträglichkeit eines Produktes und Gebrauchsnebenerscheinungen beschäftigt. Das muss nicht sein. Es bestehen nach wie vor zu grosse Wissenslücken, was den nachhaltigen Umgang mit Reinigungsmitteln und Hygienemassnahmen angeht.

Expertentransparenz bildet die Grundlage für eine gute Partnerschaft.

Fabrizio Vagli, Geschäftsführer Alice Cleantech AG

David Romanato: Die Aufklärung und die Wissensvermittlung sind für mich ein Zusammenspiel aller involvierten Parteien. Als Hotelière oder Hotelier ist man auf Inputs verschiedenster Experten angewiesen, die für den jeweiligen Betrieb Lösungen anbieten und bei der Erarbeitung und Definition entsprechender Konzepte mithelfen. Als Arbeitgeber wiederum ist man in der Pflicht, mittels interner Schulungen das erlangte Wissen an die Mitarbeitenden weiterzugeben. Nur dank diesem Zusammenspiel können die Bedürfnisse der Branche und Massnahmenpakete auch erfolgreich an die Gäste getragen werden.

Roger Nessensohn: Als Experten sind wir gefordert, Hand zu bieten und stets zu erkennen, womit wir unsere Kunden entlasten können. Schliesslich sind Hygienetrends unser Kerngeschäft und nicht dasjenige der Hotellerie. Als Hersteller und Vermarkter ist die Wissensvermittlung auch in unserem eigenen Interesse. Chemie ist generell negativ behaftet. Umso mehr müssen wir auf die nachhaltige Produktentwicklung achten. Dazu gehört auch die Ausbildung der Mitarbeitenden im Gastgewerbe, damit sie sich, genau wie die Gäste, im Betrieb sicher fühlen. Die Notwendigkeit hierfür wurde bereits vielerorts erkannt und entsprechende Massnahmen laufend umgesetzt und optimiert.

Fabrizio Vagli: Meiner Meinung nach haben zahlreiche Anbieter die Unsicherheiten ihrer Kunden während der Pandemie ausgenutzt und Massnahmen verkauft, deren Schutzwirkung kaum bis gar nicht nachgewiesen war. Kunden sollten immer auf eine beratende Erstanalyse durch den Experten bestehen. Auch sollten sie darauf zählen können, dass ihnen sämtliche Lösungsansätze aufgezeigt werden. Im Sinne des Kunden sollte es sich dabei um Massnahmen handeln, die nicht in erster Linie einer grossen Investition bedürfen, sondern einen hohen Effekt haben. Expertentransparenz bildet die Grundlage einer guten Partnerschaft. Bereits mit kleinen Schritten können sehr wirksame Optimierungen erreicht werden.


Sauberkeit als gewinnbringendes Markenzeichen?

David Romanato: Das Marketingpotenzial von Hygienemassnahmen in der Hotellerie schätze ich zurzeit für den Schweizer Gast als gering ein. Dies aus dem einfachen Grund, dass Hygiene und Sauberkeit in unserem Land vorausgesetzt werden und zum allgemeingültigen Standard gehören. Allerdings kann sich das je nach Entwicklung des Infektionsgeschehens auch rasch wieder ändern.

Roger Nessensohn: Die Schweiz gilt auf der ganzen Welt als sauberes Land. Dieser hohe Hygienestandard wird wahrgenommen und geschätzt, sowohl im In- wie im Ausland. Warum sollte dies vom Tourismus und von der Beherbergungsbranche nicht vermehrt beim Kunden angepriesen und vermarktet werden?

Fabrizio Vagli: Die Aussenluft in der Schweiz hat über das ganze Jahr betrachtet eine gute bis sehr gute Qualität. Tage oder sogar Wochen mit stark belasteter Aussenluft, wie es öfter in grossen Metropolen im Ausland vorkommen kann, sind bei uns zum Glück ein sehr seltener Zustand. Die beste Massnahme zur Verbesserung der Raumluftqualität ist hierzulande deshalb in den meisten Fällen das Einbringen von Aussenluft. Dies kann kontrolliert über eine dezentrale oder zentrale Lüftungsanlage oder ganz einfach durch regelmässiges Lüften über die Fenster passieren.

Roger Nessensohn: Es wäre durchaus sinnvoll, auch solche einfachen Massnahmen dem Gast transparent zu vermitteln.

David Romanato: Mit Blick auf Hotelbetriebe im Ausland kann festgestellt werden, dass Hygienemassnahmen durchaus als Marketingtool genutzt werden. Massnahmen übrigens, die wir hierzulande als normal und nicht besonders nennenswert betrachten. Für die internationalen Gäste scheint das Bedürfnis nach mehr Information also zu bestehen. Auf jeden Fall würde es nicht schaden, wenn das Hygienemanagement für die Gäste ersichtlich wäre und auch kommuniziert würde. Dabei ist eine gewisse Sensibilität in unserer Branche aber nach wie vor nötig.

Unsere Klientel verlangt vermehrt nachhaltige Lösungen. Hygiene um jeden Preis geht nicht mehr.

Roger Nessensohn, Leiter Marketing und Verkauf Steinfels Swiss

Roger Nessensohn: Ähnlich wie die mittlerweile gängigen Checklisten auf den Toiletten, die zeigen, wer wann gereinigt hat. Eine offene Kommunikation dient dazu, branchenübergreifend das Vertrauen der Gäste zu gewinnen und zu festigen.

Fabrizio Vagli: Dies kann zum Beispiel mittels Luftqualitätsfühler in den Hotelzimmern passieren oder auch zentral über einen Monitor oder ein Tablet, auf welchem die aktuellen Raumluftwerte angezeigt werden.

Roger Nessensohn: Unsere Klientel verlangt vermehrt auch nachhaltige Lösungen. In allen Branchen. Hygiene um jeden Preis geht nicht mehr. Die Schweizer Industrie ist sehr nachhaltigkeitsaffin und diesbezüglich sehr innovativ unterwegs. Dies darf gegenüber den Kunden vermehrt in den Vordergrund gerückt werden.


Was gehört zum neuen Hygienestandard?

Fabrizio Vagli: Transparenz in Bezug auf Hygiene ist künftig ein absolutes Muss und wird auch in der Hotellerie zum neuen Standard. Der Informationsfluss muss von den Hygieneexperten über die Gastgeber bis zu den Mitarbeitenden auf allen Stufen gewährleistet sein. Niemand mehr kann heute einfach sagen, dass bei ihm hygienetechnisch alles in Ordnung ist, ohne dies auch nachweisen zu können.

David Romanato: Die Hygienestandards in der Hotellerie müssen weiterhin sehr hochgehalten werden, wie dies auch schon vor der Pandemie der Fall war. Transparenz in Form einer sauberen und korrekten Kommunikation ist für die Zufriedenheit der Gäste und der Mitarbeitenden unabdingbar. Danach muss jeder Betrieb für sich individuell entscheiden, wo er noch eine Schippe zulegen muss oder will. Dazu gehört sicher auch die Prüfung eines Labels oder einer Zertifizierung, sofern dies vom Gästesegment gewünscht wird. Ein weiteres Plus im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wäre eine grosszügigere Raumaufteilung oder tiefere Belegungsgrenze, sofern dies für den Betrieb wirtschaftlich machbar ist.

Roger Nessensohn: Hygieneschulungen des Personals müssen in Zukunft vermehrt in den Mittelpunkt gestellt werden. Es müssen viele Sprachen und unterschiedliche Wissensstandards beachtet werden. Neue Technologien können dabei helfen und Arbeitsprozesse und Hygienetransparenz massgeblich erleichtern. Lohnenswert wäre sicher, ein spezielles Augenmerk auf die Innenausstattung im Betrieb zu lenken. Gerade die Verwendung von «einfach» zu reinigenden Materialien fällt in der Hotellerie oft der architektonischen und designmässigen Gestaltung von Räumen zum Opfer. Je nach Materialauswahl erhöht sich der zeitliche Aufwand für das Reinigungspersonal stark. Auch können durch eine durchdachte Materialwahl oft Schäden vermieden werden.


Die Gesprächsteilnehmer

David Romanato
[IMG 2]Der 37-Jährige ist seit Juni 2021 General Manager der Hauenstein Hotels mit Sitz in Gunten BE. Dazu gehören drei Hotels im 3- bis 4-Sterne-Superior-Bereich und sieben Restaurants am Thunersee, die Teil der Hauenstein-Gruppe sind. Romanato war von 2014 bis 2018 und von 2020 bis 2021 Co-Direktor im Belvédère Strandhotel in Spiez BE und von 2018 bis 2020 Direktor im Ermitage Wellnesshotel & Spa in Gstaad BE.

 

Fabrizio Vagli
[IMG 3]Seit 2022 ist der Heizungs-, Lüftungs- und Klimaexperte Geschäftsführer der Alice Cleantech AG mit Sitz in Menziken AG. Das innovative Gebäudetechnikunternehmen setzt auf Beratung und Optimierung der Raumluftqualität und nachhaltige Gebäudetechniklösungen. Vagli hat sich während seiner beruflichen Laufbahn eingehend mit Luftfiltrationsanlagen und Raumluftqualität im In- und Ausland auseinandergesetzt.

 

Roger Nessenshon
[IMG 4]Seit 2017 ist der Ostschweizer als Leiter Verkauf und Marketing bei Steinfels Swiss in Winterthur ZH tätig. Steinfels Swiss bedient nebst Spitälern, Heimen und Industrie auch die Schweizer Beherbergungsbranche mit professionellen Reinigungsprodukten und Hygienelösungen. Das Traditionsunternehmen wurde 1832 in Zürich gegründet und ist heute eine Division der Coop Genossenschaft.

Nora Devenish