Der Begriff «Employer- Branding» ist im Kampf gegen Fachkräftemangel omnipräsent. Oft wird er aber falsch verwendet. Einige Personalabteilungen denken, dass es dabei um originelle Videos und Inserate, diverse Fringe-Benefits und externe Massnahmen geht. Mit diesen Werkzeugen gewinnen Betriebe schnell neue Mitarbeitende.

Doch: «Werden die Versprechen nicht eingelöst, sind die Mitarbeitenden auch bald wieder weg, und der ganze Aufwand war für nichts», sagt der akkreditierte Coach Stephan Beerli vom Coachingprogramm von HotellerieSuisse, das durch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) unterstützt wird. Beerli ist neben seiner selbstständigen Berater­tätigkeit auch Fachhochschuldozent an der HSO Wirtschaftsschule Schweiz für die Themen Führung und Teamentwicklung. Er erklärt, worauf es beim Employer-­Branding wirklich ankommt. 

Mit zwölf Inputs zum Erfolg
Dos
- Vertrauen schenken
- Sinnhaftigkeit aufzeigen
- Wachstum ermöglichen
- Verantwortung übertragen
- Regelmässig kommunizieren
- Wertschätzung/  Feedback pflegen

Donʼts 
- nur monetär belohnen
- Laisser-faire-Führungsstil
- Hierarchiedenken fördern
- Wissen nicht teilen
- Scheitern als Fehler taxieren
- Entscheidungen hinausschieben

Die Strategie zuerst
«Employer-Branding beginnt nicht bei der Gestaltung eines Inserats, sondern immer bei der DNA des Betriebes», betont Beerli. Er bezeichnet es gar als Fehler, wilden Aktivismus zu entwickeln, statt zuerst ein strategisches Fundament zu schaffen. Deshalb rät er, sich erst um die HR-Strategie und die Firmenkultur zu kümmern. Die Fragen beim ersten Treffen im Rahmen des HotellerieSuisse-­Coachings lauten darum: Welche Haltung und Werte vertritt der Betrieb? Was ist das Verständnis der Zusammenarbeit? Und: Wie ist das Unternehmen positioniert?

Das Employer-Branding leben
Die Ausarbeitung der HR-Strategie ist kein Spaziergang, sondern harte Arbeit. Alte Muster müssen überdacht und neue eingeprägt werden. «Ein Employer-Branding, das seine Wirkung entfalten soll, wird von den Führungskräften vorgelebt», so der Fachhochschuldozent. So können sich die Werte von der Führungsetage auf die Mitarbeitenden übertragen. «Eine gute Führung motiviert, verbessert die Leistung und führt zu glücklichen Gästen.»

Motivierte Mitarbeitende
Mitarbeitende positiv zu führen, sei schon immer von grosser Bedeutung gewesen, doch gerade jüngeres Personal stelle höhere Anforderungen an die heutigen Chefs, erklärt Stephan Beerli. Habe man früher auf enge Vorgaben und Anleitung gesetzt, heisse das Zauberwort heute Empowerment oder Befähigung. Motivation gelinge durch einen Vorschuss an Vertrauen und Verantwortung: «Die Mitarbeitenden möchten selbstständig wichtige Aufgaben erfüllen, die sie ohne ständige Kontrollblicke erledigen», so der Coach. Den Begriff «Kontrolle» dürfe man aber niemals verwechseln mit Austausch, denn dieser sei bei der Generation Z besonders wichtig. «Die Generation Z möchte informiert und reflektiert sein», so Beerli.

Ein Mitarbeitergespräch pro Jahr reicht nicht mehr aus, um die Generation Z abzuholen. Besser sind kurze, regelmässige Besprechungen, die wöchentlich stattfinden. Durch den intensiveren Austausch sind die Chefs näher an den Mitarbeitenden. Sie können so besser einschätzen, wo sie stehen, was sie bewegt, wo es Fragen gibt und wie sie sich weiterentwickeln möchten.

Employer-Branding beginnt immer bei der DNA des Betriebes.
Stephan Beerli, Dozent an der HSO Wirtschaftsschule Schweiz

Weiterentwicklung und Wachstum offerieren
Die Möglichkeit zur Weiterentwicklung ist denn auch zentral für den Verbleib im Betrieb. Fragt man die Arbeitnehmenden bereits bei der Anstellung nach ihren Zielen und Perspektiven, geht der Arbeitgeber bedürfnisorientiert und somit motivierend vor. Je nach Lebenssituation sind die Anliegen unterschiedlich: Weiterbildung, Familienplanung, alternative Arbeitszeitmodelle oder der Wunsch nach Reisen sind nur einige davon. 

Bestehende Mitarbeitende gewinnen neue Fachkräfte
In die Führung zu investieren, lohnt sich immer. «Motivierte Mitarbeitende arbeiten besser und sind damit erfolgreicher, was sich an den Zahlen, in der Reputation und sogar bei den Chancen auf dem Arbeitsmarkt zeigt», präzisiert Beerli. Eine besonders nachhaltige Geschichte schreibt ein Betrieb dann, wenn seine Mitarbeitenden im beruflichen oder privaten Netzwerk neue Fachkräfte rekrutieren. «Die Mitarbeitenden wollen ihren Chef sowie das Team nicht enttäuschen, und deshalb bringen sie nur gute Arbeitskräfte, die auch in den Betrieb und zur Kultur passen.» 

Dass es dadurch Seilschaften gibt, kann vorkommen, doch laut Beerli überwiegen die Vorteile: Die Vermittlungsgebühr motiviere die Mitarbeitenden, und sie gäben sich beim On­boarding der neuen Kollegen besonders viel Mühe. Bei einem gelungenen Employer-Branding identifizieren sich die Mitarbeitenden mit dem Betrieb, und dies wird sich auf allen Ebenen positiv auswirken.

Anmeldung zum Coachingprogramm
HotellerieSuisse lancierte mit Unterstützung des Seco ein Coachingprogramm für die Beherbergungsbranche. Teilnehmende Betriebe profitieren von fünf Coachingtagen im Gesamtwert von maximal 6600 Franken. Das Programm richtet sich an kleinere und mittlere Individualbetriebe mit zehn bis sechzig Zimmern, die eine offizielle Sterneklassifizierung haben oder bei HotellerieSuisse auditiert sind. Die Anmeldung zum finanzierten Programm ist noch bis zum 31. Januar 2024 möglich.

 hotelleriesuisse.ch/coaching