Der Bundesrat erfüllt laut einer breit aufgestellten Allianz aus Kantonen, Organisationen und Branchen mit seinem Vorschlag das Anliegen für städtische Tourismuszonen bei Weitem nicht. Die Allianz, darunter auch HotellerieSuisse, verlangt «bedarfsgerechte und zeitgemässe Tourismuszonen sowie ein vernünftiges Verkaufsangebot» – mit dem Ziel, die Innenstädte zu beleben, den Detailhandel zu stärken und Chancengleichheit für den Städtetourismus zu schaffen. 

Anfangs 2022 wandten sich kantonale Volkswirtschaftsdirektorinnen und Volkswirtschaftsdirektoren sowie Schweiz Tourismus und ihre Städtepartner an den Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF). Sie forderten, den Begriff des Fremdenverkehrsgebietes in der bundesrätlichen Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz neu zu definieren. Die Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz, Metropolitankonferenz und weitere Verbände und Branchen schlossen sich der Forderung an. Heute gelten als Fremdenverkehrsgebiete Kur-, Sport-, Ausflugs- und Erholungsorte, in denen der Fremdenverkehr von wesentlicher Bedeutung ist und erheblichen saisonalen Schwankungen unterliegt.

Nur in solchen Gebieten dürfen Betriebe, die der Befriedigung spezifischer Bedürfnisse der Touristinnen und Touristen dienen, während der Saison Arbeitnehmende bewilligungsbefreit am Sonntag beschäftigen. Diese Bestimmung deckt touristische Bergregionen ab und schliesst Destinationen des Städtetourismus aus – und schwächt diese dadurch unnötigerweise. Deshalb forderte die Allianz, dass die Verordnung zum Arbeitsgesetz mit einem Passus ergänzt wird, um auch in Städten Tourismuszonen zu ermöglichen.

Nur sieben Städte

Die vom Bundesrat vorgesehenen Anpassungen zum Sonntagsverkauf beinhaltet Sonderregelungen. So wäre diese auf Städte mit mehr als 60'000 Einwohnern beschränkt. Ausserdem müsste der Anteil der ausländischen Hotelgäste mindestens 50 Prozent betragen.

Damit käme zurzeit nur Zürich, Genf, Luzern, Basel, Lausanne, Bern und Lugano für eine Lockerung des Sonntagsarbeitsverbots infrage.

Vorschlag des Bundesrats fällt durch
Das WBF hat aufgrund dieser Forderungen eine Verordnung ausgearbeitet und im letzten November in die Vernehmlassung geschickt. Diese fällt bei der breiten Allianz von Kantonen, Organisationen und Branchen durch: «Unser Anliegen, die Innenstädte zu beleben und gleich lange Spiesse für den Städtetourismus zu schaffen, wird mit dem sehr restriktiven Vorschlag des Bundesrats bei Weitem nicht erfüllt. Wir müssen der Lebenswirklichkeit Rechnung tragen und ein vernünftiges Verkaufsangebot ermöglichen», sagt Carmen Walker Späh, Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin und Vize-Präsidentin der Volkswirtschaftsdirektoren-Konferenz.

Die vom Bundesrat vorgeschlagene Anpassung beinhaltet untaugliche und komplizierte Sonderregelungen und ist für die Wirtschaft nicht praktikabel. «Wir erwarten vom Bund Lösungen, die sowohl für die zuständige Behörde als auch für die beteiligten Geschäfte leicht verständlich und anwendbar sind», sagt Stefano Rizzi, Direktor Amt für Wirtschaft und Arbeit Kanton Tessin.

Anders Stokholm, Präsident der Metropolitankonferenz Zürich vereint die Kantone Zürich, Aargau, Zug, Thurgau, Schaffhausen, St. Gallen, Schwyz und Luzern sowie rund 130 Städte und Gemeinden. Er ergänzt: «Die Beschränkung möglicher Tourismuszonen auf Städte mit mehr als 60’000 Einwohnerinnen und Einwohnerinnen ist willkürlich und ungeeignet für die Beurteilung touristisch attraktiver Städte. Sie führt zu einer Ungleichbehandlung und zu Wettbewerbsverzerrungen.»

Sortimentsbeschränkung unattraktiv
Gemäss dem Vorschlag des Bundesrats sollen in Tourismuszonen zudem nur Geschäfte öffnen dürfen, die hauptsächlich internationale Kundschaft bedienen und Waren im Luxus- und Souvenirbereich anbieten. «Dieses an Corona-Massnahmen erinnernde Mikromanagement ist praxisfremd, für Reisende unattraktiv und wettbewerbsverzerrend», sagt Dagmar Jenni, Direktorin der Swiss Retail Federation. Der Tourismus ist eine typische Querschnittsbranche, bei der ein stimmiger und attraktiver Angebots-Mix entscheidend ist.

«Wenn das für den Städtetourismus wichtige Einkaufserlebnis fehlt, wirkt sich dies nachteilig auf die Gesamtattraktivität eines Reiseziels aus, insbesondere im Wettbewerb mit zahlreichen europäischen Städten, in denen Geschäfte an Sonntagen geöffnet sind», sagt Tiana Moser, Ständerätin und Vorstandsmitglied Zürich Tourismus. Von Tourismuszonen würde nicht nur der Detailhandel profitieren, sondern die gesamte touristische Wertschöpfungskette. Gerade bei Tagestouristen besteht ein riesiges ungenutztes Einkaufspotenzial in den Stadtzentren, von dem die lokale Wirtschaft profitieren könnte

«Angesichts des gesellschaftlichen Wandels der letzten Jahrzehnte erwarten Besucherinnen und Besucher heutzutage in den Zentren nebst interessanten Freizeit-, Kultur- und Gastronomieangeboten auch den gemütlichen Einkaufsbummel. Und zwar an sieben Tagen die Woche», sagt Martin von Moos, Präsident von HotellerieSuisse.

Vorschlag zurück an den Absender
Die Allianz aus Kantonen, Organisationen und Branchen weist den Verordnungsvorschlag aus den genannten Gründen an den Bundesrat zurück. Gefordert wird eine Regelung, die es den Kantonen ermöglicht, gemeinsam mit den betroffenen Städten und Gemeinden sowie den Sozialpartnern vor Ort bedarfsgerechte, zeitgemässe und zielführende Tourismuszonen einführen zu können. Indem die Innenstädte am Sonntag belebt werden, soll der Tourismus in Schweizer Städten nachhaltig gestärkt werde. (mm)

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