Neulich in den Winterferien: Der Verkäufer im hoteleigenen Sportgeschäft – Typ: Brettsportler – spricht den Kunden in der Du-Form an. Das macht den kleinen Unterschied. Aus der fachkundigen Beratung zur Miet-Skiausrüstung wird ein anscheinend freundschaftliches Gespräch mit persönlicher Note.

Würde das auch im traditionsreichen Hotel selbst passen, wenn die Frontoffice-Managerin die Familie künftig mit «Hoi mitenand» begrüsst?

Manche Hotelkonzepte befürworten klar die Du-Kultur, so etwa die Stay-Kooook-Hotels. Diese sollen von der Idee her Wohngemeinschaften auf Zeit sein. Eine Gastgeberin spricht die Gäste mit Vornamen an. Zu dieser verbalen Nähe passt auch, dass in den Hotels kein Desk Gast und Host trennt. Die Beziehung zwischen den beiden Seiten soll zudem nicht hierarchisch, sondern eine Begegnung auf Augenhöhe sein.[RELATED]

Jung, unkompliziert und frisch wirkte es, als die schwedische Möbelhauskette Ikea beim Markteintritt in die Schweiz in der Werbung und im Katalog die Kunden in der Du-Form ansprach. Es war mehr als eine Masche. Schweden hatte ab den 60er-Jahren flächendeckend zum Du gewechselt und die bis dahin gebräuchlichen formellen Anreden abgeschafft. In der Schweiz hebt sich Ikea bis heute ab, auch wenn in vielen Kleider- und Sportläden das Personal mit den Kunden mittlerweile per Du ist. Diese mögen sich dadurch jünger fühlen, als sie sind. Sie hätten ja auch mit Sie angeredet werden können.

Das Du suggeriert aber auch Verbundenheit und Vertrautheit. Als hätte man eine Phase des Kennenlernens bereits durchlaufen. Das funktioniert allerdings nur, wenn überhaupt noch eine Sie-Form existiert. Ist diese seit Jahren abgeschafft, so wie in Schweden, ist das Du schlicht normal. Der Effekt wird sich umso mehr abnützen, je stärker der Trend um sich greift.

Ähnliches passiert in der digitalen Kommunikation. Auf Whatsapp und anderen Kanälen schicken die Nutzer Smileys mit Herzchen am Laufband los. Ob hinter den Emojis jedes Mal auch Emotionen stehen, bleibt dahingestellt. Und je länger, je mehr beginnen wir, die angeblichen Affekte als eine zeitgemässe Form der Höflichkeit zu verstehen.

Der unkomplizierte Du-Ansatz birgt auch das Risiko von Missverständnissen: Wenn das Personal quasi mit den Gästen befreundet ist, macht das die Angestellten irgendwie auch persönlich verantwortlich, wenn einmal etwas schiefläuft. Hotels, die mit ihren Gästen das Du pflegen, haben dem Vernehmen nach festgestellt, dass bei Reklamationen die Sprecher zurück in die Sie-Form wechseln. Mag sein, dass Du-Kultur-Hotels dann eben auch mit Gästebeschwerden auf neue und niederschwellige Art umgehen sollten. Aber bleibt im Alltag Zeit, jedes Mal mit Gästen Reklamationen gemütlich an der Hotelbar bei einem Drink auszudiskutieren? Je nach Herkunft aus anderen Kulturen werden viele Gäste mit der Du-Kultur wenig vertraut sein – und dann die informelle Anrede vielleicht nicht besonders schätzen. Dazu ist es auch eine Frage der individuellen Präferenz.

Das Duzen der Kunden macht dann Sinn, wenn das gesamte Konzept des Hauses mit der Begegnung auf Augenhöhe spielt. Um Gäste authentische Herzlichkeit spüren zu lassen, ist es aber nicht zwingend.