Aus gutem Grund wurde ein bedingungsloses Grundeinkommen bisher nicht angenommen von der Bevölkerung. Ein starrer Mindestlohn, welcher einem Lohnniveau einer abgeschlossenen Lehre gleichkommt, wird nun als nächster Versuch ins Feld geführt und stellt unser gesamtes nationales Bildungs- und Sozialsystem infrage, ja, bringt sogar eine grosse Unruhe in über Jahrzehnte gewachsene und weitum anerkannte Eckpfeiler.

Regelmässig setzten sich bisher Arbeitgebende- und Arbeitnehmenden-Vertretende an den Tisch und verhandelten den L-Gav (landesweiten Gesamtarbeitsvertrag) neu. Welche Bildungsstufe hat national welche Bedeutung und wird wie eingestuft zwischen anderen Berufen? Wie viel Ferien, wie viel Bildung, wie viel Sozialleistungen sind passend und fair? Regelmässige Verhandlungen mit allen am Tisch garantieren landesweite, breit abgestützte Vorgaben für die gesamte Branche, von denen andere Länder nur träumen können. Nationale Vorgaben bilden die Basis, in den hochpreisigen Städten ergeben sich marktgegeben höhere Löhne.

Auch das durchdachte Bildungssystem ist Triumph. Für die Qualität und Akzeptanz von Aus- und Weiterbildung wird die Schweiz weitum bewundert. Der L-Gav sieht Unterstützungsgelder vor, um die Bildungswelt zu stärken. Landesweite Expertengremien und Bildungsinstitutionen kümmern sich minutiös um Bildungsinhalte- und Titel. Mit Stolz werden solche Papiere im persönlichen Dossier eingereiht: ein Titel aus der Schweiz, das steht für Qualität, das ist etwas wert.

Nun soll genau dieses, harmonische aufeinander abgestimmte und voneinander abhängige Werk, gleichkommend einem Uhrwerk oder einer Tinguely-Maschine, mit einem starren festgelegten Wert torpediert werden: Mit einem fixen Mindestlohn, der viele Parameter ungeklärt lässt und gegenüber Gegebenheiten wie der Teuerung nicht flexibel reagieren kann. Statt errungene und etablierte Systeme wie landesweite Gesamtarbeitsverträge als Wirtschaftsvorteile der Schweiz zu akzeptieren und pflegen, wird nun per Detail-Zwängerei versucht, diese durch fixe Stundenlöhne in Städten zu unterwandern. Ein Mindestlohn, der Verhandlungen am Tisch infrage stellt: warum geben wir uns diese Mühe, wenn dann doch von irgendwo ein Haken ins Uhrwerk getrieben wird und die Arbeit wie eine Farce aussehen lässt? Nationale Sozialpartnerschaften: wertlos.

Um auch ungebildeten Personen eine Heimat bieten zu können, wurde das System in der Vergangenheit sogar noch ausgeklügelt ergänzt: Ein 5-wöchiger Kurs («Progresso», ein Angebot der Hotellerie/Gastronomie) bietet Ungelernten an, in den Markt einzusteigen und anschliessend dem vom Lohnniveau her ausgelerntem Personal gleichgestellt zu sein. Bildung soll weiterhin mit Anreizen verknüpft sein, auch wenn diese auf sehr tiefem Niveau einen sehr grosszügigen Einstieg in die hiesige Arbeitswelt garantiert. So ist die Schweiz eben auch: bedacht darauf, alle Bemühungen zu respektieren, allen eine Chance zu bieten, alle Willigen willkommen zu heissen und zu integrieren. 

Das Leben in der Schweiz ist teuer, in den Städten noch mehr, das muss nicht extra erwähnt werden. Das der Immobilienmarkt in einer nie dagewesenen strukturellen Blase gefangen ist, ist eine unumstrittene und leide Tatsache. Die Lösung solcher strukturellen Gegebenheiten über Löhne anderer Branchen ausgleichen zu wollen, entbehrt hingegen jeglichen Zusammenhangs. Auch die Hotellerie braucht Unterkünfte für Mitarbeitende und auch die Hotellerie wäre sehr erleichtert, wenn Mitarbeitende nicht für verschiedene Schichten von weither pendeln müssten, sondern sich vor Ort ins Quartierleben integriert niederlassen könnten.

Unsere Ausgangslage ist «ein Wort ist ein Wort» - wir vertrauten auf unsere langjährigen und ausgewogenen Partnerschaften. Wir pflegen diese und es ist weiterhin unser oberstes Ziel, diese Werte zu erhalten.  Wir bitten Sie, sich für die errungenen und durchdachten Wertesysteme einzusetzen: Nein zum Mindestlohn am 18. Juni 2024.

Michael Böhler ist Präsident von der Zürcher Hotellerie ZHV und CEO der Meili Selection Hotels.

Michael Böhler