Knapp drei Wochen vor der Verleihung des Milestone-Tourismuspreises hat HotellerieSuisse vergangenen Donnerstag zum ersten Milestone Innovation Day ins The Lab Hotel in Thun eingeladen. Während der Milestone innovative Tourismusprojekte auszeichnet, die sich im Markt bereits bewährt haben, setzt der Innovation Day sozusagen am anderen Ende an: Gesucht sind erste clevere Ansätze, die vielleicht eines Tages zu einem ausgereiften und erfolgreichen Produkt heranwachsen.

Rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – überwiegend Studierende der Hotelfachschule Thun – haben am Innovation Day teilgenommen. Begleitet von mehreren Coaches, bearbeiteten sie in Kleingruppen sieben verschiedene innovative Projektideen für den Schweizer Tourismus. Die Ideen – eingegeben von diversen touristischen Stakeholdern – hätten unterschiedlicher nicht sein können: von einer Networking-Plattform für Outdoor-Anbieter & Professionals über das «Hotel als Alternative zum Altersheim» bis hin zum Schlafen im Baumhaus.

Am 28. Oktober fand im The Lab Hotel in Thun der Milestone Innovation Day statt. Rund 50 Teilnehmende bearbeiteten sieben Projektideen, entwickelten erste Produktprototypen und pitchten diese vor einer Jury. Der Innovation Day versteht sich als Innovationsinkubator und bildet dieses Jahr das Bindeglied zwischen den Tourism Hackdays im Frühling und der Milestone-Tourismuspreis-Verleihung am 16. November, an der bewährte Tourismusprojekte ausgezeichnet werden.
milestoneinnovationday.ch
htr-milestone.ch

Gruppen wurden kurzerhand mit Studierenden aufgefüllt
Innovation war indes nicht nur inhaltlich gefragt. Auch die Organisatoren des Anlasses mussten Kreativität beweisen. Ursprünglich hätte der Milestone Innovation Day nämlich bereits im Juni stattfinden sollen. Doch weil sich nicht so viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemeldet hatten wie erhofft, wurde der Event in den Herbst verschoben. Aufgefüllt wurde die Teilnehmerschaft schlussendlich mit Studentinnen und Studenten der Hotelfachschule Thun.

Was im ersten Moment nach «Zwangsrekrutierung» klingt, erwies sich für die Betroffenen als Glücksfall: Für die frischgebackenen Studierenden bot der Milestone Innovation Day einen spannenden Einstieg ins Thema Innovation. Anstatt passiv eine Vorlesung zu besuchen, konnten die Nachwuchskräfte bereits in der allerersten Woche ihres Studiums praktische Erfahrungen sammeln, so Innovationscoach Sophie Bürgin, Gründerin Alpenlab. Bürgin unterrichtet regelmässig an der Hotelfachschule Thun zu Innovationsthemen und leitete durch den Tag.

In wenigen Stunden von der Idee zu einem ersten Produkt
Um von der blossen Idee zu einem ersten Prototyp zu gelangen, blieb den Arbeitsgruppen nur wenige Stunden Zeit. Als Rahmen diente die Methode des «Rapid Prototyping». Bei diesem aus der Start-up-Branche entlehnten Ansatz wird eine Idee in kurzer Zeit getestet und in eine erste, einfache Lösung überführt. «So merkt man sehr schnell, ob etwas grundsätzlich funktioniert oder ob es völliger Blödsinn ist,» so Michael Lindemann von der Company Factory AG, der den Anlass mit vorbereitet und begleitet hat.

Damit ein möglichst konkretes Geschäftsmodell entsteht, mussten sich die Teilnehmenden zunächst ganz grundsätzliche Fragen stellen: Wer ist unsere Zielgruppe? Welches Problem lösen wir? Wie könnte unser «Minimum Viable Product» aussehen? Die Gruppen visualisierten ihre Ansätze auf Papier (Storyboards») sowie dreidimensional mit Duplosteinen und allerlei Bastelmaterial.

So weit der spielerische Teil. Als Nächstes galt es, die bereits mehr oder weniger ausformulierten Geschäftsideen einem ersten Stresstest zu unterziehen. Dazu präsentierten sich die Gruppen ihre Projekte zunächst gegenseitig und bewerteten einander kritisch. «Fangt nicht gleich an, euch zu rechtfertigen, sondern hört einander zu», empfahl Bürgin. Danach folgte der Schritt aus der touristischen Bubble hinaus in die «reale Welt»: Die einzelnen Gruppen streiften durch halb Thun und holten Drittmeinungen von wildfremden Passanten ein – nicht wenige kostete dieser Schritt Überwindung.

Zurück in der Hotelfachschule, blieben den Teilnehmenden nur noch wenige Stunden, um ihre Ansätze ein letztes Mal zu schärfen und die Abschlusspräsentationen vorzubereiten. Präsentiert wurde vor dem Plenum sowie einer Jury aus fünf Branchenexpertinnen und -experten im sogenannten «Höhle der Touristiker»-Format – angelehnt an die VOX-Sendung «Die Höhle der Löwen». Jeweils drei Minuten Präsentation, danach kritische Rückfragen der Jury.

Das Rennen gemacht hat am Schluss die Gruppe «Baumhausdorf» – eine der drei Gruppen, die die Idee des Baumhaus-Hotels bearbeitet haben. Zwar sei die Idee von Baumhäusern als Hotels nicht neu, doch die Gruppe habe es in der knappen Zeit am besten verstanden, ihren Lösungsansatz so konkret wie möglich auszugestalten und darüber hinaus das weitere Vorgehen aufzuzeigen. Belohnt wurde die Gruppe mit einem Hotelgutschein im Wert von 1500 Franken.

Sophie Bürgin ermunterte die Teilnehmenden zum Abschied, mutig zu sein und unternehmerisch zu denken. Die Branche brauche innovative Ideen und Köpfe – ganz egal, ob man noch Studentin oder Student sei.


Kommentar: Innovation wächst nicht auf Bäumen...

...sondern in Köpfen. Am Milestone Innovation Day wurde wichtige Grundlagenarbeit geleistet. Daran ändert auch das vergleichsweise banale Siegerprojekt nichts.

Die Studentinnen und Studenten hatten es am Milestone Innovation Day wirklich nicht leicht. Ohne Vorkenntnisse zu den einzelnen Projektideen mussten sie innerhalb eines Tages erste, realistische Geschäftsmodelle entwickeln. Zeitdruck pur, doch damit nicht genug: Am Ende mussten sie ihre Lösungsansätze auch noch einer kritisch nachhakenden Jury präsentieren. Allein der Gedanke daran versetzt mich in die dunkelsten Momente meiner Schulzeit zurück … Aber für die Studis am Innovation Day offensichtlich kein Problem. Souverän, mit kreativen Einfällen und viel Humor meisterten sie den Tag. Bravo!

Im ersten Moment etwas ratlos machte mich dagegen die Tatsache, dass sich gleich drei Arbeitsgruppen der Idee «Baumhaus-Hotel» annahmen – und dass die Jury eine davon zur Siegerin erklärte. Echt jetzt, das soll die Branche weiterbringen? Dabei standen in meinen Augen viel spannendere Ideen zur Wahl, etwa eine Flatrate für das gesamte Tourismuserlebnis der Schweiz oder «Alpine Co-Living», ein Konzept, das «Arbeit und Leben miteinander verbinden» soll. Aber vielleicht sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr ... Womöglich ist es ganz einfach: ein Hotel auf dem Baum? Klar, das ist greifbar. «Incoming meets Outgoing – Schweizer Touristiker vereint»? Schwierig.

Der hands-on-approach des Milestone Innovation Day ist Stärke und Schwäche zugleich. Die Studentinnen und Studenten gingen mit «beginner’s mind» und viel Idealismus an die Arbeit. Wer exakt die Zielgruppe für ein neues Produkt ist, ob überhaupt eine Nachfrage besteht oder ob es sich zu einem realistischen Preis verkaufen lässt, ist nach knapp einem Arbeitstag nicht bei allen Projekten geklärt. Aber das macht nichts. Denn das Feedback der Teilnehmenden zeigt: Am Milestone Innovation Day wurden wichtige Grundsteine gelegt – nicht unbedingt bei den Projekten selbst, dafür umso mehr in den Köpfen der Nachwuchstouristikerinnen und -touristikern.

patrick Timmann