Das Projekt «Mulegns Retten» ist ambitioniert: Die Nova Fundaziun Origen beabsichtigt, in Mulegns die Gebäude des Post Hotel Löwe sowie die Weisse Villa der Familie Jegher zu erwerben und vor der sich abzeichnenden Zerstörung zu retten. Alle Gebäude wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erbaut und formen ein einmaliges spätklassizistisches Ensemble von hoher architektonischer Qualität. Zum Post Hotel Löwe gehören ausser dem Hauptgebäude und dem sogenannten Neubau mit dem Jugendstilsaal noch ein kleines Elektrizitätswerk, Pferdeställe, ein Posthaus und eine vollständig erhaltene Schmiede.

Dringende Sicherungsmassnahmen an den Gebäuden sollen weitere Schäden verhindern. Dächer müssen saniert werden, um Wassereinbrüche zu verhindern. Die riesigen und wertvollen Inventare in den Häusern Fotobände, Möbel, Gästebücher, Geschirr, Textilien, Korrespondenz müssen gesichert, inventarisiert und fachgerecht gelagert werden. Alle genannten Massnahmen dienen dem Erhalt der bedeutenden Substanz. Das geplante vitale Reisemuseum für Mulegns soll ausserdem einen wertvollen Beitrag zur Belebung des Dorfes leisten.

Ein vitales Reisemuseum
In Mulegns soll ein einzigartiges, innovatives Kulturdorf entstehen, das vom Reisen in allen seinen Facetten erzählt und die Geschichte des Dorfes zeitgenössisch interpretiert. Das zukünftige Kulturkonzept für Mulegns ist interdisziplinär und umfasst Ausstellungen, Rauminstallationen, performative Veranstaltungen und zeitgemässe Vermittlungsformate. Ein einfaches Übernachtungsangebot soll in den historischen Zimmern das kulturelle Erleben intensivieren. Die Renovationsarbeiten werden öffentlich zugänglich gemacht und sollen so zur Sensibilisierung für die historische Substanz beitragen. Die in Mulegns verortete historische Forschung spannt einen Bogen von der alten Passgeschichte über die Bündner Emigration und den Anfängen des Tourismus bis hin zu Themen der globalen Migration.

In den vergangenen Monaten konnten wichtige Etappenziele erreicht werden: Die Baugenehmigung für die Versetzung der Weissen Villa wurde erteilt und die Planung der Baumassnahmen ist weit fortgeschritten. Insgesamt kamen bereits 3.7 Millionen Franken für die Finanzierung der Rettungsaktion zusammen. Die Mittel wurden bislang vorwiegend von privaten Förderern zur Verfügung gestellt. Das Tiefbauamt des Kantons Graubünden wird sich im Rahmen der Strassenkorrektion und der Verbesserung der Ortsdurchfahrt am Projekt beteiligen. Die entsprechenden Beschlüsse sollen bis Ende September vorliegen.

Meilenstein für den Ausbau der Julierstrasse
Mit der Verschiebung der Weissen Villa werden die Voraussetzungen für die notwendige Strassenkorrektion in Mulegns geschaffen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde zäh und vergeblich um die Beseitigung des berüchtigten Engpasses gerungen. Durch den grossen Schulterschluss zwischen dem Tiefbauamt des Kantons Graubünden, der Gemeinde Surses und der Nova Fundaziun Origen konnte eine konstruktive Lösung erarbeitet werden, die eine massvolle Strassenkorrektion ermöglicht, die denkmalpflegerischen Interessen erfüllt, zur Wohnqualität im Dorf beiträgt und das schützenswerte Dorfbild erhält.

Um das Projekt «Mulegns retten» umsetzen zu können, benötigt die Nova Fundaziun Origen nun noch rund 1.9 Millionen Franken. Intendant Giovanni Netzer ist zuversichtlich, dass die benötigten Finanzmittel bis Ende Jahr aufgebracht werden können. «Die kommenden Wochen werden für das Projekt von grosser Bedeutung sein. Bis Ende September erwarten wir wichtige Beschlüsse seitens der öffentlichen Hand und von einigen kulturfördernden Stiftungen, mit denen wir im Gespräch stehen. Besonders wichtig werden die Beiträge von privaten Förderern sein: wir sind dankbar um kleine und grosse Beiträge, die uns helfen, dem wunderbaren Dorf an der Passstrasse neue Perspektiven zu eröffnen und ein einmaliges Kulturprojekt zu lancieren.» 

Bei gutem Verlauf der Restfinanzierung soll bereits anfangs Oktober der Spatenstich für die Verschiebung der Weissen Villa erfolgen. Intendant Netzer erläutert: «Damit das Kantonale Tiefbauamt die Verbesserung der Ortsdurchfahrt in Mulegns in Angriff nehmen kann, ist ein Baubeginn im Oktober notwendig. Ab 2020 fällt die Julierstrasse an den Bund. Wir wollen die Chance nutzen und das Projekt in Zusammenarbeit mit dem Kantonalen Tiefbauamt realisieren. Voraussetzung ist natürlich, dass die fehlenden Finanzmittel bis dahin beschafft werden können.»

Buch zum Post Hotel Löwe erscheint im Dezember
Anfangs Dezember 2019 erscheint das neue Buch über das Post Hotel Löwe. Der Historiker Basil Vollenweider hat sic h in den vergangenen Monaten intensiv mit der Geschichte des ehrwürdigen Hauses befasst, Dachböden und Keller durchstöbert und zahlreiche Dokumente analysiert. Das neue, reich bebilderte Buch wird seinen Fokus auf die pionierhafte Geschichte des Hotels richten, den Postkutschenverkehr über den Pass thematisieren und die illustren Gäste kommentieren. Der Autor Basil Vollenweider hat schon die Geschichte der Familie Carisch in Riom erforscht und den Band «Riom Paris» verfasst, der 2016 erschienen ist.

Die kulturhistorischen Führungen und die Aufführungen im Jugendstilsaal des Post Hotel Löwe sind im vergangenen Sommer auf reges Interesse gestossen. Insgesamt haben 3200 Personen das kulturelle Angebot in Mulegns genutzt und sich mit der Geschichte und der Zukunft des Ortes auseinandergesetzt. (htr)