Milliarden von To-go-Bechern und Verpackungen landen wegen Home-Delivery und Take-away jährlich im Müll. Dagegen kämpft Deutschland an. Seit Anfang 2023 gilt für die To-go-Gastronomie eine neue Angebotspflicht: Sie muss zusätzlich zu Einwegverpackungen auch wiederverwendbare Behälter bereitstellen. Aller-dings betrifft die Pflicht vorerst nur Verpackungen, die Plastik enthalten. Pizzakartons ohne Kunststoffbeschichtung können also weiterhin ohne alternatives Angebot angeboten werden. [RELATED]

Noch wenig Akzeptanz
Die Mehrwegpflicht befeuert das Wachstum der professionellen Verleiher von Mehrweggeschirr an die Gastronomie . «Teilweise sind Millionen an Start- und Wachstumskapital geflossen», sagt Jeannette Morath von Recircle, dem Schweizer Branchenführer für Mehrweggeschirr mit 2000 Restaurants im Schweizer Netzwerk. Recircle wurde in der Startphase beispielsweise vom Bundesamt für Umwelt unterstützt. Das Wachstum des Franchisenehmers in Deutschland sei seit der Mehrwegpflicht sehr gross, so Morath.

Der Fast-Food-Riese McDonald’s entwickelte gar ein eigenes Pfandsystem. Für zwei Euro gibt es einen Becher aus Plastik, der in allen McDonald’s-Filialen zurückgegeben werden kann. Zweieinhalb Monate nach der Einführung fällt das erste Fazit ernüchternd aus: «Zum aktuellen Zeitpunkt pendelt sich die Nutzung der Mehrwegoption auf einem vergleichsweise geringen Niveau ein.» Genaue Zahlen gibt das Unternehmen nicht bekannt. Das Angebot wird auch nicht überall gleich genutzt. An gewissen Standorten komme das Mehrweggeschirr häufiger zum Einsatz als an anderen, schreibt das Unternehmen. Für eine detaillierte Auswertung sei es jedoch zu früh.

Schweiz setzt auf Freiwilligkeit
In der Schweiz schränken gewisse Kantone wie der Jura und Städte wie Genf Einweggeschirr bei öffentlichen Anlässen ein. Nationale Vorgaben gibt es bislang noch keine. Für ein Verbot von Einweggeschirr reichte Nationalrätin Delphine Klopfenstein Broggini die Motion «Abfallfreie Take-away-Gastronomie» ein, die vom Parlament im vergangenen Juli abgelehnt wurde. Die grüne Motionärin ist enttäuscht. Sie fordert ein Umdenken in der Gesellschaft. «Wenn wir morgens aus dem Haus gehen, packen wir automatisch das Portemonnaie und das Handy ein. Wir müssen uns daran gewöhnen, auch gleich ein Mehrweggeschirr mitzunehmen.» Einen weiteren politischen Vorstoss hat sie nicht geplant.

Teilweise sind Millionen an Start- und Wachstumskapital geflossen.
Jeannette Morath, Gründerin Recircle

Der Schweizer Markt für Mehrweggeschirr bei Take-away ist in Entwicklung. Es etablieren sich zwei professionelle Anbieter. Kooky ist auf Cups für Heissgetränke spezialisiert. Die zweite Firma, Recircle, hat ein vielfältiges Angebot an sogenannten Boxen im Sortiment, von Tellern bis Pizzaboxen. Das Mehrweggeschirr kann in einem Restaurant bezogen und an einem anderen Standort zurückgegeben werden. Beide Anbieter haben namhafte Partner wie die SBB und Coop.

In Recircle-Boxen werden nach Angaben des Unternehmens täglich 60 000 Menüs abgegeben. Laut Konsumentenbefragung der «Am Puls Market Research AG» von 2019 sind das nur rund 10 Prozent aller Mahlzeiten über die Theke. Besonders oft werden die Boxen bei Take-aways in Personalrestaurants eingesetzt.

Potenzial bei Home-Delivery
Gleich grosses Potenzial wie bei Take-away hat Mehrweggeschirr bei Home-Delivery. Der Online-Lieferdienst Just Eat stellt pro Monat 500 000 Bestellungen zu, der Anteil an Mehrweg liegt unter einem Prozent. Nach einem Pilotprojekt in Bern mit Recircle zeigt sich, wo die Herausforderungen liegen: «Unsere Partner sind eigenständige Betriebe, die den Kreislauf inklusive Depot selber managen müssen. Wir müssen sie von Mehrwegverpackungen überzeugen.»

Dazu komme die Logistik. Just Eat könne die Verpackungen nur ausliefern, nicht aber einsammeln. Im Moment müssen die Kunden das Geschirr deshalb noch selber zurückbringen. Trotzdem glaubt Jeannette Morath von Recircle, dass sich Mehrweggeschirr bei Home-Delivery durchsetzen wird. Es brauche einfach noch etwas Zeit.


Nachgefragt

Frau Morath, Mehrweggeschirr für Home-Delivery ist teuer, unhygienisch und eine logistische Meisterleistung.
Genau das sind die typischen Vorurteile gegenüber den Mehrwegsystemen. Gut organisiert, ist Mehrweg das Gegenteil, nämlich einfach, günstiger und hygienisch.

Noch bringen die Gäste die Gefässe selbst ins Restaurant zurück. Was ist Ihre Vision?
Die Lieferdienste oder die Post nehmen die genutzten Behälter zurück und bringen diese entweder in ein Waschlogistik-Center oder zum nächsten Restaurant.

Wie viel teurer als Einweggeschirr ist Ökogeschirr?
In der Regel kommt Mehrweggeschirr ab fünf Nutzungen pro Tag günstiger als Einweggeschirr. Die Gastronomen bezahlen einen fixen Mietbetrag. Damit belohnen wir Vielnutzer-Betriebe.

Wie muss ein Hygienekonzept konkret aussehen?
Die Gäste bringen das Geschirr zurück ins Restaurant, wo die Behältnisse gereinigt werden. Sauberes und gebrauchtes Geschirr darf nie miteinander in Berührung kommen. Es braucht getrennte Abläufe. Das Lager befindet sich in den Restaurants.

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Blanca Burri