Um die Steuermoral vieler Schweizer Hoteliers steht es offenbar nicht zum Besten. Diesen Schluss legt eine noch unveröffentlichte Studie der Universität St. Gallen nahe. Demnach haben bei einer anonymisierten Onlinebefragung von Hoteliers in der deutschsprachigen Schweiz über ein Viertel der Antwortenden angegeben, in der Vergangenheit Kurtaxen hinterzogen zu haben. Einige davon sogar bis zu 30 Prozent. Bei diesem hohen Wert handle es sich zwar um einzelne Ausreisser, relativiert Studien-Co-Autor Pietro Beritelli. Trotzdem schätzt er auf Basis der Untersuchung, dass jedes Jahr bis zu 5 Prozent aller Kurtaxen von den Hoteliers nicht an die Gemeinden beziehungsweise Tourismusorganisationen weitergeleitet werden. Pikanter Nebeneffekt: Die Ergebnisse stellen gleichzeitig die Zuverlässigkeit der Logiernächtestatistik Hesta infrage. Dass die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Logiernächte noch höher liegen könnte, kann Beritelli zudem nicht ausschliessen. Zwar sei einerseits die Steuermoral in der Schweiz hoch. Andererseits könnte ausgerechnet dies dazu geführt haben, dass viele Hoteliers ihr Fehlverhalten nicht eingestehen wollten. Möglich sei zudem, dass viele Hoteliers der Anonymisierung der Umfrage nicht ausreichend Vertrauen geschenkt hätten und deshalb mögliches Fehlverhalten nicht oder nur teilweise zugeben wollten.
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Gestörtes Vertrauen in die Tourismuspartner
Hoteliers hinterziehen Kurtaxen: Die auf einer Online-Umfrage basierende Studie der Universität St. Gallen, die wir in dieser Ausgabe exklusiv publizieren, fördert Erstaunliches zutage und wirft nebst moralischen Aspekten auch einige grundsätzliche Fragen auf. Wenn Hoteliers ihre unvollständige Logiernächtedeklaration damit begründen, dass die Kurtaxen ihren Zweck nicht erfüllten und damit obsolet seien, bringen sie gegenüber ihren Partnern innerhalb der DMO ein massives Misstrauensvotum zum Ausdruck. Offenbar gelingt es den Tourismusorganisatoren oder den Gemeinden, die die Kurtaxe erheben, nur mangelhaft, die Hotellerie davon zu überzeugen, dass die Taxe gerade auch zu ihrem Nutzen verwendet wird. Da besteht Gesprächsbedarf. So nebenbei beweist die Onlineumfrage überdies ein weiteres Mal, wie unzureichend die Masszahl «Logiernächte» ist, wenn es um die effektive touristische Erfolgsmessung geht. Die monatlich veröffentlichte Statistik fusst also teils auf vorsätzlich gefälschtem Zahlenmaterial.
Gery Nievergelt, Chefredaktor
Nach den Motiven gefragt, konnten die Autoren bei den Hoteliers unterschiedliche Gründe für die Steuerhinterziehung ausmachen. So sind einige Hoteliers überzeugt, dass die Kurtaxe abgeschafft werden sollte, da sie ihrer Ansicht nach nicht sinnvoll genutzt wird. Andere sind mit der Taxe und ihrer Verwendung zwar einverstanden, melden aber trotzdem Logiernächte nicht. Viele Befragte sehen das schwierige Geschäftsumfeld – letztendlich also die eigene betriebswirtschaftliche Lage – als Legitimation für die ungenügende Deklaration der Logiernächtezahlen.
Die Touristiker reagieren zurückhaltend bis ungläubig
Die Reaktionen auf die Ergebnisse fallen unterschiedlich aus. Da ihm die Studie nicht vorliege, könne und wolle er keine Pauschalbeurteilungen vornehmen, so Raoul Calame, Geschäftsführer Aletsch Arena AG. «Ganz allgemein gehe ich davon aus, dass sich in jeder Beherbergungsform schweizweit und überall schwarze Schafe finden lassen.» Ueli Heer, Mediensprecher Zürich Tourismus, hält sich mit detaillierten Auskünfte ebenfalls noch zurück: «Grundsätzlich erleben wir die Zahlungsmoral der Zürcher Hoteliers überaus positiv.» Für Reto Branschi, Tourismusdirektor Davos-Klosters, sind die Studienergebnisse zumindest für Davos nicht nachvollziehbar. «Wir haben sehr viel automatische digitale Übermittlungen. Um zu betrügen, müsste man gezielt manuell eingreifen. Es gäbe sofort Mitwisser. Daran glaube ich nicht.» Auch nicht bei jenen Hoteliers in seiner Region, die die Logiernächte noch auf Papier einreichen: «Die Anzahl der ausgestellten Gästekarten kann für jeden Betrieb mit der Anzahl gemeldeter Logiernächte verglichen werden. Dabei ist es noch zu keinen nennenswerten Unstimmigkeiten gekommen.»
Wie sollten die Tourismusorganisationen und Gemeinden auf die Studienbefunde reagieren? Pietro Beritelli empfiehlt, die Verwendung der Kurtaxengelder noch transparenter zu machen. «Die Zweckgebundenheit sollte besser dargestellt werden.» So könnte Misstrauen in die Steuer erhebende Organisation vermieden werden und die Hoteliers erhielten mehr Mitbestimmungsmöglichkeit bei der Einführung, Erhebung und Verwendung der Taxe. Der den Hoteliers daraus entstehende Nutzen sollte ihnen ausserdem stärker vor Augen geführt werden.
Von mehr Kontrollen halten die Autoren indes wenig. Der Aufwand zur Durchsetzung stünde in keinem Verhältnis zum Nutzen dieser Kontrollen. Ein Aufruf zu freiwilliger Solidarität sei womöglich wirksamer als staatlich verordnete Geldeintreiberei. «Auch die Selbstverständlichkeit der Erhebung sollte man diskutieren», findet Beritelli.
Die Studie «Logics behind evading overnight taxes: a cofigurational analysis» wurde im International Journal of Contemporary Hospitality Management veröffentlich und kann bei Bedarf bei den Autoren (Pietro Beritelli, Stephan Reinhold und Christian Laesser) angefordert werden.