Ein im Übrigen recht erfolgreicher Hotelier aus einer Ferienregion sagte mir kürzlich: Ich habe den schönsten Beruf, den es gibt. Aber die Personalnot macht mich fertig. Können Sie das nachvollziehen?
Ja. Vor allem für Betriebe in den Bergen ist es nicht einfach. Ich selbst wuchs in einem einfachen Hotelbetrieb im Berner Oberland auf und erlebte die Belastungen hautnah – nicht nur, aber auch bei der Rekrutierung guter Arbeitskräfte. Herausfordernd ist die Situation jedoch auch in Städten wie hier in Thun. Soeben hat sich ein Kollege entschlossen, seine Café-Bar am Sonntag zu schliessen, weil er die Mitarbeitenden nicht mehr findet.

Wie sieht es bezüglich Personalmangel bei Ihnen im Deltapark Vitalresort aus?
Wir haben genügend Personal. Einerseits sind wir ein neuer Betrieb, was auf Interesse stösst. Zudem ist die Region interessant, und wir sind ein fairer Arbeitgeber.

Erfahrener Ausbildner und Hotelier, fest verwurzelt im Berner Oberland
Bruno Carizzoni ist seit Mai 2018 Vizedirektor im Deltapark Vitalresort in Gwatt bei Thun. Zuvor wirkte der 49-Jährige unter anderem neun Jahre als Direktor im Hotel Krone Thun sowie zwei Jahre als Vizedirektor und Leiter Fachausbildung an der Hotelfachschule Thun, wo er sich in jungen Jahren zum dipl. Restaurateur-Hotelier HF hatte ausbilden lassen. Der Berner Oberländer, Sohn eines Einwanderers aus Norditalien, ist verheiratet und Vater von zwei Teenagern. Das Deltapark Vitalresort (Hauenstein-Hotels) verfügt über 106 Zimmer in der 4-Serne-Superior- und der 3-Sterne-Superior-Kategorie. Das Restaurant Delta Gourmet glänzt mit 15 Gault-Millau-Punkten.

Worin zeigt sich das?
Wir unternehmen vieles, damit es nicht nur unseren Gästen gut geht, sondern auch unseren Mitarbeitern. Das ist in unserer Vision weit oben aufgeführt, und das wollen wir im Alltag leben. Natürlich gelingt es nicht immer, wir stehen noch am Anfang. Aber das Commitment ist da. Wir fragen also nicht nur beständig, was wir unseren Gästen bieten können, sondern eben auch: Was können wir unseren Mitarbeitern bieten? Soeben haben wir statt eines Hotelprospekts einen Mitarbeiterprospekt gedruckt, um uns an den Karrieremessen als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren.

Wenden Sie sich mit dem Prospekt vor allem an die Jüngeren, an die Generation Y?Wir können und wollen uns nicht auf eine bestimmte Generation fixieren.

Der Konkurrenzkampf um gutes Personal ist hart.
Er ist brutal hart. Die wirklich guten Mitarbeitenden haben die Wahl, und sie pflücken sich natürlich den Betrieb heraus, wo das Arbeitsumfeld stimmt. Dann spielen auch die persönlichen Beziehungen eine grosse Rolle. Begeisterte Mitarbeitende ziehen ihre Kolleginnen und Kollegen nach. Das erleben wir auch, sind uns allerdings bewusst: Es besteht ein Klumpenrisiko.

Und womit wollen Sie konkret punkten? Mit Benefits?
Auch mit Benefits, sei es in unserem Betrieb, sei es in der gesamten Hauenstein-Gruppe. Unsere Mitarbeitenden können einmal wöchentlich den Spa-Bereich benutzen. Zweimal im Jahr erhalten sie einen 50-Prozent-Konsumationsgutschein, ganzjährig gibt es 10 Prozent auf F&B-Konsumationen, dazu vergünstigte Zimmerpreise für Freunde und Familie und ganzjährig Gratisbenützung unseres Fitnessstudios.

«Das freie Wochenende ist heute quasi heiliggesprochen, und das nervt mich gewaltig.»

Man kommt den Mitarbeitenden immer weiter entgegen. Sind diesem Werben nicht irgendwo Grenzen gesetzt?
Grenzen gibt es natürlich, vor allem, was die Löhne betrifft.

Und das ist der Hauptgrund, weshalb immer weniger junge Schweizerinnen und Schweizer bereit sind, einen Beruf im Gastgewerbe zu erlernen?
Es werden nicht immer weniger. Gerade mit dem neuen Beruf Hotel-Kommunikationsfachfrau beziehungsweise Hotel-Kommunikationsfachmann ist es der Branche gelungen, junge Leute zu begeistern. Das Echo auf den Hoko ist sensationell! Aber ja, es gelten im Gastgewerbe Bedingungen, die bei Jugendlichen generell nicht so gut ankommen. Das betrifft nicht einmal so sehr den Lohn, sondern die Arbeitszeiten. Ich ärgere mich jedes Mal wieder von Neuem, wenn ich höre: Ach, du Armer musst am Wochenende arbeiten. Das freie Wochenende ist heute quasi heiliggesprochen, und das nervt mich gewaltig!

Attraktiv für die Jungen wäre ein Hotel im Wochenbetrieb von Montag bis Freitag?
Ein solcher Betrieb hätte jedenfalls weniger Mühe, Arbeitskräfte zu rekrutieren.

Migranten begegnen Hoteldirektoren
Damit an dem von HotellerieSuisse und Partnern organisierten Aktionstag vom 5. November im «Deltapark» bei Thun möglichst viele interessierte Migrantinnen und Migranten die Möglichkeit erhalten, im Schweizer Gastgewerbe Arbeit zu finden, sind die Organisatoren auf Ihre Mithilfe angewiesen. Angesprochen sind in erster Linie Hoteliers und Gastronomen aus der Region Thun, Spiez und Interlaken. Informieren und anmelden können Sie sich per Telefon 031 370 44 66 oder unter nachwuchsmarketing@hotelleriesuisse.ch

Nun haben Sie zusammen mit HotellerieSuisse und dem Institut IDM Spiez einen Aktionstag initiiert. Am 5. November besuchen rund 60 junge Migranten, teils anerkannte, teils vorläufig aufgenommene Flüchtlinge, den Deltapark, um anhand praxisorientierter Workshops die Bereiche Küche, Service und Housekeeping kennenzulernen. Abgeschlossen wird der Tag mit einem «Marktplatz», wo interessierte Hoteliers mit den Schülerinnen und Schülern der Integrationsklasse in Kontakt kommen können.
Es gab schon vorher Schnupperbesuche in den unterschiedlichsten Betrieben, die allerdings nicht koordiniert waren. Das wollen wir nun auf eine solidere und breitere Basis stellen. Ist der Pilotversuch erfolgreich, soll das Modell durch HotellerieSuisse schweizweit ausgebaut werden.

Haben Sie Erfahrungen mit Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund?
Wir haben aktuell zwei neue Lernende im Service, die von einer Integrationsklasse des Spiezer IDM-Instituts zu uns gestossen sind. Es sind junge Menschen aus Afghanistan, die vor wenigen Jahren in die Schweiz geflohen sind. Sie bewarben sich schon vor einem Jahr bei uns, verstanden aber noch zu wenig Deutsch. Nun können sie sich schon gut verständigen und sind wirklich gut gestartet, sehr interessiert, sehr motiviert. Sie nutzen bis jetzt die Chance, sich bei uns eine neue Existenz aufzubauen.

«Junge, motivierte Menschen arbeiten sich in der Regel auch sprachlich rasch ein.»

Der Hotelbetrieb kann ebenfalls profitieren. Warum sind, abgesehen vom administrativen Mehraufwand, viele Hoteliers so zurückhaltend bei einem Engagement von Migrantinnen und Migranten?
Ich vermute, diese Option ist einfach noch zu wenig bekannt. Es ist ja noch nicht so lange her, dass vorläufig aufgenommene Flüchtlinge bei uns arbeiten dürfen. Bedenken gibt es wohl da und dort bezüglich fehlender Sprachkenntnisse – und dies zu Recht. Gäste geben rasch Rückmeldung, wenn sie sich mit dem Personal kaum verständigen können.

In einem solchen Fall müsste der Hotelier einen zusätzlichen Aufwand betreiben, indem er die sprachlichen Fähigkeiten der Beschäftigten gezielt fördert.
Ja, aber das gehört für mich zu einer Selbstverständlichkeit. Junge, motivierte Menschen arbeiten sich in der Regel auch sprachlich rasch in niederschwellige Arbeiten wie etwa den Frühstückservice ein. In ein, zwei Monaten kann man sich in der Regel gut verständigen.

Zögern Hoteliers, Menschen mit Migrationshintergrund zu beschäftigen, weil das beim Gast unter Umständen nicht gut ankommt?
Das Herkunftsland darf keine Rolle spielen! Hoteliers sind im Grunde weltoffene Menschen. Das heisst für mich: So offen wir als Gastgeber sind, so offen müssen wir auch als Arbeitgeber sein.

Wie beurteilen Sie aus der Sicht eines langjährigen Berufsbildners die Attraktivität der Branche?
Absolut positiv. Ich bin ja mittlerweile ein älteres Semester, aber viele junge Leute begeistern mich nach wie vor fast tagtäglich mit ihrer Kompetenz, ihrer Kreativität, ihrer Leidenschaft. Bei uns arbeitet derzeit eine 24-jährige Restaurantleiterin mit derart hoher Servicekompetenz und Herzlichkeit – das ist einfach grossartig! Und sie ist keine Ausnahme. Unsere Branche ist cool und sexy. Deshalb wird es auch in Zukunft immer Menschen, egal welcher Herkunft, geben, die in diese Branche hineinwollen und dort aufblühen.