Nizar Rokbani, wer ist «Schulz»?
Wir versuchten, einen Charakter und eine Seele für ein Hotel herzustellen. Da man diese Eigenschaften am ehesten mit einem Menschen verbindet, haben wir «Schulz» erfunden. Er verkörpert bestimmte Werte und Ideale, die auch uns Gründer verbinden und die wir uns für ganz viele Menschen wünschen. Der typisch deutsche Name Schulz soll – wenn man so will – deutsche Charakterzüge verkörpern, aber er ist ein Weltreisender mit einer kosmopolitischen Brille. Diese Einstellung wollen wir mit unserem Hotel leben.

Wann ist die Idee zur Gründung der Schulz Hotels entstanden?
Nachdem wir die Meininger Hotels verkauft hatten, lief für zwei Jahre die Non-compete clause, das heisst in dieser Zeit durften wir kein neues Hotel eröffnen. Wir hatten nun wieder Zeit für uns selbst und jeder ist seinen eigenen Weg gegangen. Trotzdem blieben wir in Kontakt miteinander. Ich habe in dieser Zeit eine Schule eröffnet, soziale Projekte realisiert und private Sachen geregelt. Nach einer Weile hat es uns wieder unter den Nägeln gebrannt. Nicht nur des Geldes wegen, natürlich auch weil wir das Geschäft gut finden und wir wirklich Lust hatten, wieder ein Hotel zu eröffnen.

Von «Meininger» zu «Schulz»
Nizar Rokbani, Jahrgang 1971, wuchs als tunesisches Gastarbeiterkind in Berlin auf. Trotz schwieriger Verhältnisse während seiner Kindheit und Jugend absolvierte er das Abitur und ein Wirtschaftsstudium. Mit der Gründung des ersten Meininger Hostels 1999 startete er gemeinsam mit seinen Geschäftspartnern Oskar Kan und Sascha Gechter seine Karriere in der Hotellerie. Die Hotelgruppe wuchs schnell und expandierte in 14 Städte Europas. Nach dem Verkauf der Meininger-Anteile 2013 kümmerte sich Nizar Rokbani während zwei Jahren verstärkt um soziale Projekte, wie der Gründung der Freudberg Gemeinschaftsschule in Berlin. Danach lancierten die drei Hotelunternehmer ein neues Projekt, sozusagen eine Weiterentwicklung des Meininger-Konzept mit höherem Investitionsvolumen und sozialem Hintergedanken: Die Schulz Hotels. Nach mehrjähriger Planung eröffnete im September 2018 das erste Haus direkt an der Berliner Mauer, in der Nähe des Ostbahnhofs. Bei den Schulz Hotels hat Nizar Rokbani – wie auch schon bei Meininger – die Verantwortung für das operative Geschäft. Sascha Gechter ist für die strategische Planung, Expansion und das Controlling zuständig. Oskar Kan zeichnet für die Bereiche Design, Bau und technischer Betrieb verantwortlich. Die junge Hotelgruppe will in den nächsten Jahren weitere Hotels eröffnen, darunter ein zweites direkt am Alexanderplatz in Berlin und weitere in europäischen Städten wie Wien und Hamburg. Ausserdem laufen derzeit Abklärungen für interkontinentale Standorte wie New York, Toronto und Vancouver.

Welche Gästesegmente wollen Sie mit den Schulz Hotels ansprechen?
Wir finden nicht, dass es jemanden ansprechen soll; es soll niemanden ausschliessen. Für jeden, der den Wunsch hat, hier übernachten zu wollen, soll es möglich sein. Es gibt Mehrbettzimmer, wo man eine Übernachtung für 15 Euro buchen kann, bis hin zum Einzelzimmer. Deswegen haben wir Leute, deren Eltern die Reise überweisen, bis hin zu Gästen mit einer Platin-Kreditkarte. Jeder soll frei bestimmen, ob er sich hier wohl fühlen will oder nicht. Es ist jedoch nicht ein Hotel für absolut jeden: Für jemanden, der viele klassische Service-Elemente und Formalität mag, ist es nicht unbedingt das Richtige.

Verstehen Sie die Schulz Hotels als direkte Weiterentwicklung der Meininger Hotels?
Im Grundsatz ist Hospitality immer dasselbe: Übernachtung und Verpflegung. Und dann gibt es Nuancen und Nischen. Wir bewegen uns mit den Schulz Hotels in derselben Nische wie damals mit den Meininger Hotels, da machen wir uns nichts vor. Aber: Das Konzept ist erwachsener geworden. Das Hotelkonzept ist weit ausgefeilter, die Qualität des Angebots waren deutlich höher und dazu kommt der soziale Gedanke, der dahintersteckt. Dem wurde bei Meininger damals nicht in diesem Masse Rechnung getragen.

Was sind nebst den Mehrbettzimmern spezielle Elemente des Konzepts?
Es wurden bestimmte Apartment-Elemente integriert. Was man oft an Apartments mag, ist dass man eine Küchenzeile hat, etwas waschen kann oder einen Kühlschrank zum Lagern von Lebensmitteln zur Verfügung hat. Diese Elemente haben wir zentral als Gemeinschaftsküche im Hotel realisiert. Dazu kommt die Küche als Begegnungsort. Man kennt es zum Beispiel von Partys bei Freunden: Die Küche ist meistens der Ort, wo sich am meisten Leute befinden. Diesen Gedanken wollen wir mit der Gemeinschaftsküche nach vorne bringen. Aber wir sind weder ein Apartmenthotel, noch ein reines Hostel oder Hotel. Für bestimmte Leute ist dieses Konzept nicht ganz einfach zu verstehen. Wir waren zum Beispiel beim International Hotel Investment Forum (IHIF) eingeladen, um die Schulz Hotels vorzustellen, und die Investoren haben sich zunächst schwer daran getan, dieses Konzept zu verstehen. Aber umso überzeugter waren sie bei näherer Betrachtung.

Den Trend hin zu Mehrbettzimmern greifen immer häufiger auch grössere Hotelgruppen auf. Werden diese für Sie zunehmend zur Konkurrenz werden?
Das stimmt, zum Beispiel Accor plant jetzt auch ein ähnliches Konzept. Die haben uns beobachtet, waren sogar hier und haben sich alles angeschaut. Sie sagten, technisch kriegen sie alles hin, aber fragten sich, wie sie diese Atmosphäre generieren können. Für eine grosse Hotelkette ist es echt schwer, Atmosphäre zu generieren. Hier bei uns spricht die Hälfte des Personals kein Deutsch, das könnte eine grosse Hotelkette deutlich schwerer umsetzen. Wir sind hier einfach mutiger. Dazu kommen die Entscheidungswege: Es gibt kaum noch relevante Hotels, wo die Chefs zugleich auch die Besitzer sind. Ich bin Gründer und Gesellschafter dieses Hotels, und kenne zugleich alle Leute die hier arbeiten, mitsamt ihren Geschichten.

Wie wird diese spezielle Atmosphäre sonst noch spürbar?
Wichtig ist für uns die Authentizität. Authentizität heisst nicht, dass immer alle grinsen und happy sind. Wir haben zum Beispiel auch keine Arbeitsuniform. Wie soll jemand authentisch sein, wenn ich ihm sage, er muss immer ein schwarzes T-Shirt anziehen? Das ist ein Widerspruch in sich.

Wie rekrutieren Sie Personal für die Schulz Hotels?
Am Anfang haben wir im europäischen Ausland mit den Arbeitsämtern zusammengearbeitet und über Social Media Kanäle kommuniziert. Wir haben zum Beispiel in Italien und Portugal unser Hotel präsentiert und Workshops gegeben. Jetzt ist es Mund-zu-Mund-Propaganda. Das Problem ist, dass man für Standard-Aufgaben in der Hotellerie kaum deutschen Arbeitskräfte mehr begeistern kann, die meisten wollen hinter einem Monitor arbeiten. Das erinnert mich irgendwie an die Gastarbeiter-Welle in den 70er-Jahren, als meine Eltern nach Berlin gekommen sind.

Wie ist das erste halbe Jahr nach der Eröffnung angelaufen?
Super. Der Revenue und die Auslastung sind deutlich höher als erwartet. Genaue Zahlen will ich nicht nennen, aber wir liegen 15 Prozent über dem Budget beim Revenue. Was wir unterschätzt haben, ist die Lage hier. Wir haben nebst Schulgruppen, Familien und Travelers auch viele Businessgäste hier.

Die Hostel- und Hotelkonkurrenz ist ziemlich gross in Berlin, besonders in der Nähe des Ostbahnhofs. Wie behauptet man sich?
Wir spüren keinen grossen Wettbewerb. Wir haben im Vergleich zu anderen Budget Hotels und Hostels etwa 10 Prozent höhere Preise und trotzdem eine höhere Buchungsquote. Da wir verschiedene Segmente wie Hostel, Hotel und Apartment integriert haben, schauen wir immer, wo gerade die Nachfrage hoch ist. Klar entsteht ein gewisser Verdrängungsmarkt, nur die Frage ist: Was wird verdrängt. Richtig zu leiden haben kleinere Pensionen von privaten Eigentümern und kettenunabhängige Hotels, die keine klare Ausrichtung aufweisen.

Wieso kommen deutsche Hotelgruppen meistens nur zögerlich in die Schweiz?
Gute Lagen sind teuer und schwierig zu finden. Wenn man etwas im Budget-Segment macht, ist häufig die Pacht zu teuer. Dazu kommen die höheren Personalkosten, das hat sich für uns bis jetzt einfach noch nicht gerechnet. Deswegen warten wir vorerst noch ab, würden uns aber freuen perspektivisch auch ein Schulz Hotel in der Schweiz zu eröffnen. Das Gute an unserem Konzept ist: Wir haben keine starre Raumaufteilung wie andere Hotelketten. Man könnte uns zum Beispiel in ein Shopping-Center reinpacken, wo die Rezeption dann erst im 3. Stock wäre. Denkbar wäre auch ein Mischgebäude mit einem Büro. Wir haben auch kein bestimmtes Zimmerraster.

Was haben Sie für einen persönlichen Bezug zur Schweiz?
Die Schweiz ist vielleicht etwas konservativer und reservierter als Berlin, aber als ich dort war, habe ich mich immer wohl gefühlt. Ich fühlte mich immer angenommen und bin immer gerne dort gewesen. Ich würde sofort in Zürich und Bern ein Schulz Hotel eröffnen. Wenn jemand ein geeignetes Grundstück für mindestens 100 Zimmer hat: Wir kaufen und bauen. Das hatte ich mit Meininger damals nicht geschafft.

Was möchten Sie in Zukunft bei den Schulz Hotels noch verbessern?
Dieser Perfektionismus, den wir in Deutschland inne haben, ist etwas, der auch in mir drin ist. Aber ich weiss, es wird nie etwas Perfektes geben und wir werden nie perfekt sein. Selbst den Anspruch zu erheben, finde ich total schwachsinnig, weil etwas somit unecht wird. Die Schulz Hotels sind weit weg von perfekt und werden sich auch immer wieder verändern. Das macht einen Teil des Charmes aus.

Wie wünschen Sie sich in den nächsten Jahren für die Schulz Hotels?
Geplant ist, zu wachsen, aber nicht mehr auf Biegen und Brechen. Und eigentlich möchten wir die Schulz Hotels auch nicht verkaufen, sondern für die nächste Generation vorbereiten. Eins meiner Kinder arbeitet bereits im Schulz und macht nebenbei das Abitur. Ob meine Kinder dann hier weitermachen wollen oder nicht, ist ihre Entscheidung, aber sie sollen die Gelegenheit bekommen, das Geschäft kennen zu lernen.