Die Meinungen unter Touristikern zur No-Billag-Abstimmung vom 4. März sind gemacht. Ein Ja zur Abschaffung der Rundfunkgebühren bedeutete das Ende der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG in ihrer heutigen Form, ein Verlust zahlreicher Sendeformate und damit negative Konsequenzen auch für die Tourismuswirtschaft in den Berg- und Ferien­gebieten, so der einhellige Tenor in der Branche.

Doch worin genau besteht der Link zwischen der SRG und dem Tourismus? «Die vielfältige Berichterstattung in Sendungen wie ‹10 vor 10›, ‹Echo der Zeit› oder ‹SRF bi de Lüt› ist für den Tourismus wertvoll», sagt Jürg Stettler, Leiter des Instituts für Tourismuswirtschaft ITW der Hochschule Luzern. In Sendungen wie diesen sei der Schweizer Tourismus immer wieder Thema. «Die SRG-Medien behandeln touristische Themen in einer Breite, Tiefe und Vielfalt wie kein anderes Medium.» Obwohl der Nutzen nicht direkt messbar sei, geht Stettler von einer «starken indirekten Wirkung» der SRG-Berichterstattung aus. Gerade die Ausstrahlung von Sportgrossevents sei beste Werbung für die jeweiligen Destinationen. Sie profitierten von den medialen Leistungen der SRG.

Eine sehr aufwendige und unrentable Produktion
Ein gutes Beispiel dafür sind die jährlichen Weltcup-Rennen in Wengen: Die letzte Austragung im Januar dieses Jahres verfolgten alleine in der Schweiz rund 1,15 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer. Weltweit übertrugen 68 TV-Stationen die Bilder vom Lauberhorn. Insgesamt 469 Medienschaffende aus 17 Ländern waren bei den Rennen vor Ort. Obwohl mit 65 Mitarbeitenden personell in der Minderheit, ist die Produktion alleinige Aufgabe der SRG. Es standen Produktionsleiter, Regisseure, Kameraleute, Ton- und Videotechniker, Slow-Operateure (Zeitlupen) und Monteure im Einsatz, gefilmt wurde mit bis zu 23 unterschiedlichen Kameras, wie fix positionierten und tragbaren Modellen, Kran-Kameras, Superslow-, Hyperslow- und Highspeedkameras, sowie einer GoPro und einer Helikopter-Kamera. Lediglich die SRG hat als «Host Broadcaster» das nötige Equipment vor Ort, um das Weltsignal zu produzieren, welches alle TV-Stationen als Basis für ihre eigenen Live-Übertragungen verwenden. Die SRG leitet das fertige Signal an die Europäische Rundfunkunion EBU weiter, welche es anschliessend den internationalen Sendern zu Verfügung stellt. Die Abnehmer erhalten so die Live-Bilder der Lauberhornrennen und müssen das Geschehen lediglich noch für ihr eigenes Zielpublikum kommentieren.

«Die ganze Produktion ist sehr aufwendig, das kann nur einer machen», sagt Urs Näpflin, Präsident des Lauberhorn-Organisationskomitees, in Anspielung auf die SRG. Dass auch ein Privater die Rennen in gewohnt hoher Qualität abdecken könnte, glaubt Näpflin nicht. Laut Angaben der SRG refinanziert sie über die Werbung bloss 10 bis 20 Prozent ihrer Produktionskosten. Sogar nach einer rigorosen Sparrunde – etwa bei den Hotelübernachtungen der SRG-Mitarbeitenden – könnte dieser Anteil höchstens auf die Hälfte gesteigert werden, mutmasst Näpflin.

«Ohne die SRG hätten Events wie die Lauberhornrennen keine gleichwertigen Partner», meint auch Jürg Stettler. «Diese Leistungen sind in diesem Umfang nicht einkaufbar. SRF ist der einzige nationale Sender der Schweiz. Es braucht eine gewisse kritische Grösse, um qualitativ hochwertige Sendungen zu produzieren.»

Eine technisch einfachere und damit kostengünstigere Produktion durch Private sei zwar durchaus vorstellbar, jedoch nicht sinnvoll, glaubt die ehemalige SRF-Direktorin Ingrid Deltenre, die bis letztes Jahr die EBU leitete. «Der Veranstalter – in diesem Fall der Skiverband Swiss Ski – macht Vorgaben bezüglich der Qualität der Produktion», erklärte sie am Montag in einem Interview mit dem Magazin «Persönlich». Ein Privater verpflichtete sich dementsprechend zu einer hohen Produktionsqualität, die den Erwartungen der anderen Rechtekäufer entsprechen müsse. «Die internationalen Sender haben im übertragenen Sinn eine Rolex gekauft und bezahlt. Eine Rolex hat andere Spezifikationen als eine Swatch, obwohl beide gute Uhren sind. Wenn nun [ein Privater] nicht an die Vorgaben herankommt, werden der Skiverband und mit ihm alle Sender, die die Rechte gekauft haben, sehr unzufrieden sein.» Deltenre glaube deshalb nicht, dass man als Sender mit der Produktion und Übertragung der Lauberhornrennen wirklich Geld verdienen könnte.

Mit dem Rennen wäre auch der Tourismus unmittelbar betroffen
Eine abgespeckte Übertragung durch Private oder eine beschnittene SRG hätte «dramatische Auswirkungen» auf das Rennen, befürchtet Urs Näpflin. Insbesondere die Einstellungen in Superzeitlupe lieferten fantastische Bilder und gleichzeitig den Sponsoren eine hohe Sichtbarkeit. «Die Sponsoren hängen an der TV-Übertragung. Mit den Bildern werden Emotionen in die Welt getragen. Wenn die Qualität der Übertragung nicht mehr stimmt, bricht der Werbewert ein. Je billiger und einfacher die Produktion, desto kleiner der Werbewert», erklärt Näpflin.

Die Sponsoren tragen jedoch 90 Prozent der Kosten dieser Weltcuprennen. Mit anderen Worten: Ohne SRG keine Sponsoren, ohne Sponsoren keine Lauberhornrennen. Und davon wäre unmittelbar der Tourismus betroffen, denn der Anlass generiert laut Näpflin einen direkten Mehrwert in der Region. Die Erfahrung zeige, dass gute Rennen mit viel Schnee viele Bettenreservationen nach sich ziehen. «Da besteht ein direkter Zusammenhang», ist er überzeugt.

«Die Schweiz ist weltberühmt für ihre Skirennen. Ein Ja zu No Billag würde sicherlich negative Auswirkungen haben. Der Tourismus ginge nicht unter, aber eine Verschlechterung würde es geben», glaubt auch Stettler. Bei einem international viel beachteten Event wie den Lauberhornrennen könnten die Folgen gar «gravierend» sein. Für Urs Näpflin ist deshalb klar: «Die Fernsehproduktion am Lauberhorn wird immer über Beiträge finanziert werden müssen.»

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