Mit Operettenmusik vor virtuellem Blütenzauber startete der 22. Ferientag von Schweiz Tourismus (ST) im KKL Luzern frühlingshaft beschwingt – und verlor den Schwung bis zum Ende nicht. Gut getimt und angenehm in der Tonalität war vor allem das Hauptprogramm, zur Hauptsache bestritten von der ST-Geschäftsleitung, die als homogenes Team auftrat. Gewohnt zurückhaltend und souverän agierte Jean-François Roth an seinem letzten Ferientag als Präsident. Es war taktisch klug, dass er seine Eröffnungsrede nicht zu stark auf die bevorstehende Parlamentsdebatte zur Standortförderungsbotschaft und damit auf die von den Tourismusverbänden geforderte Erhöhung der Mittel für die nationale Marketingorganisation ausrichtete. Ein allzu lautes Trommeln in eigener Sache könnte kontraproduktiv wirken. Zudem geht es in dieser Frage nicht einfach nur um Schweiz Tourismus, sondern um die Finanzierung von Leistungen zum Wohl der gesamten Branche. Deutlicher als noch im Vorjahr war in diesem Zusammenhang auch der Appell von ST-Direktor Martin Nydegger, auf Sololäufe und Einzelaktionen zur Eroberung des Weltmarktes zu verzichten und stattdessen mitzuhelfen, das Ferienland Schweiz mit einem geeinten Auftritt als (Premium-)Marke zu bewerben. [IMG 2]

Zu einem festen Bestandteil im Programm des in diesem Jahr von rund 1300 Teilnehmenden besuchten Schweizer Ferientages zählen die zahlreichen «Breakout Sessions» und Workshops, wobei sich jeweils rasch herumspricht, wo man Neues und Interessantes erfahren kann, und wo eher nicht. Interessantes erfuhr ich etwa bei der Präsentation des von ganz unterschiedlichen Partnern vorangetriebenen Projektes «discover.swiss», dem Aufbau eines zentralen Back-Ends, von dem sämtliche Tourismusorganisationen digital profitieren könnten. Wie immer bei der Entwicklung neuer Technologien sieht sich der interessierte Laie im Sandwich von Euphorikern und Skeptikern und wäre dankbar, wenn er auf der Homepage von «dis­cover.swiss» nicht bloss mit einer «coming-soon»-Vorankündigung vertröstet würde. Interessant waren auch die Ausführungen zur Kooperation von ST mit dem Start-up «Guuru», das auf der Geschäftsidee gründet, Kunden den Kundendienst übernehmen zu lassen. Stellt ein potenzieller Schweiz-Besucher eine Frage zu unserem Land ins Netz, wird ein Mitglied des aus Schweiz-Fans gebildeten Pools aktiv, das sich bei zufriedenstellender Antwort vier Franken verdienen kann. Guuru trifft den Zeitgeist voll, allerdings sind die «Fans» (noch) nicht so richtig authentisch, da es sich bei der Mehrzahl um Mitarbeitende von Schweiz Tourismus handelt.

Eher weniger interessant war für mich ein Podium mit Influencern, die sich ganz selbstverständlich auch als Journalisten bezeichnen, obwohl sie vom Auftraggeber dafür bezahlt werden, Werbung für das betreffende Produkt zu machen. Die Kunden des Journalisten sind die Leserinnen und Leser, die von ihm erwarten dürfen, dass er Informationen sammelt, prüft, einordnet und je nachdem auch bewertet. Schon immer hatte die unabhängige Berichterstattung in der Reisebranche einen schwierigen Stand – nun droht Journalismus im wirtschaftlich so schwierigen Umfeld von den mächtig gewachsenen Marketing-Abteilungen noch stärker instrumentalisiert zu werden. Alles ist Marketing – oder nicht? Im digitalen Zeitalter sind die Leserinnen und Leser selbst zu einer Art von unabhängigen Journalisten geworden, indem sie auf Tripadvisor und anderswo ziemlich unverblümt ihre Meinung kundtun.

Apropos Journalismus: Just am Tag des Ferientags brachte «Blick» eine an und für sich ansprechend recherchierte Geschichte über Budget-Hotelketten in der Schweiz, die nun leider mangels eines wirklichen Aufregers zur Seite-1-Story hochgestemmt werden musste. Und so las man es dann wieder einmal, im Kontext zwar völlig sinnfrei, aber offenbar nach wie vor verkaufsfördernd: «Zu wenig Gäste, zu starke Auslandskonkurrenz, zu karg fliessende Bundesgelder: Im Jammern stehen die Touristiker den Bauern um nichts nach. Hört man ­ihnen zu, kommt man zum Schluss, es stehe ganz schlecht um das Tourismusland Schweiz.»

Am Ferientag selbst wurde nicht gejammert. Aber die Art und Weise, wie unsere Branche in der breiten Öffentlichkeit reflexartig wahrgenommen wird, war Thema beim Networking und sollte es auch sein, wenn der Tourismus, wie wir es im Wahljahr 2019 vielstimmig fordern, politisch an Einfluss gewinnen will.

Das bedingt nämlich, dass man sich der Öffentlichkeit nicht nur in Erinnerung ruft, wenn man mehr Bundesmittel benötigt, sondern dass man sich engagierter am gesamtgesellschaftlichen Diskurs beteiligt. In seinem Grusswort zu Beginn des Ferientags nahm der Luzerner Ständerat Damian Müller diesen Gedanken auf, plädierte dafür, Verantwortung zu übernehmen und schrieb es der versammelten Branche gleichsam ins Gästebuch: «Tourismuspolitik ist auch Klimapolitik ist auch Wirtschaftspolitik.»

Und dann sprang Roger Brooks auf die Bühne, ein Tourismusexperte aus den USA, und erklärte den versammelten Tourismusprofis unter anderem, dass Gäste auf Bestenlisten und sonstige Ranglisten stehen. Das war nicht unbedingt neu, aber eigentlich wollte der Amerikaner etwas ganz anderes mitteilen. Er hatte soeben zum ersten Mal die Schweiz bereist – und wow, wow, wow! Ein solch schönes Ferienparadies auf Erden hatte er noch nicht entdeckt! Die Schweiz ist so wunderbar, grossartig, wahnsinnig, toll! Irgendwann war das kein Keynote mehr, sondern eine Liebeserklärung, wie es Helvetia noch nicht erlebt hat.

Man kann es natürlich auch so sehen: Was ist dieser Roger Brooks für ein begnadet guter Influencer! Aber Recht hatte er ja.