Mehr als zwei Drittel der Hotels hatten letztes Jahr Mühe, offene Stellen zu besetzen. Das zeigt eine letzte Woche veröffentlichte Umfrage zum Fachkräftemangel von HotellerieSuisse. Besonders in der Gastronomie fehlen die Leute (siehe Grafiken unten). Zudem geht der Mangel mittlerweile über die Fachkräfte hinaus. 85 Prozent der Betriebe meldeten dem Verband, es sei schwieriger oder eher schwieriger geworden, Hilfskräfte zu finden.

Fit für Fachkräfte

Der Fachkräftemangel in der Gastro- und Beherbergungsbranche hat sich während der Pandemie akut verschärft.

In einer losen Artikelserie beleuchtet die htr hotel revue das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven und zeigt verschiedene Ansätze auf, wie die Branche das Problem angeht. Ganz nach dem Motto: Fit für Fachkräfte.

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Die Erhebung des Verbands deckt sich mit Daten des Bundesamts für Statistik. Gemäss diesen hatten seit 2004 noch nie so viele Unternehmen im Gastgewerbe Schwierigkeiten, ungelernte Hilfskräfte zu finden wie aktuell. Für die Fachkräfte mit Lehrabschluss, weiterführender Berufsbildung oder Hochschulabschluss sind die Zahlen ebenfalls nahe den Höchstständen.

Obwohl sich weder die Logiernächtezahlen noch die Umsätze des Gastgewerbes normalisiert haben, ist der Fachkräftemangel bereits wieder so akut wie vor Corona. Denn seit der Pandemie sind deutlich weniger Fachkräfte aus dem Ausland gekommen. 2019 wanderten 31 636 Ausländerinnen und Ausländer ein, um im Gastgewerbe zu arbeiten, 2020 waren es noch 22 966. Zudem haben Fachkräfte die Branche verlassen. Gemäss einer Umfrage des Personalvermittlers Coople haben fast zwei Drittel der Angestellten im Gastgewerbe, die nach einem Stellenverlust einen neuen Job gefunden haben, die Branche gewechselt.

Kritik gibts vor allem für die Führungskräfte und die Arbeitszeiten
Weshalb fühlen sich viele Angestellte in der Branche offenbar nur bedingt wohl? Und gibt es diesbezüglich Unterschiede zwischen den Berufsgruppen? Auf der Suche nach den Gründen erfährt man Aufschlussreiches. Zwar ist der Fachkräftemangel nicht in jeder Berufsgruppe gleich stark ausgeprägt. Mit anderen Worten: Es scheint im Gastgewerbe tatsächlich Berufe zu geben, die attraktiver sind als andere. Trotzdem unterschieden sich die Sorgen des Personals je nach Beruf kaum. «Auch wenn die Berufe an sich ziemlich unterschiedlich sind, stellen wir in den Gesprächen mit den Lernenden fest, dass sie im Berufsalltag ähnliche Sorgen haben», heisst es seitens Team Bildungsmarketing von HotellerieSuisse.

Auch den meisten ausgebildeten Berufsleuten drückt der Schuh an ähnlichen Punkten: vor allem bei der fehlenden Wertschätzung und den Arbeitszeiten. Das zeigen verschiedene Quellen, etwa die Kritiken auf Kununu.com, einem Portal, bei dem Angestellte ihre Arbeitgebenden bewerten. Dort ist in einer Stichprobe von Hunderten Kommentaren zu über 20 gewichtigen Unternehmen der Branche besonders häufig von «fehlendem Lob», «Druck auf die Mitarbeitenden», «Überstunden» und «Mobbing» die Rede. Eindeutige Unterschiede zwischen den Unternehmen aus der Gastronomie und jenen aus der Beherbergung lassen sich bei den Bewertungen nicht feststellen.

Umfrage identifiziert den Wunsch nach höherem Lohn als Hauptgrund für Wechsel
Und was ist mit dem Lohn? Einige Indizien sprechen dafür, dass er nur eine untergeordnete Rolle spielt. Interessanterweise kommt der Lohn etwa in den Kununu-Kommentaren nur selten zur Sprache. Im Lehrlingsbarometer liegt er ebenfalls nur auf Rang fünf der wichtigsten Gründe für einen Branchenwechsel. Zudem ist die Rate der Lernenden, die ihren Lehrvertrag auflösen, im Gastgewerbe deutlich höher als in anderen Berufen – obschon die Lehrlingslöhne dort zu den höchsten zählen.[DOSSIER]

Daraus zu schliessen, das Gehalt spiele keine Rolle, wäre allerdings fatal. In der Coople-Umfrage zum Beispiel wurde der «Wunsch nach besserer Bezahlung» am häufigsten als Beweggrund für einen Wechsel aus dem Gastgewerbe genannt. Und auf Kununu erreichen die ausgewerteten Branchengrössen in der Kategorie «Karriere/Gehalt» im Schnitt eine schlechtere Note als bei «Unternehmenskultur» und «Arbeitsumgebung». Vermutlich manifestieren sich die Klagen über hohe Arbeitsbelastung und schlechte Arbeitszeiten auch deshalb, weil die Jobs unterdurchschnittlich entlöhnt werden.

Küche

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offene Stellen gab es Ende Jahr in Schweizer Küchen – 2241 davon betrafen Köchinnen und Köche. Zum Vergleich: In Küchen arbeiten insgesamt um die 76 000 Personen. Quelle: bfs

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Die drei Hauptgründe, die gegen eine Zukunft im Beruf sprechen:

1. Fehlende Planbarkeit des Privatlebens
2. Fehlende Wertschätzung durch Vorgesetzte
3. Arbeitszeiten

Quelle: Lehrlingsbarometer 2020; HGU

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Service

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offene Stellen gab es Ende Jahr im Service – 1559 davon betrafen Servicefachkräfte. Zum Vergleich: Im Service arbeiten insgesamt um die 90 000 Personen. Quelle: bfs

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Die drei Hauptgründe, die gegen eine Zukunft im Beruf sprechen:

1. Fehlende Planbarkeit des Privatlebens
2. Fehlende Wertschätzung durch Vorgesetzte
3. Arbeitszeiten

Quelle: Lehrlingsbarometer 2020; HGU

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Empfang

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offene Stellen gab es Ende Jahr im Bereich Hotelempfang – 270 davon betrafen Réceptionistinnen und Réceptionisten. Zum Vergleich: Am Empfang arbeiten um die 10 000 Personen. Quelle: bfs

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Die drei Hauptgründe, die gegen eine Zukunft im Beruf sprechen:

1. Fehlende Planbarkeit des Privatlebens
2. Arbeitszeiten
3. Fehlende Wertschätzung durch Vorgesetzte

Quelle: Lehrlingsbarometer 2020; HGU

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Housekeeping

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offene Stellen gab es Ende Jahr im Housekeeping – 681 davon betrafen Reinigungspersonal und Hilfskräfte. Zum Vergleich: In dem Bereich arbeiten insgesamt fast 100 000 Personen. Quelle: bfs

Die Frage, wie stark der Fachkräftemangel beim Housekeeping zu spüren ist, hat HotellerieSuisse in der Lageeinschätzung im Herbst nicht gestellt. Rückmeldungen aus der Branche lassen den Schluss zu, dass er dort zwar nicht derart ausgeprägt ist wie bei den Gastroberufen, aber nicht unterschätzt werden darf. Die Tatsache, dass bei den Hilfskräften der Personalmangel in der zweiten Jahreshälfte 2021 deutlich geworden ist (im Housekeeping werden derzeit – anders als in den sonstigen Bereichen – vor allem Hilfskräfte gesucht), unterstreicht diese Rückmeldungen. Gleichzeitig ist die Zahl der offenen Stellen im Verhältnis zur Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich sowohl bei den Fach- als auch den Hilfskräften aber vergleichsweise niedrig.

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Die drei Hauptgründe, die gegen eine Zukunft im Beruf sprechen:

1. Beruf gefällt nicht
2. Lohn
3. Fehlende Wertschätzung durch Vorgesetzte

Quelle: Lehrlingsbarometer 2020; HGU

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Mischa Stünzi