Im November hat der Bund seinen Vorschlag für eine Lockerung des Verkaufsverbots an Sonntagen gemacht. Bei dessen Lektüre kommt unweigerlich die Frage auf: Handelt es sich dabei mit Absicht um einen Papiertiger, dessen Umsetzung nicht wirklich gewünscht ist? In seinem Vorschlag will der Bund nämlich einzig den Verkauf von Luxus­waren wie Kleidern und Schuhen, Accessoires, Uhren, Schmuck oder Parfum zulassen. Dies ist völlig praxisfremd.

Doch von vorne: Hotellerie­Suisse setzt sich schon seit längerem für Sonntagsöffnungszeiten in klar definierten Zonen in Innenstädten ein, denn Einkaufen und Verweilen gehören heute zu den wichtigsten Aktivitäten von Reisenden. Angesichts des gesellschaftlichen Wandels der letzten Jahrzehnte erwarten Gäste nicht nur interessante Freizeit-, Kultur- und Gastronomieangebote, sondern auch vielfältige Einkaufsmöglichkeiten – und zwar an sieben Tagen die Woche.

Für Touristen wäre es unverständlich, wieso nur Zielgruppen aus dem Luxussegment am Sonntag einkaufen könnten, während Gäste, die sich für ein mittleres oder tieferes Preissegment interessieren, im Geschäft nebenan vor verschlossen Türen stünden. Hinzu kommt, dass auch Gäste, die es sich leisten können, in Luxusläden einzukaufen, eine breite Auswahl an Läden in verschiedenen Preissegmenten erwarten. [RELATED]

Gerade bei Tagestouristen besteht ein riesiges ungenutztes Einkaufspotenzial in den Stadtzentren, von dem die lokale Wirtschaft profitieren könnte. Wenig erstaunlich gehören sonntags geöffnete Geschäfte in vielen europäischen Ländern bereits länger zum Städtetourismus, so etwa in London, Paris oder Lissabon. Angesichts der internationalen Konkurrenz sind kundengerechte Öffnungszeiten entscheidend, um im Wettbewerb mit ausländischen Tourismusdestinationen konkurrenzfähig zu bleiben.

Forderungen nach Sortimentsbeschränkungen lehnen wir entschieden ab.

Eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten in den Städten ginge auch mit dem seit Jahren bestehenden Megatrend in Richtung Städtetourismus einher. So sind laut der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich Logiernächte in städtischen Gebieten in der Schweiz zwischen 2009 und 2019 um 37 Prozent gestiegen, während die Logiernächte gesamtschweizerisch nur ein Wachstum von 11 Prozent für den gleichen Zeitraum ausweisen.

Heute kennen nur Bergregionen aufgrund ihrer hohen Saisonalität definierte Tourismuszonen, die den Sonntagsverkauf ermöglichen. Der Begriff der Saisonalität steht jedoch nicht im Einklang mit den Bemühungen der Destinationen und der neuen Strategie des Bundes, den Ganzjahrestourismus zu fördern. Aus Sicht des Bundes stehen bei Innotour, einem Förderinstrument des Bundes für den Tourismus, insbesondere die Angebotsentwicklung und die Diversifikation im Schweizer Tourismus im Vordergrund. Die Förderung des Sommer-, Herbst- und Ganzjahrestourismus spielt dabei eine wichtige Rolle. Gerade Städte sind bemüht, saisonale Schwankungen möglichst tief zu halten.

Aus den genannten Gründen setzen wir uns für eine Neuauflage der Verordnungsanpassung beim Arbeitsgesetz ein. Forderungen nach Sortimentsbeschränkungen und zusätzlichen Kompensationen über die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen für Angestellte hinaus lehnen wir entschieden ab. Falls nötig, werden wir uns auf dem parlamentarischen Weg Gehör verschaffen.

Nicole Brändle Schlegel ist Leiterin Arbeit, Bildung, Politik bei HotellerieSuisse