Sara Roloff, wohin führte Sie Ihre längste Zugreise?
Schwierig zu sagen. Ich kann eher sagen, wann es war: während meiner Interrail-Zeit als Jugendliche quer durch Europa – von Spanien über Frankreich, Deutschland, Österreich bis nach Ungarn.
Hat damals Ihre Leidenschaft für Zugreisen begonnen?
Ich denke schon – dieses Gefühl von Freiheit, Abenteuer und gleichzeitigem Unterwegs-Sein hat mich nie mehr losgelassen.
Wie würden Sie Ihren Unternehmensauftrag einem Ausserirdischen erklären, der noch nie etwas von Swiss Travel System gehört hat?
Stellen Sie sich ein Land vor, das wie ein Uhrwerk funktioniert – mit Zügen, Schiffen, Seilbahnen und Bussen, die sich alle nahtlos ergänzen und deren Fahrplan aufeinander abgestimmt ist. Unsere Aufgabe ist es, Menschen, die unsere Galaxie – äh, unser Land (schmunzelt) – besuchen, dazu zu bringen, dieses System zu entdecken und zu nutzen. Und zwar so bequem, effizient und nachhaltig, dass sie sich fragen, warum das nicht überall so funktioniert.
Die Swiss Travel System AG ist für die internationale Vermarktung des Schweizer öffentlichen Verkehrs zuständig.
Nach aussen treten Sie mit der Marke «Travel Switzerland» auf – weshalb?
Travel Switzerland steht als starke Marke für das gesamte System des öffentlichen Verkehrs. Internationale Gäste sollen bei jeder Begegnung ein klares Versprechen spüren: zuverlässige Mobilität auf Weltklasse-Niveau. Welches Unternehmen dahintersteht, ist zweitrangig.
«Travel Switzerland» fördert den internationalen Tourismus in der Schweiz. Warum ist das so wichtig?
Die Swiss Travel System AG ist für die internationale Vermarktung des Schweizer öffentlichen Verkehrs zuständig – mit dem Ziel, den Umsatz durch ausländische Gäste für die gesamte Branche zu steigern.
Weshalb macht das Sinn?
Sie bringen eine bessere Auslastung für unsere Transportunternehmen übers ganze Jahr hinweg. Denn: Wenn unsere Pendlerinnen und Pendler morgens im Zug sitzen, sind unsere internationalen Gäste noch beim Frühstück. Sie reisen auch bei Regen, wenn wir eher zu Hause bleiben und sie reisen auch dann, wenn in der Schweiz keine Schulferien sind. Zudem ist der öffentliche Verkehr in der Schweiz weit mehr als ein Transportmittel – er ist Teil des touristischen Erlebnisses.
Der Zugverkehr zwischen Bern und Interlaken ist stark ausgelastet, insbesondere durch Gäste aus Südasien. Wie reagiert «Travel Switzerland» auf diese Situation?
Mit Respekt – und mit Daten.
Wie meinen Sie das?
Wir analysieren gemeinsam mit den Transportunternehmen, Tourismuspartnern und Reiseveranstaltern das Verhalten unserer Gäste und entwickeln gezielte Lenkungsmassnahmen, indem wir zum Beispiel genau in diesen Märkten alternative Routen bewerben. Oder mit unserem neuen Produkt, den Day Discoveries. Damit zeigen wir auf, dass man aus einem Ort in der Schweiz ohne Gepäck fast das ganze Land in einem Tagestrip erleben kann - natürlich per Bahn, Bus und Schiff.
Kommen wir auf das Beispiel Bern-Interlaken zurück. Haben Ihre Lenkungsmassnahmen gegriffen?
Unsere Massnahmen zielen nicht auf kurzfristige Effekte ab – als B2B-orientiertes Unternehmen arbeiten wir vor allem mittelfristig und über unsere Partner in den Märkten. Besonders erfreulich ist aber das Feedback unserer Transportpartner zur Alternativroute mit dem Luzern–Interlaken Express: Diese Verbindung wird von internationalen Gästen sehr gut angenommen. Das Projekt Day Discoveries, das wir gemeinsam mit mehreren Destinationen entwickeln, befindet sich in der finalen Ausarbeitung und wird im Spätsommer lanciert. Erste Lenkungs-Effekte erwarten wir im Verlauf des kommenden Jahres.
Wir analysieren gemeinsam mit den Transportunternehmen, Tourismuspartnern und Reiseveranstaltern das Verhalten unserer Gäste und entwickeln gezielte Lenkungsmassnahmen.
Wie hat sich der Besucherstrom in den letzten Jahren verändert?
Seit der Pandemie beobachten wir eine stark gestiegene Nachfrage nach den Panoramazügen – allen voran dem Glacier Express und dem Bernina Express. Um diese Nachfrage besser zu verteilen, haben wir unser Marketing gezielt auf den Herbst und Winter fokussiert – die Jahreszeiten mit mehr freier Kapazität. Gleichzeitig haben wir für die Grand Train Tour of Switzerland neue Routenvorschläge für den Sommer entwickelt, die attraktive Alternativen bieten.
Touristinnen und Touristen aus dem Ausland erhalten Verkehrstickets günstiger als Schweizerinnen und Schweizer. Ist das fair?
Das stimmt so nicht. Unsere ausländischen Gäste können zeitlich begrenzte und auf die touristischen Bedürfnisse abgestimmte Pässe kaufen. Schweizerinnen und Schweizer profitieren dagegen von zahlreichen, besonders attraktiven Angeboten, die sich für ausländische Gäste oft nicht lohnen. Dazu zählen beispielsweise das Halbtax, Sparbillette oder die Spartageskarten.
Welche Angebote richten sich gezielt an Reisende aus der Schweiz?
Unser Auftrag ist ausschliesslich die internationale Vermarktung. Um den Heimmarkt kümmern sich die Transportunternehmen selbst sowie unser Schwesterunternehmen Railaway, das die Freizeitangebote mit dem öffentlichen Verkehr innerhalb der Schweiz entwickelt und vertreibt.
Wo liegen die grössten Herausforderungen, damit sich «Travel Switzerland» weiterentwickeln kann?
Es ist die Komplexität des Schweizer öffentlichen Verkehrs für Reiseanbieter, Medienschaffende und internationale Gäste. Wir versuchen ihn einfach und verständlich erlebbar zu machen, was gar nicht so leicht ist. Gleichzeitig agieren wir in einem fragmentierten Umfeld mit vielen internationalen Anspruchsgruppen und Vertriebssystemen – dies in einem volatilen Marktumfeld.
Wir müssen flexibel sein , ohne uns zu verzetteln.
Was bedeutet das zusammengefasst?
Dass wir flexibel sein müssen, ohne uns zu verzetteln.
Und wie meistern Sie das?
Die Swiss Travel System AG versteht sich als Brückenbauerin – zwischen Transportunternehmen, Reiseanbietern, dem Angebot und unseren internationalen Gästen. Dabei braucht es einen klaren Fokus, aber auch viel Fingerspitzengefühl. Wir setzen auf unsere breite Marktpräsenz und Nähe zu den Partnern, um Chancen schnell zu erkennen und gezielt zu nutzen, oder über neue Produkte und Plattformen zu inspirieren.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Bei welcher Tätigkeit haben Sie die meisten Geistesblitze?
Ich bin eine passionierte Marathonläuferin. Irgendwo zwischen Kilometer fünf und fünfzehn geht im Kopf das grosse Sortieren los – To-dos verschwinden, Ideen kommen. Es ist fast wie ein bewegtes Brainstorming mit mir selbst. Ohne Powerpoint, aber mit viel Gehirn-Gewitter (schmunzelt).
Wenn Sie folgenden Persönlichkeiten eine Frage stellen könnten – welche wäre das?
Johann Wolfgang von Goethe, als Reiseberichterstatter: Ihre Reiseberichte haben Generationen inspiriert. Wenn Sie heute mit dem Zug durch die Schweiz reisen würden – was würden Sie notieren: die Landschaft, die Pünktlichkeit oder das Gespräch mit dem Sitznachbarn?
Alfred Escher, Pionier des Schweizer Eisenbahnwesens: Sie haben mit Entschlossenheit, Netzwerken und ein bisschen Starrsinn das Rückgrat des Schweizer Bahnnetzes geschaffen. Was hat Sie gelehrt, auch bei Widerstand nicht aufzugeben – und wie können wir diese Haltung heute auf komplexe Projekte übertragen?
Zurab Pololikashvili, Generalsekretär der Welttourismusorganisation UNWTO: Was haben Sie auf Ihren Reisen gelernt, das man in keinem Strategiebericht lesen kann?
Agatha Christie, Autorin von «Orient Express»: Was können wir von Ihnen in Sachen Storytelling lernen?
César Ritz, Vater der modernen Luxushotellerie: Sie haben verstanden, dass wahrer Luxus im Detail liegt. Wie würden Sie heute das perfekte öV-Reiseerlebnis definieren?
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