Selbstlose oder doch pyromanische Angestellte
Nach einem verheerenden Grossbrand in Grindelwald, dem auch mehrere Hotels zum Opfer fielen, setzte sich der Schweizer Hotel-Verein für eine Versicherung von Hab und Gut der Hotelangestellten ein. Schliesslich sei es die moralische Pflicht jedes Angestellten, sich zuerst um die Gäste und danach um das «Besitzthum seines Brodherrn» zu kümmern. Das eigene Hab und Gut müsse er deshalb von vornherein verloren geben. Gleichzeitig gab der Verein aber auch zu bedenken, dass eine Brandschutzversicherung für die Angestellten auch «der Keim zu Versuchungen werden könne, die dem Versicherungsmotiv zuwider liefen» – sprich: Die Angestellten hätten neu einen Anreiz, das Hotel abzufackeln.

Noble Gäste mit destruktivem Hobby
Heute sind Tags aus der Graffiti-Szene bekannt. Die schnell gesprayten Erkennungszeichen zieren so manche urbane Hauswand. Die Urheber jener Tags, zu deren Opfer um 1892 die Schweizer Luxushotellerie wurde, waren aber nicht etwa jugendliche Schmierfinken/Künstler (je nach Blickwinkel), sondern noble Herr- und Frauschaften. Eine grosse Zahl fremder Gäste frönte dem Unfug, ihre Initialen oder Namen mit Diamantringen in Fensterscheiben und Spiegel zu kratzen, «um entweder die Aechtheit des Steines zu prüfen oder einen langweiligen Augenblick thätig auszunützen», berichtete die Hotel-Revue, wie die htr hotel revue damals hiess. Bei einer gewöhnlichen Fensterscheibe halte sich der Schaden noch im Rahmen, dafür sei er umso grösser, wenn der Spiegelschrank als Schreibtafel herhalten müsse.

Tyrannische Hoteliers, misshandelte Gäste
Die Hotel-Revue zitierte 1892 aus einer englischen Gazette: Der Schweizer Hotelier sei der «hervorragendste oder bemerkenswertheste Gegenstand in der Schweiz. Seit manchem Jahre hat er seine Ueberlegenheit zur Schau getragen.» Dem Lob folgte in «The Hotel» harsche Kritik: «Zahlreich sind die bekannt gewordenen Fälle von seinem tyrannischen und despotischen Wesen und nicht selten hört man von englischen Reisenden klagen, wie sie angegriffen und misshandelt worden seien.» Er selbst, so der englische Autor, sei auf der Rigi Zeuge geworden, wie Gäste «schwere Angriffe von Seiten des Hoteliers und seiner Kellner zu erdulden hatten». Gewiss sei der Redaktor für diese Zeilen von norwegischen Hotels bezahlt worden, der damals grössten Konkurrenz der Schweizer, vermutete die Hotel-Revue.

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