Artikel von Natalia Godglück

Steht Aschi Wyrsch, Präsident Hotelleriesuisse Graubünden, auf der Bühne, ist er in seinem Element. «St. Moritz ist keine normale Destination. St. Moritz ist cool, anders, crazy und teuer». Im Nobelort könne man eine Pizza für 12.50 Franken erhalten, aber auch eine für 100. Man könne für 120 Franken übernachten, aber auch für 20'000.

DV HotellerieSuisse Graubünden
Die DV fand im Hotel Reine Victoria (erbaut 1875) in St. Moritz, vor strahlender Schneebergkulisse statt.
Gäste: Rund 200 Personen aus Hotellerie, Gastronomie, Vertreter von Bergbahnen, ÖV, Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Hochschulen und Medien.
Stimmung: Top. Der Branche geht es besser, was auch unter den Gästen deutlich zu spüren war.
Traktanden: Alle Traktanden wurden einstimmig angenommen. 

Der Hotelier machte seinen Kollegen aus St. Moritz Mut, vor allem die hohen Preise nach aussen zu tragen. «St. Moritz kann sich das leisten, der Brand heisst schliesslich Top of the World.» Der Geburtsort des Wintersportortes ist eine Marke wie Paris, Mailand oder New York und nicht zuletzt ein Brand, der auf andere abstrahlt. «Dank dem luxuriösen Ort konnten auch andere Destinationen ihre Preise anheben.»

Die positive Entwicklung der letzten zwei Jahre, der aktuelle Winter sowie die Logiernächte-Aussichten auf Februar/März sind extrem positiv und machen Hoffnung. «Die Rüttel- und Schüttelphase scheint überwunden und es beginnt wieder richtig Spass zu machen – auch in Sachen Preisentwicklung.»

Lösungen gegen den Fachkräftemangel
Zuversicht auf der einen, Verrücktes auf der anderen Seite. Wie zum Beispiel das Coronavirus oder der Mangel an Fachkräften. «Manche Hoteliers könnten mehr Umsatz machen, ihnen fehlen aber die notwendigen Leute dazu». Es fehle an Rezeptionisten, Servicefachkräften und Küchenchefs aber auch beim Nachwuchs gäbe es mehr offene Lehrstellen als Lehrlinge. Verrückt sei auch, dass die École hôtelière de Lausanne (EHL), die beste und teuerste Hotelfachschule weltweit, Leute ausbilde, die nach zwei Jahren die Branche schon wieder verlassen. «Nicht einzelne, sondern 70 Prozent der Ausgebildeten.»

Die Branche muss umdenken, appellierte Wyrsch. «Wir müssen nicht nur die Jungen ansprechen, sondern auch Umsteiger ab 45 Jahren, die engagiert, motiviert und bereit sind, sich weiterzubilden.» Insbesondere in der Banken-, Versicherungs- und Medienbranche würden zahlreiche Leute ihre Jobs wegen der Digitalisierung verlieren. «Gut ausgebildete Leute, die schon viel an Lebenserfahrung mitbringen.» Auch älteren Menschen und Arbeitslosen ab 55 möchte Wyrsch eine Chance geben. Für das Projekt «Hotel zum Glück», eine vierteilige Serie, die aktuell im Schweizer Fernsehen läuft, hat Wyrsch fünf Langzeitarbeitslose gecoacht. Die Protagonisten haben für zwei Monate den Winterbetrieb eines Oberengadiner Hotels übernommen. «Das Projekt, vor allem die Geschichten der fünf Teilnehmer, sitzt mir noch heute in den Knochen.» 

Ziel des Projekts sei es gewesen, dass alle Teilnehmer durchhalten und ihr Selbstwertgefühl nach zwei Monaten gewachsen ist. «Das haben wir erreicht», verriet der Motivationstrainer nicht ohne Stolz. Er wolle keinesfalls die Message vermitteln, jeder könne Wirt werden. Wenn jedoch Einstellung, Betreuung und Coaching stimmen, könne das Hotelfach erlernt werden. «Natürlich nicht im 5-Sterne-Bereich, aber ein ehrliches Gastgebertum ist möglich».

Signalwirkung für die jungen Hoteliers
Jürg Domenig, Geschäftsführer Hotelleriesuisse Graubünden, blickte mit Andreas Züllig, Präsident Hotelleriesuisse, auf die letztjährigen Nationalratswahlen zurück. Eine Niederlage sei zwar nie schön, dafür wisse nun die halbe Schweiz, «wer der mit dem Rezept ist», führte Domenig aus. Züllig hielt fest, dass er als Person die Niederlage gut verkraftet habe. «Mir hat es aber für die Branche, den Kanton Graubünden sowie die hiesigen KMU, die ich in Bern vertreten wollte, sehr leidgetan.»

Mit seiner Kandidatur habe man gezeigt, dass die Branche nicht nur Forderungen stelle, sondern auch Verantwortung übernehmen wolle. Und insbesondere die Signalwirkung auf jüngere Hoteliers sei sehr wertvoll gewesen. «Sie haben bemerkt, man kann etwas verändern und bewirken, wenn man sich einbringt», so Züllig.

Vom Nichtgewählten ging es zum politischen Senkrechtstarter Marcus Caduff. Der ehemalige Spitaldirektor schaffte 2018 direkt den Einzug in den Bündner Regierungsrat, hielt aber fest, dass auch er mit Misserfolgen zu kämpfen hatte. Sein Rezept: Dranbleiben und zur richtigen Zeit das nötige Glück haben. Selbstkritisch erkannte Volkswirtschaftsdirektor Caduff Verbesserungspotenzial in der Politik, «manche Umsetzungen dauern recht lange.» Er erklärte aber umgehend, Mehrheiten zu finden brauche eben Zeit.

Zum Abschluss gab es ein Podium mit Quereinsteigern und -denkern. Auf der Bühne standen Hockeytrainer-Legende Arno del Curto, Felix Benesch Regisseur und Drehbuchautor (Tatort), sowie Christian Jott Jenny, Gemeindepräsident von St. Moritz, Gründer des «Festival da Jazz», Opernsänger und ehemaliger Kabarettist und Kulturmanager.

Es ging um Führungsverhalten, Authentizität, Erfolg und den Umgang mit Medien. Die Botschaft von Erfolgstrainer Arno del Curto an die Hoteliers lautete, man solle der Mannschaft jeden Morgen in die Augen und erkennen, wer was braucht: «Wenn du eine Vision hast, die du deinem Team weitergeben willst, musst du ein Vorbild sein und Freude vermitteln. Und es braucht Harmonie und Konsequenz – nur dann ziehen die Leute mit.»