Fast wöchentlich kann sich Jörg Arnold über Tripadvisor-Einträge freuen, die sein Zürcher Hotel Storchen punkto Lage rühmen. «Wunderschöne Lage», lassen die Hobby-Bewerter die ganze Welt wissen, sie schreiben von einem «Juwel im Herzen der City» und rühmen die «Spitzenklasse in Spitzenlage». Tatsächlich liegt das 4-Sterne-Hotel fast unübertreffbar zentral, direkt an der Limmat, nur wenige Gehminuten entfernt von Limmatquai und Paradeplatz. Eine solche Mikrolage ist ein Aktivposten, den man mit keinem Geld der Welt neu schaffen könnte.

Doch jetzt wird die zentrale Position des Hauses zur grossen Herausforderung: In nur sechs Wochen soll der «Storchen» entscheidend neu eingerichtet und ausgestattet werden. 35 von insgesamt 66 Zimmern werden grundlegend umgebaut, Treppenhaus, Hotelhalle und Korridore grundsätzlich aufgefrischt. «Storchen»-Chef Arnold muss schauen, dass der grosse Umbau des Hauses mitten in der City in kürzester Zeit zu bewerkstelligen ist. Wer die politischen Geschehnisse in der Limmatstadt auch nur ein wenig verfolgt, ahnt eine herkulische Herausforderung.

Was ansteht, ist nicht weniger als ein «Big Bang» mitten in einer Stadt, die keinen Ruf hat als Liebhaberin von Extra-Autofahrten und in aller Regel geringe Reputation aufweist für unkomplizierte Regelungen von Grossevents. Der «Storchen»-Gastgeber sieht das Ganze als «sehr ambitiöse Sache». Und schiebt nach: «Eine sehr ambitiöse Sache, die sehr minutiös vorbereitet worden ist.»

Handwerker als temporäre Hotelgäste
Für ein Hotel, das punkto Individualverkehr nur durch Nadelöhre zugängig ist, war es keine Option, Kolonnen von Lastwagen tagtäglich ein- und ausfahren zu lassen. Zumal es auch die noblen Boutiquen in unmittelbarer Nachbarschaft an der Storchengasse kaum geschätzt hätten, ständig von Brummis beehrt zu werden. Nur schon im Sinne einer guten Nachbarschaft musste das Umbau-Thema innovativ angedacht werden. Eine Lösung ergab sich daraus, dass eine gute Zahl der Zimmer nicht im Umbau begriffen ist. Zwar bleibt der «Storchen» für die Umbauzeit von 3. Januar bis 20. Februar vorübergehend geschlossen, doch die nicht vom Erneuerungsprozess erfassten Zimmer können genutzt werden: als Unterkunft für Handwerker.

Arnold zeigt den personellen Konstruktions-Kraftakt so auf: «Insgesamt werden jeweils bis zu 150 Arbeiter auf dem Platz sein, etwa 25 bis 30 werden durchschnittlich in unserem Haus nächtigen.» Das spart An- und Abfahrtswege – und es ermöglicht den Baustellenprofis, früh ans Werk zu gehen. Denn gebaut werden soll jeweils von Montag bis und mit Samstag, von sechs Uhr in der Früh bis elf Uhr nachts.

Von der etwa hundertköpfigen Belegschaft des Hotels werden um die 20 permanent im Haus sein – unter anderem auch deshalb, weil die Macher von der Baustelle im «Storchen»-Restaurant verpflegt werden. «Zwei Hauptmahlzeiten pro Tag werden serviert», sagt Arnold, «wahrscheinlich ziemlich viele Kohlenhydrate und auch mal ein gutes Stück Fleisch.» Das gleiche Mass an Gastfreundschaft und Verbindlichkeit, das man normalerweise gegenüber der Hotel-Klientel aufbringe, wolle man nun den Arbeitern von der Baustelle bieten.

Bau-Vorstufe in Industriehalle in Dietikon
Um den Aufwand vor Ort auf ein Minimum zu beschränken, setzt man beim Umbau im Herzen von Zürich auf einen Vorort, der in der Regel einiges weniger an Glamour abbekommt als die Bankenmetropole. Dietikon, etwa eine halbe Autostunde östlich vom «Storchen» gelegen, nimmt eine Rolle als Vorplanungsstufe ein. Arnold erklärt: «In Dietikon haben wir eine 1800 Quadratmeter grosse Industriehalle gemietet. Dort sind alle zu renovierenden Zimmer am Boden eingezeichnet, damit man auf diesem Platz die Räume vor-bauen, zusammensetzen und einrichten kann.» Auf diese Weise wird quasi in der Agglomeration der zu renovierende Teil des «Storchen» vorgespurt, damit dieser dann ohne Friktionen am tatsächlichen Ort des Geschehens mit einem Minimum an Aufwand und Verwechslungsgefahr installiert werden kann.

Was an altem Mobiliar nicht mehr benötigt wurde, konnte nicht an einer öffentlichen Versteigerung präsentiert werden – dafür reichte die Zeit nicht. Rund 300 Objekte – Tische, Stühle, Spiegel, Kerzenständer – wurden in der Zeit vor dem Umbau mit Preisschildern versehen, die potenziellen Käufer mussten alles bis am 3. Januar bezahlt und abgeholt haben. Danach galt: rien ne va plus.

Kurze Wege in der Stadt, Handwerker, die am Ort des Geschehens einquartiert sind, der Vorbau-Plan in der Zürcher Agglomeration – die Operation am offenen Herzen mitten in der Stadt Zürich ist minutiös eingefädelt. Wohl auch deshalb ist es mit der Stadt Zürich bezüglich Bewilligungen zu keinen Gefechten gekommen. Arnold jedenfalls sagt, dass die Zusammenarbeit mit den Behörden «hervorragend» geklappt habe. Alle teilnehmenden Firmen erlebe er als «hochmotiviert», die anspruchsvolle Arbeit in der kurzen Zeit durchzubringen. Arnold jedenfalls gibt zu Protokoll, dass man so überzeugt sei vom Einhalten aller Terminpläne, dass schon gar keine Konventionalstrafe für allfällige Nichterfüllung mit den teilnehmenden Partnerfirmen vereinbart worden sei: «Eine Konventionalstrafe gibt es nur für den Architekten und mich».

Für die Zeit des Umbaus weite er seine übliche Rolle als Gastgeber aus, sagt Arnold: «Nun werde ich zusätzlich zur rechten Hand von Architekt und Bauführer.» Das zeigt sich auch daran, dass Arnold sein General-Manager-Hauptquartier in der Zeit des Umbaus räumen muss: «Mein altes Büro wird nach Wiedereröffnung am 20. Februar in einem Teil der neuen Lobby aufgehen, mein neuer Arbeitsort wird näher an der Réception liegen. Für die Zeit des Umbaus kann ich das Hotelzimmer 323 als Büro benutzen.»

Die kostenträchtige Umbauphase des «Storchen» sieht Arnold auch im Zeichen der neuen Hotel-Realität in Zürich. «Lieber das beste 4-Sterne-Superior-Hotel als das schlechteste 5-Sterne-Haus am Platz sein» – das war jahrelang die Devise des General Managers. «So dachte ich noch bis vor drei Jahren», sagt Arnold, «doch weil sich die Hotelwelt in Zürich drastisch verändert hat, rückte ich ab von dieser Philosophie.»

Ein fünfter Stern – zunächst gleiche Preise
Weil eine Vielzahl neuer Zimmer auf den Markt kam, hätten sich die Preise auch im hochsternigen Segment immer mehr verwässert. Mit der Folge, dass 5-Sterne-Häuser mit ihrem Pricing öfters unter den «Storchen»-Durchschnittspreis von 490 Franken getaucht seien. Da sei es zum Thema geworden, selber auch den fünften Stern anzustreben. «Nicht aus Prestige oder persönlichem Ehrgeiz heraus – sondern rein aus wirtschaftlichen Gründen.» Bereits heute erfülle man die Kriterien für den fünften Stern, einzig das Erfordernis des 24-Stunden-Speisenangebots im Roomservice fehle noch, werde nun aber eingeführt.

Schon im März 2017 soll es zum Sterne-Audit kommen, sagt Arnold. Die Preise aber, so der «Storchen»-Chef, würden zunächst auf dem bisherigen Niveau gehalten: «Weil wir viele Stammgäste haben, die dem Haus jahrelang ihre Treue bewiesen haben und uns zu dem gemacht haben, wo wir heute stehen. Wir wollen zunächst beweisen, dass wir den neuen Ansprüchen und dem angestrebten Niveau gerecht werden.»

Umbau: 10 bis 20 Millionen Franken in sechseinhalb Wochen
In nur sechseinhalb Wochen soll der «Storchen» in Zürich umgebaut werden. Ein Vorhaben, das von langer Hand geplant wurde: Im November 2015 unterbreitete Jörg Arnold dem Verwaltungsrat seine Vorschläge, ergänzte sie im März 2016 mit dem finalen Zahlenwerk – und erhielt im Juni 2016 grünes Licht für das Bauvorhaben, das zwischen 10 und 20 Millionen Franken kostet. Gewählt wurde eine Zeit, die – bis auf das World Economic Forum in Davos – in der Regel als Zürcher Nebensaison gewertet wird. Das Haus zum Storchen, das eine 650-jährige Gasthaustradition aufweisen kann, gehört der IHAG Holding – wie auch das Hotel Castello del Sole in Ascona. An der Spitze der IHAG Holding steht der Bührle-Enkel Gratian Anda.