Martin Volkart, an welchen Projekten arbeiten Sie gerade?

Wir arbeiten jeweils gleichzeitig an einer Reihe von Projekten. Einzelne davon können mehrere Jahre dauern, andere sind zeitlich auf einige Monate limitiert. Im Moment sind wir zum Beispiel beim Umbau des Casino Bern engagiert. Und seit langer Zeit begleite ich die Universität Zürich für die Konzeption der Mensa. In fünf bis sechs Jahren ist hier die Eröffnung eines grossen neuen universitären Zentrums geplant, bei welchem auch eine innovative Gastronomie ein zentrales Element ist. Ein weiterer Auftraggeber ist etwa die Bâloise Versicherung, die derzeit in Basel einen neuen Hauptsitz baut, in welchem die Gastronomie neu angedacht wird. Auch im Projekt Schloss Rapperswil sind wir mit von der Partie.

Welches ist bei diesen Projekten konkret Ihr Beitrag?

Dies ist unterschiedlich und hängt von der jeweiligen Situation ab. Von den eingangs erwähnten Projekten ist eines ein strategisches Nutzungskonzept mit anschliessender Mitarbeit in der Jury. In diesem Fall spielen auch Gastronomie und Events eine wichtige Rolle. Oft handelt es sich um strategische Fragen, um Positionierung, Nutzung und Ausrichtung. Eine weitere Möglichkeit sind Konzeptentwicklungen. Mit dieser Detailarbeit befinden wir uns bereits eine Stufe unter der strategischen Diskussion. Begleitung zur Qualitätssicherung ist auch eine unserer Aufgaben. Wir können als Projektleiter, Mitglied eines Projektteams oder in beratender Art tätig sein.

Und konkret beim Casino Bern?

Wir waren eines von zwei Büros, die von der Burgergemeinde für die Sanierung des Casinos angefragt wurden. Dabei ging es um die strategische Ausrichtung der Gastronomie. Speziell dabei war, dass die Überlegungen beider Büros quasi deckungsgleich waren. Wenn zwei unabhängig zum gleichen Ergebnis gelangen, gibt dies dem Auftraggeber Sicherheit. Es fand alles sehr transparent statt. Beide Büros und der Auftraggeber führten gemeinsam einen Workshop zur Feinabstimmung und Beantwortung von Fragen durch. Im Unterschied zum anderen Büro empfahlen wir, die Gastronomie künftig nicht auzusourcen, sondern inhouse zu bestreiten und konnten in der Folge das Projekt weiter begleiten.

Wie akquirieren Sie eigentlich Ihre Aufträge?

Wir sind dahingehend privilegiert, dass wir nicht akquirieren müssen. Aufgrund der jahrelangen erfolg­reichen Tätigkeit verfügen wir über ein grosses Netzwerk und werden auch immer wieder weiter empfohlen. Aus früheren Tätigkeiten entstehen oft auch Folgeaufträge.

Erhalten Sie auch Anfragen für Aufträge, welche Sie ablehnen?

Mit den Jahren weiss die Branche, wofür wir stehen. Ganz zentral in der Beratung ist das Vorhandensein einer klaren Aufgabenstellung und eines ebensolchen Auftrags. Je nach Situation kann es sein, dass wir dem potenziellen Auftraggeber eine andere, angepasste Fragestellung vorschlagen. Hält dieser trotzdem an seiner Idee fest, verzichten wir besser. Denn wir wollen uns nicht verbiegen. Wir nehmen auch keine Mandate an, aufgrund welcher sich eine Konkurrenzsituation zu unseren eigenen Betrieben, wie etwa in Solothurn, ergeben würde. Denkbar ist auch, dass wir wegen fehlender Kapazitäten ablehnen müssen.

Zur Person: Auf verschiedenen Ebenen mit der Branche verbunden
Martin Volkart (61) führt seit 1990 in Solothurn ein eigenes Büro für Unternehmens- und Projektentwicklungen in Hotellerie und Gastronomie. Er ist Präsident und gemeinsam mit Andreas ­Richard Eigentümer der Volkartund­richard AG. Zu den Aufgaben des Unternehmens gehören auch die Selektion von Mietern und Betreibern sowie Beratung und Coaching. Martin Volkart, Absolvent der EHL, war von 1983 bis 1989 für die Eröffnung und Leitung des Hotels Ucliva in Waltensburg, dem ersten Ökohotel in den Alpen, zuständig. Volkart engagiert sich in mehreren Betrieben. So ist er Delegierter des Vorstandes der Genossenschaft Baseltor in Solothurn und Verwaltungsrats-Präsident und Miteigentümer der Krafft AG, Basel. Daneben hat er weitere verschiedene Verwaltungsrats-Mandate inne. Ebenso ist Martin Volkart Coach des Businesscases Modul Hospitality NDS von hotelleriesuisse.

Welches sind die ersten Schritte nach Annahme eines Auftrages?

Im Anschluss an die geklärte Fragestellung folgt ein analytischer Teil zur Eruierung von Chancen und Risiken sowie Stärken und Schwächen. Daraus wird ein Fazit gezogen. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Aufgabestellung danach korrigiert werden muss. In einem weiteren Schritt folgt die Erarbeitung möglicher Szenarien, etwa bezüglich Ausrichtung, Grösse, Finanzierung oder Betreibermodell. Nachdem man sich auf ein Szenario festgelegt hat, wird ein Nutzungs­konzept mit entsprechendem Businessplan erstellt. Um alle grösseren Schritte auszulösen, sitzt man jeweils mit dem Auftraggeber zusammen. Möglich ist auch der Beizug externer Fachleute, etwa bezüglich Bau oder Interior Design.

Interior Design ist sicher auch Teil Ihrer Konzeptarbeit?

Architektur und Interior Design gehören zu den persönlichen Interessen meines Geschäftspartners Andreas Richard und von mir. In unseren eigenen Betrieben, wie etwa dem Parkhotel Bellevue & Spa in Adelboden, den Basler Hotels Nomad und Krafft sowie dem Hotel La Couronne in Solothurn haben wir diesbezüglich schon einiges entwickelt und realisiert. Wir verstehen die Sprache sowohl der Architekten als auch der Betreiber. Es geht darum, das Schöne mit der Funktionalität in eine Balance zu bringen. Im Bereich der Konzeptentwicklung definieren wir zwar, wie die Räumlichkeiten sinnlich erlebbar sein sollen. Für die konkrete Umsetzung sind jedoch Interior Designer notwendig. Dieser Aspekt ist ein ganz spezifisches Feld, welches in der Regel nur von spezialisierten Büros entwickelt werden kann. Dies natürlich immer im Teamwork.

Finden Sie Hotel- oder Gastrokonzepte interessanter?

Dies lässt sich nicht generell sagen, es hängt stark von der jeweiligen Situation beziehungsweise vom jeweiligen Objekt ab. Wir arbeiten auch oft an Konzepten für nicht reine Gastrobetriebe, sondern etwa im Kontext eines Museums, eines Bildungsinstituts oder auch im Bereich Wohnen im Alter.

Wie stark bestimmen Vorgaben der Auftraggeber Ihre Arbeit, und wie viel eigene Kreativität können Sie einfliessen lassen?

Kreativität spielt in unserer Branche eine wichtige Rolle. Sie darf jedoch nicht um jeden Preis das Projekt bestimmen, denn Kreativität ist nicht zwingend mit Qualität gleichzusetzen. Es ist auch möglich, dass man ein Konzept aus dem Ausland übernimmt und adaptiert. Es gibt in London gute Konzepte, die heute in Solothurn nicht funktionieren würden, aber vielleicht in fünf Jahren.

Aber etwas völlig Neues kreieren Sie auch?

Es kann vorkommen, dass jemand mit diesem Wunsch an uns gelangt. Bezüglich des Anspruchs einer Neuerfindung habe ich aber etwas Bedenken. Denn in der heute globalisierten Welt gibt es nicht allzu viele Neuerfindungen.

Wie können Sie verhindern, dass Sie nach so vielen Jahren Konzeptentwicklung sich nicht auf festgefahrenen Bahnen bewegen und immer wieder kreativ sein können?

Man muss immer neugierig bleiben und mit offenen Augen durch die Welt gehen. Wir reisen sehr viel und schauen uns vieles an. Wenn man Freude an der Arbeit hat und im Austausch nah an der Branche dran ist, das heisst auch gerne Restaurants und Hotels besucht, bleibt man am Ball. Klar hat man sich mit der Zeit einen gewissen Stil angeeignet. Man muss sich aber immer bewusst sein, dass es immer Teamarbeit ist und andere gewisse Dinge besser beherrschen.

Welche Rolle spielen neue Gastrotrends, wie etwa die vegane Küche, für Ihre Arbeit?

Trends sind ein wichtiger Aspekt. Wir analysieren immer, welche Trends für welches Projekt relevant sein könnten. Dies kann den Food-, den Beverage-­Bereich oder die Positionierung betreffen. Allerdings sind nicht alle Projekte gleich trendrelevant. Es muss auch nicht immer alles speziell innovativ sein. Anderes hingegen muss völlig neu gedacht werden. Kein grosser Trend ist die vegane Küche. Rund ein Prozent der Bevölkerung ernährt sich vegan. Doch ist es durchaus legitim, ein veganes Restaurant zu eröffnen oder ein veganes Gericht auf der Speisekarte eines nicht veganen Restaurants anzubieten. Sicher ein Trend im Foodbereich ist gegenüber früher die grössere Zurückhaltung der Konsumenten gegenüber dem Fleischkonsum – Stichwort Flexitarier.

In welche Richtung gehen aktuell die innovativen Gastrokonzepte?

Was heute sicher nicht mehr funktioniert, ist das Klassische – weder in den Städten noch auf dem Land. Ein grosser Trend ist heute in der Gastronomie die Inszenierung, indem die Küche vor dem Gast als Bühne bespielt wird. Dabei wird vor dem Gast oder mit dem Gast gekocht. Oder man kombiniert Kultur mit Gastronomie. Die Herausforderung für uns Konzeptentwickler ist, eine starke Idee aus allen wichtigen Elementen zusammenzubauen.

Sie sind in mehreren Betrieben als Miteigentümer und Verwaltungsrat engagiert. Ist dies jeweils auf Ihre Konzeptarbeit zurückzuführen?

Die Engagements in der Genossenschaft Baseltor in Solothurn sind auf die Zeit zurückzuführen, als ich das Kollektiv beim Standortwechsel vor vielen Jahren beraten durfte. Im Falle des Hotel Krafft war es eine Anfrage für den Einsitz im Verwaltungsrat, verbunden mit dem Einbringen von Know-how. Eine Weiterentwicklung der Krafft-Gruppe erfolgte mit der Eröffnung des Hotel Nomad. In beiden Unternehmen waren die letzen Jahre mit spannenden Projektentwicklungen verbunden. Je nach Mandat ist die Ausgangslage aber unterschiedlich. Man sucht jemanden für den Verwaltungsrat, woraus dann ein Beratungsmandat resultiert. Oder umgekehrt aufgrund der Beratertätigkeit will der Auftraggeber den Kontakt intensivieren, und es stellt sich die Option für ein längerfristiges Engagement, zum Beispiel im Verwaltungsrat. Ganz wichtig dabei ist jeweils die Com­pliance, das heisst die Transparenz. Unser Vorteil ist es insgesamt, dass wir nicht nur Berater sind, sondern auch Unternehmer, welche eigenes Geld in Hotels und Restaurants investiert haben. Deshalb schätzen es Auftraggeber, dass unsere Empfehlungen auch einen stark unternehmerischen Hintergrund haben.