Insbesondere bei den Kantonen ist die Enttäuschung gross. «Das Nationalstrassennetz kann nicht erweitert werden. Strassenbauprojekte im ganzen Land sehen einer ungewissen Zukunft entgegen, denn die Kantone werden ohne die Hilfe des Bundes nicht in der Lage sein, diese Projekte zu finanzieren», schreibt die Konferenz der Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK).

«Ich erwarte nun von den Siegern und vom Bundesrat schnelle Schritte, damit der Netzbeschluss auf anderem Weg umgesetzt werden kann», sagte Jakob Stark, BPUK-Präsident und Thurgauer Regierungsrat.

Das bürgerliche Komitee «Ja zur Vignette», dem Vertreter von CVP, FDP und BDP angehören, spielt den Ball dem «angeblich strassenfreundlichen Lager von rechts» zu. Mit dem Nein seien nun unter anderem auch die Umfahrungsprojekte Näfels, La Chaux-de-Fonds und Le Locle vom Tisch. Man erwarte bald tragfähige Lösungen zur Verbesserung des Strassenverkehrs.

Fokus auf Milchkuh-Initiative
Wie der Lösungsvorschlag aus der angesprochenen Ecke aussehen wird, ist bereits klar: Die Verkehrsverbände TCS, ACS und ASTAG sowie das überparteiliche Nein-Komitee setzen nun ganz auf die sogenannte Milchkuh-Initiative. Diese fordert, dass die Abgaben der Strassenbenützer vollumfänglich der Strasse zugutekommen.

Der Netzbeschluss soll trotz des Neins umgesetzt werden, und Engpässe sollen verschwinden, fordern die Gegner. Dank der Milchkuh-Initiative sei genügend Geld dafür vorhanden. Nach dem deutlichen Abstimmungsergebnis geben sich die Vignetten-Gegner zuversichtlich, auch die nächste autofreundliche Vorlage für sich zu entscheiden.

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv und der Schweizerische Baumeisterverband SBV haben am Abstimmungssonntag bereits ihre Sympathien für die Milchkuh-Initiative bekundet – obwohl beide Verbände ein Ja zur Vignettenpreiserhöhung empfohlen hatten. «Eine gut funktionierende Strasseninfrastruktur ist für das Gewerbe von entscheidender Bedeutung», schreibt der sgv.

Von einer Finanzierung der Strassenausbauten durch einen höheren Benzinpreis wollen die Vignetten-Gegner hingegen nichts wissen. Er werde eineBenzinpreiserhöhung bis aufs Blut bekämpfen, sagte Walter Wobman, Präsident des Referendumskomitees und SVP-Nationalrat (SO).

Grüne fordern Mobility Pricing
Aus völlig anderen Gründen zufrieden mit dem Ausgang der Abstimmung sind Grüne und VCS. Mit dem Nein werde ein Ausbau verhindert, der lediglich Mehrverkehr verursacht hätte, sind die beiden Organisationen überzeugt.

Ganz anders auch der Vorschlag der Grünen dazu, wie es nun weitergehen soll. Für die Partei ist klar: «Jetzt braucht es Mobility Pricing». Damit könne im Gegensatz zur Vignetten-Pauschale die Mobilität vernünftig gelenkt und zu Gunsten des Klimas reduziert werden.

Die SP, welche zur 100-Franken-Vignette Stimmfreigaben beschlossen hatte, zieht ihre eigenen Schlüsse aus dem Volks-Nein. Es handle sich auch um ein ökologisches Nein zu teuren und unnötigen Ausbauprojekten im Strassenbau und insbesondere um ein Nein gegen eine zweite Gotthard-Röhre. Sämtliche Planungsarbeiten an Letzterer müssten deshalb sistiert werden, bis sich das Volk dazu äussern konnte.

Für Leuthard klares Verdikt
Verkehrsministerin Doris Leuthard nannte das Nein zum höheren Vignettenpreis ein klares Verdikt, das der Bundesrat ernst nehme. Offenbar sei es nicht gelungen, in den Kantonen den Nutzen der höheren Abgabe für die Vignette aufzuzeigen, sagte sie vor den Medien in Bern (siehe auch Box oben rechts). (npa/sda)