Das Nidwaldner Museum habe mit dieser Tagung ein provokantes Thema aufgenommen, sagte Alfred Bossard, Landammann und Finanzdirektor des Kantons Nidwalden, bei der Begrüssung. Der Stellenwert von Tourismus und Kultur sei unterschiedlich, stünde sich aber nicht entgegen.

Marius Risi, Vorsteher Amt für Kultur und Sport des Kantons Obwalden, zeigte einleitend am Beispiel des Mediums Fotografie die enge Verbindung und gegenseitige Einflussnahme der Themenkreise Kultur und Tourismus auf: «Es ist kein Zufall, dass die rasante Verbreitung von Fotografien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert mit der Entwicklung des bürgerlichen Reisens einherging. Bei der Definition, was als touristische Sehenswürdigkeit zu gelten hat, wirkte die Fotografie von Anfang an massgeblich mit.»

Kultur als Kontrastprogramm
Der Tourismus beruhe auf Wiederholungen, betonte Valentin Groebner, Professor für Geschichte an der Universität Luzern. «Die heutigen Touristen in Luzern besuchen genau dieselben Sehenswürdigkeiten auf genau denselben Routen wie die Touristen vor 150 Jahren.» Tourismus verspreche seit 150 Jahren eigentlich verschwundene Vergangenheit – nämlich unberührte Natur und mittelalterliche Städte wieder verfügbar zu machen. Der Tourismus sei eine Traumfabrik, die am Ende die Träume auch einlösen muss.

Trotzdem sei Fremdenverkehr eine höchst dynamische und erfinderische Dienstleistungsbranche, aber eigene Inhalte habe er nicht. Tourismus brauche Kultur, erzeuge jedoch keine. Kulturtourismus sei eine Nische. Wenn der Kulturtourismus zu gut funktioniere, dann verschwinde das Besondere. Die Debatte über Overtourism erachte er als wirkliche Chance, die ergriffen werden solle. Man solle Kultur als das präsentieren, was sie historisch ist: als Konflikt. «Die Kulturschaffenden hätten die Aufgabe, für dieses Kontrastprogramm zu sorgen», schloss Groebner sein Inputreferat.

Mit Kooperationen Angebote vernetzen
Es bestehe im Kulturtourismus ein grosses Ungleichgewicht, hielt der Luzerner Tourismusdirektor Marcel Perren fest. «Einige Top-Attraktionen sind gezwungen, die Besucherzahl zu limitieren. Demgegenüber stehen viele kleine Kultureinrichtungen vor der Herausforderung, im breiten Angebot überhaupt wahrgenommen zu werden.» Die Ziele des Kulturtourismus seien, für die kulturelle Vielfalt und Bedeutung der Kulturwerte zu sensibilisieren, Innovation zu fördern, Angebote zugänglich zu machen und somit Wertschöpfung zu generieren. Mit Kooperationen können die verschiedenen Angebote vernetzt werden. Perren betonte, dass Wachstum kein Thema sei. Und bei Luzern Tourismus gehe es um die Inwertsetzung der ganzen Region.

Philippe Griesser, Geschäftsleiter von Sinnvoll Gastro, Luzern, erklärte das Konzept seiner Gasthäuser: «Unser Erfolg sind glückliche Menschen. Denn nur glückliche Menschen können Gäste glücklich machen.»

Stolz auf eigene Kultur entfachen
Am Praxisbeispiel «Volkskulturfest Obwald» zeigte Christian Sidler, ehemaliger Kulturbeauftragter des Kantons Obwalden, auf, welche kritische Diskussionen rund um die Entstehung des Kulturfestes entstanden, und wie sich Obwald dann erfolgreich entwickelte. Rückblickend sagt Sidler: «In der einheimischen Bevölkerung vermochte das Festival Stolz zu entfachen für die eigene Kultur, die eigenen Geschichten. Die Volkskultur kam bei der urbanen Bevölkerung – auch aus Obwalden – an.»

Zweitwohnungsbesitzer einbinden
Gleich mehrere innovative Kulturinitiativen in den Tälern von Graubünden stellten Georg Jäger, ehemaliger Leiter des Instituts für Kulturforschung Graubünden und Stefan Forster von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, vor. Neue Kontrastgeschichten seien gesucht. Es brauche auch die Offenheit der Kulturschaffenden mit neuen Geschichten auf die Touristiker zuzugehen. Oft seien es in den abgelegenen Tälern gerade die Zweitwohnungsbesitzer, die sich für Kulturangebote stark machten und so Einheimische und Touristen zusammenbringen.

Hol- und Bringschuld auf beiden Seiten
Moderator Pius Knüsel, Festivalleiter «Alpentöne», stellte in der abschliessenden Diskussion die Frage, ob Kulturschaffende in der Bringschuld oder Touristiker in der Holschuld ständen. Marcel Perren dazu: «Sowohl als auch. Es ist fahrlässig, wenn Anlässe nicht kommuniziert werden.» Die Kompetenz liege jedoch bei den Kulturschaffenden und die Touristiker würden Hand bieten, wenn ein Potenzial für die Gäste bestehe.

Im Fazit stellte Stefan Zollinger, Leiter Nidwaldner Museum fest, dass mit der Tagung ein erster Schritt zur Annäherung zwischen Kulturveranstaltern und Touristikern gemacht worden ist. Er regte an, es nicht bei dieser einen Tagung zu belassen und dass die Diskussion zwischen Kultur und Tourismus weitergeführt werden müssten. (htr/pt)