Ab 890 Franken kostet eine Nacht. Dafür kriegt man in Pfäfers SG ein ganzes Hotel mit Wintergarten, Terrasse, Billardsalon, Jagdsaal mit Beamer und Playstation, Restaurant und Küche, sieben Doppel- sowie drei Einzelzimmern mit frisch bezogenen Betten. Exklusive Personal, inklusive Aussicht.

Schloss-Wartenstein-Mitinhaber Walter Graf lässt seinen Blick schweifen – Richtung Falknis, Bündner Herrschaft, Churer Rheintal und über das Sarganserland. Graf und sein Geschäftspartner Herbert Widmer haben das Hotel Schloss Wartenstein im Herbst 2020 gekauft, mitten in der Covid-19-Pandemie. Im September 2020 gründeten sie die Grawi Wartenstein AG. Ohne die Pandemie wäre das Haus womöglich noch immer als Boutique-Hotel im Besitz des Grand Resort Bad Ragaz.

Ein Plan zerschlägt sich
2016 hatte das Grand Resort Bad Ragaz den traditionellen Familienbetrieb des langjährigen Hoteliers Jakob Knöpfel gekauft. Der Plan: das Haus als Ferienhotel weiterführen, dabei die Restaurations- und Beherbergungskonzepte anpassen und in einem zweiten Schritt bauliche Massnahmen umsetzen. Doch dazu kam es nicht mehr. Der erste Lockdown platzte ins Vorhaben. «Eine Weiterentwicklung mit dazugehörigen Investitionen sehen der Verwaltungsrat und ich in den kommenden Jahren als nicht realistisch an», schrieb Patrick Vogler, CEO des Grand Resort Bad Ragaz, im Juni 2020. Das Hotel samt Restaurant stand wieder zum Verkauf.

Die Käufer Walter Graf und Herbert Widmer kommen weder aus der Gegend noch aus der Beherbergungsbranche, sind aber bewanderte Firmeninhaber und Geschäftsführer. Sie sahen den Ort, die Aussicht und das Potenzial. Gleichzeitig wussten sie, wie viel Zeit und Geld es kosten würde, das Hotel für einen regulären Betrieb auf Vordermann zu bringen. Ausserdem herrschte immer noch Ausnahmezustand.

Erstvermietung via Airbnb
Plötzlich lag die Idee auf dem Tisch, das ganze Haus als Selbstversorgerunterkunft zu vermieten. «Wir schrieben das Angebot auf gut Glück auf der Plattform Airbnb aus», erinnert sich Graf. Kaum online, traf die erste Buchung für Silvester ein, und schon folgte Reservation auf Reservation. Walter Graf ist überzeugt: «Da hat uns Corona in die Hände gespielt.» Bereits 2021, nach einem Jahr, war der Turnaround geschafft, 2022 gab es sogar einen kleinen Überschuss, welcher sofort wieder investiert wurde. Umbaupläne hegen Widmer und Graf vorläufig keine: den Bestand pflegen ja, umbauen nein.

Wir schrieben das Angebot auf gut Glück auf der Plattform Airbnb aus.
Walter Graf, Miteigentümer Hotel Schloss Wartenstein

Gäste aus aller Welt
Auch jene Nasszellen, die eigentlich eine Überholung nötig hätten, bleiben, wie sie sind. Graf sagt, er habe zwar mit Reklamationen gerechnet, doch es gab keine, im Gegenteil: Der Charme der 70er-Jahre kommt bei den Gästen gut an. Seit die Reisebeschränkungen aufgehoben sind, reisen sie aus ganz Europa, selbst aus Übersee, aber auch aus der Region an, um im Schloss Wartenstein Feste zu feiern. Drei Wochenenden pro Monat ist das Haus durchschnittlich gebucht. Der Mindestaufenthalt beträgt dann jeweils vier Nächte. Im Winter verbringen Familien gemeinsam Skiferien, es finden Geburtstagsfeiern und Hochzeiten statt, manche mit Trauungszeremonie im Schlossgarten. Dabei werde vor allem die Privatsphäre geschätzt, sagt Managerin Rita Hager, die bei jeder Übergabe persönlich vor Ort ist. Zwar gehört eine professionelle Schlussreinigung zum Service, doch das Hotel besenrein und die Küche aufgeräumt zu hinterlassen, ist Aufgabe der Mieterschaft. 

Verwaistes Restaurant
Unter der Woche liegt die Nachfrage bis dato unter den Erwartungen, gegen einen Aufpreis sind dann auch Mindestaufenthalte ab einer Nacht möglich. Graf ortet noch mehr Potenzial für Teamevents, Workation oder Firmen-Retreats. Das grösste ungenutzte Potenzial jedoch sieht er in der Gastronomie. Für das Restaurant im Untergeschoss mit Garten und 60 Sitzplätzen konnten bisher keine Pächter gefunden werden. «Dabei gäbe es angesichts der vielen Feste interessante Synergien mit dem vermieteten Hotel.» Bislang arbeiten die Inhaber im Frondienst. Die Rendite sehen die Unternehmer auf der Zeitachse. Doch die sei nicht der Treiber für ihre Motivation, so Walter Graf. Er tritt wieder auf die Terrasse. «Diese Aussicht ist nicht mit Geld aufzuwiegen. Wir wollen sie möglichst vielen Menschen zugänglich machen. Vermutlich, weil wir sie selber so geniessen.» 

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