Von den Zimmern des Hotel Krafft in Basel fällt der Blick auf den Rhein. Frachtschiffe ziehen vorbei, der Kies-Ueli oder die «Calypso» aus den Niederlanden sind unterwegs. Am anderen Ufer wird die Geschichte der Stadt sichtbar, wie Franz-Xaver Leonhardt bei einem Rundgang durchs historische Hotel erläutert: Das Münster steht linker Hand seit rund 1000 Jahren, vis-à-vis nahm die chemische Industrie mit Seidenbänderfärbereien ihren Anfang.

In der Schweiz ist uns noch zu wenig bewusst, dass Hotels ein Teil unserer Identität sind. Bei diesem Thema werde ich zum Patrioten.

Einst erleuchteten Kerzen in einer Nische das grosszügig geschwungene Treppenhaus von 1873. In den Zimmern ergänzen sich neue und alte Möbel. Auf der obersten Etage, wo einst Hermann Hesses zweite Frau logierte, verlegten die Erbauer im 19. Jahrhundert Tannenbretter, in den nobleren Etagen darunter Eichenparkett. «Viele Gäste schätzen das Unperfekte an unserem Haus», sagt der 53-Jährige.

Franz-Xaver Leonhardt, das Hotel Waldhaus Flims hat seine Mitarbeitenden entlassen und ist vorerst geschlossen. Wäre das ein Fall für Ihren Verein «Freunde der Swiss Historic Hotels»?
Es war eben gerade das Waldhaus Flims, das mich auf die Idee gebracht hat, historische Hotels zu schützen und der Spekulation zu entziehen. Als das Hotel vor rund acht Jahren in Konkurs ging, habe ich mir in der Tat überlegt, es zu erwerben. Ich war in der Voreröffnung des «Nomad» und habe eingesehen, dass es zu teuer ist.

Wenn ein Haus Konkurs macht, ist es zu spät für eine gute Lösung. Denn dann bekommt es, wer dafür am meisten zahlt. Die Immobiliengesellschaft hat das Hotel allein in der Absicht erworben, Geld zu investieren. Die Inhaber haben 40 Millionen reingesteckt und sich entschieden, die alten Zimmer zu sanieren. Das hat viel von der historischen Substanz zerstört. Für mich ist es kein historisches Hotel mehr und kommt daher für die Historic Hotels nicht mehr infrage.

Wie finanziert der Verein den Kauf von Hotels?
Unser Ansatz ist, dass wir den Boden von der Immobilie trennen und darauf ein Baurecht gründen. Damit kann man durch den Eintrag im Grundbuch bestimmen, dass das Haus als historisches Hotel weitergeführt werden muss. Der Boden geht an die gemeinnützige Stiftung Edith Maryon, diese entschuldet diesen. So entziehen wir ihn der Spekulation.

Vom historischen «Krafft» zur Hotelgruppe
Franz Xaver Leonhardt wuchs in Basel als siebtes von acht Kindern in einer Grossfamilie auf. Er erwog zunächst, Lehrer zu werden, begann dann aber eine Kochlehre. Diese brach er ab und wechselte an die Hotelfachschule Thun. Im Dezember 2002 kaufte er das Hotel Krafft in Basel. Dieses verkaufte er vier Monate später an die Stiftung Edith Maryon. Diese will Immobilien der Spekulation entziehen. Leonhardt führt das «Krafft» seither mit Partnern als Pächter. 2007 wurde es als «Historisches Hotel des Jahres» ausgezeichnet.

2008 eröffneten sie gegenüber in der Rheingasse die Wein-Bar Consum, im Herbst 2011 kam die operative Leitung des Zürcher 4-Sterne-Hotels Greulich dazu. Dieses gab Leonhardt aber später auf. Heute gehören die Bar und die Brauerei Volta Bräu sowie das 4-Sterne-Design-Hotel Nomad und seit Juli 2023 das Hostel Silo zur Krafft-Gruppe.

2020 gründete Leonhardt die Historic Hotel AG, die zu 100 Prozent im Besitz des gemein­nützigen, steuerbefreiten Vereins «Freunde der Swiss Historic Hotels» ist. Er ist verheiratet mit der Hotelière Catherine Leonhardt, zusammen haben sie zwei Kinder im Alter von 16 und 13 Jahren. Seit Juni 2023 ist Franz-Xaver Leonhardt Präsident von Hotellerie­Suisse Basel und Region. In der Freizeit gärtnert, wandert und musiziert er.

Wir als gemeinnütziger Verein sind steuerbefreit, Unterstützer können uns grössere oder kleinere Spenden geben. Wer uns ein Objekt in Obhut gibt, verzichtet auf den Maximalgewinn und überlässt es zu einem reduzierten Preis, damit wir es als historisches Hotel weiterführen können. Das Hotel an sich muss mittel- bis langfristig wirtschaftlich selbsttragend sein. So haben wir es bei unserem ersten Hotel, dem Hotel Vitznau, umgesetzt.

«Waldhaus»-Inhaberin Z Capital Partners hat sich 2016 zum Verkauf des Giacometti-Triptychons von 1904 entschlossen, das der Künstler eigens fürs Hotel malte. Ein neuer Besitzer zahlte circa vier Millionen für das Werk. Hätte es im Hotel bleiben sollen?
Nur weil es einen hohen Wert hat, heisst das nicht, dass man es entfernen sollte. Giovanni Giacometti hat es speziell für das Hotel geschaffen, es zeigt das Haus im Verlauf der Jahreszeiten. Der Verkauf des Triptychons über ein Auktionshaus hat das Werk der Öffentlichkeit entzogen.

Das Werk gibt Identität und gehört dorthin. Denn Hotels sind auch öffentliche Orte, man kann sie auch betreten, wenn man nicht dort logiert. Wenn ich in fremden Städten bin, spaziere ich manchmal in die Lobby eines Hotels, um zu sehen, wie es dort aussieht.

Welchen Unterschied macht es aus Ihrer Sicht, ob ein historisches Hotel in der Schweiz in- oder ausländische Besitzer hat?
Es geht weniger um die Nationalität als darum, ob einige wenige oder ganz viele ein Hotel besitzen. Wir sind ein Verein mit hoffentlich bald vielen Mitgliedern und gemeinnützig, also öffentlich, die Hotels des Vereins gehören eigentlich allen. In der Schweiz ist uns noch zu wenig bewusst, dass Hotels ein Teil unserer Identität sind. Bei diesem Thema werde ich zum Patrioten.

Ich finde es schade, dass wir Hotels in ausländische Hände gegeben haben. Es ist ja klar, dass wenn jemand in Katar oder China aufgewachsen ist, nicht das gleiche Verständnis hat. Ausländische Investoren machen zwar etwas Schönes mit Schweizer Hotels. Sie haben aber nicht das gleiche Interesse. Ich unterstelle ihnen, dass sie einfach ihr Geld in der sicheren Schweiz parkieren wollen. Das ist legitim, aber ein Hotel ist ein Teil des öffentlichen Gutes. Auch das Matterhorn gehört allen. Die Lex Koller schränkt den Kauf von Häusern in der Schweiz für Ausländer ein, sie greift aber für Hotels nicht. Ich will keine Lex Koller für Hotels, aber für wichtige Zeitzeugen bringt eine Schweizer Lösung einen Mehrwert.

Klappte es in Flims trotz oder wegen des ausländischen Investments nicht?
Ich unterstelle der Investmentgesellschaft, dass sie mit dem «Waldhaus» auf den gewinnbringenden Verkauf spekuliert hat. Das ging aber schief. Es war zu komplex, und sie gerieten mit dem Unterfangen in eine schwierige Zeit. Der Business-Case ging einfach nicht auf.

Woran lag es aus Ihrer Sicht?
Ich kann nur vermuten. Meist ist es eine Mischung aus mehreren Faktoren, die zusammenspielen. Die Inhaber und die Führung haben die Destination wohl nicht ganz verstanden. Flims ist ein spezieller Ort, man muss das Umfeld ein wenig kennen, es ist kein Stadthotel. Vielleicht kamen Managementfehler dazu, man hat die falsche Zielgruppe angesprochen.

Die Inhaber und die Führung haben die Destination wohl nicht ganz verstanden. Flims ist ein spezieller Ort.

Die Energiekosten sind gestiegen, das fällt enorm ins Gewicht bei einem Hotel, das derart auf Wellness setzt. Auch die Kosten für die Mitarbeitenden und die Warenkosten stiegen. Und wenn ein Hotel an diesem Standort in der Zwischensaison nicht schliesst, ist das ein klassischer Managementfehler. Nur mit Wellness allein kommt man nicht durch den November. Die Nachfrage nach Seminaren hat sich seit der Pandemie nie mehr richtig erholt.

Als Sie das Hotel Krafft 2002 übernahmen, fehlte die Unterstützung durch die Banken, und die Finanzierung war eine Herausforderung. Was hat Sie damals bestärkt, Ihren Weg weiterzugehen?
Es gab Menschen, die daran glaubten, dass wir es schaffen. Ich habe gesehen, dass ich durch die Arbeit Geld verdiene und es wieder investieren kann. Wenn ein Hotel gut läuft, steigt der Wert, und man kann mehr Schulden machen. Das ist eine Positivspirale, aber man muss immer investieren.

Menschen verlassen sich in der Regel auf den Rat ihrer nächsten Angehörigen. Bei der Übernahme des «Krafft» haben Sie sich sowohl mit dem Bruder wie auch mit der Partnerin verkracht. Rückblickend war es richtig.
Es war eine Überforderung. Ich habe mich damals derart stark für die Entstehung des «Krafft» engagiert, dass ich für meine damalige Freundin nicht mehr interessant war. Sie hat das Weite gesucht. Rückblickend verstehe ich das auch. Es war keine Obsession, aber das Projekt hat mich stark absorbiert. Das ist jetzt 21 Jahre her. Ich habe dann meine wunderbare Frau im Hotel Krafft getroffen, und es ist sehr gut so.

Mein Bruder war anderer Meinung, was meine Idee der Finanzierung über eine Stiftung betraft. Mir war damals wichtig, dass das Haus nicht mir gehört. Sonst hätte mich das zur Spekulation verführt. Was man nicht besitzt, kann man nicht gewinnbringend verkaufen. So investiert man viel mehr für die aktuelle Zeit der Nutzung. Mein Bruder war der Ansicht, dass wir es nicht kurz nach dem Kauf gleich wieder weitergeben sollten und hat mich als Projektpartner verlassen.

Ich habe mich dann erkundigt, und die Stiftung Edith Maryon hat das Hotel 2003 übernommen. Seither sind wir Pächter. Tatsächlich hat die Finanzierung des Hauses viel Kraft erfordert. Ich denke, dass das bei grossen Projekten normal ist. Auch Kindererziehung braucht viel Kraft.  

Interessanterweise sind Sie zur Branche gekommen, weil Sie zunächst Lehrer werden wollten und dafür ein obligatorisches Praktikum in der Küche absolvierten. Die Kochlehre brachen Sie dann aber ab und starteten mit der Hotelfachschule.
Es ist vielleicht etwas abgedroschen, aber ich habe bereits in der Schule in einem Aufsatz beschrieben, dass ich einmal ein Hotel an einem See oder Fluss betreiben möchte.

Während eines Praktikums hat mich der Wirt ermutigt und gesagt: «Herr Leonhardt, Sie machen es so gut, Lehrer ist kein Beruf für Sie, bleiben Sie in der Branche!» Ich wünsche allen den Mut, die Leidenschaft zum Beruf zu machen und etwas zu tun, was Spass macht und Sinn ergibt.

Mit dem Angebot «Solution» beraten Sie heute Hoteliers und Wirte. Wo sehen Sie den grössten Handlungs­bedarf bei Ihren Kunden, gibt es eine Tendenz?
Wenn jemand in Schwierigkeiten ist, hilft zunächst der Aussenblick, um Lösungen anzustossen. Ich bringe auch die Erfahrung von anderen Fällen ein, in denen wir Verbesserungen fanden. Es geht aber auch darum, Personen zu bestärken, mit einfachen Mitteln Strukturen zu geben, Prozesse zu optimieren.

Wir regen auch an, sich mit anderen zu vernetzen, um die jeweiligen Stärken einzubringen. Wir haben bei der Zusammenarbeit noch Potenzial in der Schweizer Hotellerie – man darf sich freuen, wenn es dem anderen gut geht. Für die junge Generation ist das viel selbstverständlicher.

Im eigenen Betrieb haben Sie die 4-Tage-Woche eingeführt, bevor Sie überhaupt im Detail wussten, wie das finanziert werden könnte. Sind Sie in dieser Frage inzwischen weiter?
Es war super, es auszuprobieren. Es war ein Wunsch der Mitarbeitenden, und wir haben es in den letzten zwei Jahren getestet und damit Erfahrungen gesammelt, korrigiert und justiert. Heute setzen wir das neue Modell nur noch partiell ein. Für das Housekeeping ist eine 4-Tage-Woche zu streng.

In der Küche funktioniert es sehr gut. Am Nachmittag können die Mitarbeitenden vorproduzieren, so fällt die Zimmerstunde weg, was die Köchinnen und Köche sehr schätzen. Aber auch dort sind Tage mit 10 oder 11 Stunden Arbeit anspruchsvoll. Für einige ist das zu streng, sie arbeiten lieber 42 Stunden in fünf Tagen. Wir arbeiten mit individualisierten Dienstplänen.

«Ärger und Unzufriedenheit» haben Sie gemäss Ihrer Website als Kantonsparlamentarier in die Politik geführt. Was steckt dahinter?Wenn man denkt, etwas laufe falsch, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man akzeptiert es, oder man steigt in die Politik ein und verändert. Es ging mir zunächst darum, dass im links-grün geprägten Kanton Basel-Stadt ganz generell die unternehmerische Perspektive zu wenig gut vertreten ist. Nach Covid habe ich gesehen, wie wichtig es ist, die politischen Mechanismen zu verstehen.

Im Grossen Rat habe ich mich dafür eingesetzt, dass Hotels den Betrieb aufrechterhalten können. Als ich in Basel als Grossrat eingestiegen bin, habe ich zuerst die Abläufe und Gepflogenheiten kennenlernen müssen. Ich habe dabei auch erfahren, dass man als Vertreter aus der Praxis hohe Glaubwürdigkeit geniesst und die Ratskolleginnen und -kollegen es akzeptieren, wenn man von der beruflichen, unternehmerischen Erfahrung her argumentiert.

Auch auf nationaler Ebene gibt es kaum Vertreter aus der Branche. War eine nationale Kandidatur ein Thema?
Natürlich war es ein Thema! Ich verstehe nicht, warum wir seit 40 Jahren keine Vertretung mehr haben. Ich wurde angefragt und habe es mir überlegt. Doch meine Frau hat zu Recht gesagt, dass das nicht obendrauf passe. So habe ich im Januar entschieden, dass ich mich nicht auf die Liste setzen lasse.

Wir haben bei der Zusammenarbeit noch Potenzial in der Schweizer Hotellerie – man darf sich freuen, wenn es dem anderen gut geht. Für die junge Generation ist das viel selbstverständlicher.

Wir Präsidenten der regionalen Hotelier-Verbände schauen noch, dass die Branche künftig besser in den kantonalen Parlamenten vertreten ist. Damit wird die Chance grösser, in vier Jahren mehr Vertreterinnen und Vertreter im nationalen Parlament zu haben. Das bedeutet Aufbauarbeit. Der Vorteil von uns Hoteliers ist: Man kennt uns. Das müsste man nutzen. In der Politik muss man aber auch den Mut haben, sich zu exponieren.

Wo setzen Sie als Präsident von HotellerieSuisse Region Basel die Schwerpunkte?
Ich bin noch nicht lange im Amt. Ich möchte die Herausforderungen der Destination aktiv angehen und gute Grundlagen schaffen, dass wir wirtschaften können. Ich möchte Kontakte zu anderen Organisationen pflegen, zur Regierung, und auch da sein, um der Öffentlichkeit Dinge zu erklären, beispielsweise via Medien.

Vieles können wir im Team angehen, der Vorstand kann sich Aufgaben teilen. Beispielsweise koordinieren wir im Bereich Nachwuchsförderung die Schnuppertage gesamthaft im Verband. Dann muss das nicht jeder Betrieb selbst tun, was die Hoteliers entlastet.