Können Sie sich noch an Herbie erinnern? Ende der 1960er-Jahre erschien der perlweisse VW Käfer erstmals auf der Kinoleinwand. Quasi im Alleingang rettete er die Welt mit viel Spass und Charme vor dem Bösen. Ebenso wie später der rollende Partner K.I.T.T. in der Fernsehserie «Knight Rider». Gestern noch Science-Fiction, sind selbstfahrende Autos mit Sprachsteuerung inzwischen die Vorreiter der sogenannten Embodied AI, bei der die künstliche Intelligenz einen Körper erhält, um mit der physischen Welt zu interagieren. 

Lange wurde die Idee belächelt, Autos ohne Fahrer auf die Strasse zu bringen. Bei dem 2004 vom amerikanischen Militär in der Mojave-Wüste veranstalteten Wettbewerb für robotisierte Landfahrzeuge absolvierte das beste «autonomous vehicle» weniger als fünf Prozent der geplanten Strecke.

In den folgenden Pilotprojekten kollidierten Testfahrzeuge mit kaum zu übersehenden Feuerwehrwagen, missachteten Baustellenabsperrungen und blieben in frisch betonierten Fahrbahnen stecken. Doch inzwischen absolvieren die Robotaxis der Google-Schwesterfirma Waymo knapp 400 000 bezahlte Fahrten pro Woche.

Der chinesische Konkurrent Apollo Go bedient mit seinem On-Demand-Beförderungsangebot in Wuhan ein Einzugsgebiet von rund neun Millionen Menschen. Von San Francisco bis Shanghai sind die fahrerlosen Mobile mit ihren charakteristischen Sensoraufbauten zum alltäglichen Stadtbild geworden.

Bleibt die Verkehrspolitik, wie sie ist, darf bezweifelt werden, dass die hochautomatisierten Fahrzeuge tatsächlich unsere Verkehrsprobleme lösen werden. Weniger Besitzautos und Verkehr haben schon Uber und Co. versprochen.

Stattdessen haben uns diese urbanen Beförderungsalternativen weiteres Verkehrswachstum beschert. Sollten wir uns aber politisch dazu durchringen, zukünftig CO₂-Emissionen angemessen zu bepreisen (also rund 800 Franken je Tonne), könnte das selbstfahrende Auto tatsächlich die Transformation unseres Mobilitätsverhaltens beschleunigen – auch im Tourismus.

In dieser Zukunft sind Flugreisen und Kreuzfahrten deutlich teurer. Sie verschwinden für viele Zielgruppen in der Nische, aus der sie gekommen sind. Dank emissionsarmem Elektromotor erlebt die Autoreise dagegen eine Renaissance. Die Selbstfahrtechnologie hat im Zusammenspiel mit dem digitalen Infotainment-Universum die automobilen Erreichbarkeiten im Tourismus stark vergrössert.

Die Autobahnfahrt von Amsterdam nach Zürich ist keine Tortur mehr, sondern wird im Nachtsprung mit dem «full-flat seat» in der privaten Robokapsel zum entspannten Reiseauftakt. Gleiches gilt für Mallorca: Die populäre Baleareninsel ist für Schweizer Familien nun auf dem Landweg plus Fähre weit günstiger zu erreichen als im Flieger. Doch eigentlich sind andere Destinationen die grossen Gewinner. Denn die bequeme Automobilität 4.0 rückt neue Ziele ins Alternativenset der Kurzreise.

Städten, Hotels und Sehenswürdigkeiten abseits der alten flugaffinen Tourismuspfade bringt die robotisierte Individualbeförderung einen Nachfrageboom. Auch Roadtrips, bei denen Tages- und Nachtfahrten zu abwechslungsreichen Autokreuzfahrten kombiniert werden, stellen ein relevantes Wachstumssegment dar.

Heute sind selbstfahrende Taxis von Waymo und Zoox zusätzliche Attraktionen, die Hotelketten in den USA in ihre Eventpakete einbauen. Morgen werden sie ein wesentlicher Teil der touristischen Leistungskette sein. Es wird Zeit, dass wir uns dazu Gedanken machen – sonst machen es andere.

Morgen werden selbstfahrende Taxis ein wesentlicher Teil der touristischen Leistungskette sein. Es wird Zeit, dass wir uns dazu Gedanken machen.

Thomas Sauter-Servaes leitet den Studiengang Mobility Science an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), School of Engineering. Sein Forschungsfokus liegt auf innovativen Services und Geschäftsmodellen im Bereich Mobilität.