Was genau hat Frodo Beutlin, der Hauptcharakter aus der berühmten «Herr der Ringe»-Trilogie mit Neuseelands touristischem Erfolg zu tun? Ziemlich viel, wenn man genau hinschaut. Das Land «am Ende der Welt» diente als Kulisse für die epischen Filme von Regisseur Peter Jackson. Seither sind mittlerweile gut 25 Jahre vergangen. Den Kult, der daraus entstanden ist, hat Neuseeland geschickt genutzt, um dem Land auf ewig einen ganz besonderen Anstrich zu verleihen.

Highlight
Die Camping-Infrastruktur Neuseelands sucht ihresgleichen und schreit förmlich nach Urlaub mit dem Wohnwagen.

Missing
Neuseelands Tourismusminister spricht davon, eine überhöhte Tourismussteuer einzuführen. Er findet, das Land gehöre primär den Neuseeländern.

Aufgefallen
Die massiven Schäden, welche Zyklon Gabrielle im Februar angerichtet hat, wurden in Rekordzeit behoben.

Am Flughafen Auckland werden Neuankömmlinge von einem Banner mit der Aufschrift «Willkommen in Mittelerde» begrüsst. Spätestens jetzt weiss jeder, der noch nie etwas von Hobbits gehört hat, dass er auf einem speziellen Stück Erde gelandet ist. Um in die Welt von Mittelerde einzutauchen, muss man bloss wenige Kilometer aus Neuseelands einziger Metropole hinaus Richtung Süden fahren. Der erste Stopp ist Hobbiton. Hier hat Peter Jackson eine Schaffarm als perfekten Ort für sein Auenland ausgemacht. Heute steht das Hobbit-Dorf, originalgetreu aufgebaut, noch immer. «Hobbiton Movie Tours» investiert gerade mehrere Millionen in den Ausbau dreier neuer Hobbit-Häuser. Die Zahlen sind spektakulär: bis zu 700 000 Besuchende jährlich, beinahe 300 Angestellte und in den Sommermonaten 60 geführte Dorftouren täglich. Trotz grossem Ansturm sind die Touren perfekt getaktet und nicht überfüllt. Es bleibt Zeit für Fotos und das Eintauchen in die magische Welt von Mittelerde. Zurück im Campervan will man nur noch eines: möglichst schnell sämtliche «Herr der Ringe»-Filme durchschauen.

Von Hobbiton sind es vier Autostunden zum Tongariro-Nationalpark. Hier steht der Ruapehu-Vulkan, der in den Filmen als Kulisse für das schwarze Mordor diente. Die Tageswanderung auf den Spuren Frodos, bekannt als «Tongariro Crossing», ist mittlerweile so beliebt, dass aus den Shuttlebussen, welche die Wandergefährten am Endpunkt der Tour abholen, ein eigener Industriezweig geworden ist. Wer in der Hauptsaison durch die Vulkanlandschaft Mordors wandern will, der reserviert im Voraus, am besten Monate.

Die Tolkien-Verfilmungen haben dem neuseeländischen Tourismussektor bis heute 2,5 Milliarden Dollar eingebracht.

Auch die alpinen Landschaften auf der Südinsel haben durch die Filme an Sehnsucht gewonnen. Am Mount Cook oder im Fjordland-Nationalpark befinden sich zahlreiche Punkte auf der «Herr der Ringe»-Entdeckungskarte, die im Internet oder bei Touristeninformationen schnell gefunden ist. Schätzungen zufolge haben die Tolkien-Verfilmungen dem neuseeländischen Tourismussektor bis heute rund 2,5 Milliarden Dollar eingebracht. Rund 20 Prozent aller Touristen geben an, Neuseeland explizit wegen der Filme als Reiseziel entdeckt zu haben. 

Kritiker können jetzt Overtourism ins Spiel bringen oder behaupten, solche Leuchttürme zögen bloss ein spezifisches Segment von Touristen an. Fakt ist, die Infrastruktur in Neuseeland ist längst nicht am Anschlag, und 60 Prozent der Besuchenden von Hobbiton haben noch nie einen «Herr der Ringe»-Film gesehen. Der Effekt wirkt also weit über Hollywood-Freaks in Hobbit-Kostümen hinaus. Schön wäre, würden sich die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger solcher Effekte bewusst werden, wenn es darum geht, über das nächste Leuchtturmprojekt für unser Land abzustimmen – vielleicht schon bald, für Olympia 2030.

[IMG 2] Gemeinsam mit seiner Partnerin Lena-Maria Weber reist Patric Schönberg mit dem Rucksack für ein Jahr um die Welt. Der ehemalige Leiter Kommunikation von HotellerieSuisse berichtet aus seiner persönlichen Perspektive über Dinge, die auffallend anders sind als bei uns. Interessierte können die gesamte Reise auf Instagram unter @losnescos mitverfolgen.