Ferien – sind keine Selbstverständlichkeit. Die Schweizer Arbeitnehmer mussten sich die arbeitsfreie Zeit einst hart erkämpfen. Das ging über Jahrzehnte und nur schrittweise: Zuerst wurden die Ferien in Gesamtarbeitsverträgen festgeschrieben. Im Arbeitsgesetz sind sie erst seit 1966 verankert.

Es war in den 1930-er und 1940-er Jahren, als vielen Arbeiterinnen und Arbeitern erstmals ein bis zwei arbeitsfreie Wochen zugestanden wurden. Bloss wohin für die verdiente Erholung? Reisen ins Ausland konnten sie sich nicht leisten. Günstige Angebote waren gefragt. Dies war denn auch die Zeit, in der die Schweizer Reisekasse Reka gegründet wurde oder Gottlieb Duttweiler das Reisebüro Hotelplan lancierte. Und die Gewerkschaften sich Hotels kauften.

Ab 1936 Chalets gekauft
Der Schweizerische Metall- und Uhrenarbeiterverband (SMUV), der 2004 in der Unia aufging, kaufte 1936 erste Chalets in Lenk (BE), dann ein Ferienheim am Vierwaldstättersee in Vitznau (LU) – und ein weiteres in Gersau (SZ). Zum Angebot gehörten auch eine Ferienanlage in San Nazzaro im Tessin oder das Hôtel de France in Sainte Croix (VD). Ferienhäuser des SMUV gab es aber beispielsweise auch in Walzenhausen (AR).

An die grossen Zeiten der Gewerkschaftshotellerie erinnert das Buch «Vorwärts zum Genuss», für das Stefan Keller, Journalist und Autor («Grüningers Fall») als Herausgeber firmiert. Keller erzählt die Geschichte der Häuser nicht selber nach, sondern ergänzt seinen eigenen informativen Text über den Kampf um die Ferien mit anderen Stimmen.

So schickte er drei Autorinnen (Dorothee Elmiger, Annette Hug, Suzanne Zahnd) und zwei Autoren (Adrian Riklin, Guy Krneta) auf die Spurensuche in fünf Hotelbetriebe, die inzwischen alle nicht mehr in Besitz der Gewerkschaften sind. Er liess die Journalistin Sina Bühler Erinnerungen ehemaliger Feriengäste einsammeln und gab dem Fotografen Florian Bachmann den Auftrag, seine eigenen Eindrücke abzubilden.

Ärger über andere Gäste
Wie nebenbei werden dabei viele kleine oder grosse Geschichten erzählt. Etwa diejenige des Wiener Dirigenten und Musikprofessors Kurt Pahlen, der Ende der 1930-er Jahre als Flüchtling vor den Nazis zuerst im Auftrag der Arbeiterbildungszentrale in Lenk die Sommerakademie leitete und ein halbes Leben später in Vitznau die Musikferien unterstützte. Dazwischen war Pahlen unter anderem als Nachfolger von Arturo Toscanini Dirigent in Buenos Aires.

Zu den Nebengeschichten gehört die Episode über die Gewerkschaftshotelgäste, die sich derart über Grosskonzerne und Banken ärgerten, die in den 1980-er Jahren im gleichen Haus Tagungen abhielten, dass sie einen Protestbrief verfassten.

Entstanden ist ein lebendiger Rückblick auf eine Zeit, als es noch keine Billigflüge oder All-inclusive-Kreuzfahrten gab. Die grosse Zeit der Gewerkschaftshotels wird aber nicht nostalgisch verklärt: Die Autorinnen und Autoren fragen neugierig nach, wie es denn so gewesen sein muss, als die Arbeiterinnen und Arbeiter gemeinsam die Ferien entdeckten und in den aus ihren Mitgliederbeiträgen finanzierten Hotelbetrieben logierten.

Sehr wahrscheinlich wurde dabei nicht nur an der Sonne gelegen. Dies zumindest schloss Fotograf Bachmann an einer Lesung in St. Gallen aus seinen Recherchen: In den Archiven habe er kaum Fotos gefunden, die zeigten, wie sich die Feriengäste entspannten. Dafür zahllose Bilder von Tagungen, Lehrgängen oder Weiterbildungen, die die Gewerkschaften in den Sälen der Hotels abhielten. (sda/Andreas Kneubühler)