Noch dieses Jahr werde die Schweizer Bevölkerung die 8-Millionen-Grenze überschreiten, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga am Mittwoch bei der Präsentation des Berichts vor den Medien in Bern. Auf die häufig gestellte Frage, wie viele Menschen in der Schweiz Platz hätten, gebe es aber keine Antwort.

Viel wichtiger sei die Akzeptanz. Und diese will der Bundesrat mit seinem 99- seitigen Bericht zu den Auswirkungen der Zuwanderung auf die Gesellschaft, den Arbeitsmarkt, die Löhne, die Sozialhilfe, die Bildung, den Wohnungsmarkt und die Verkehrsinfrastruktur fördern.

Einerseits liefert er erstmals eine umfassende Analyse der Zuwanderung mit ihren Vor- und Nachteilen und andererseits eine Liste der Herausforderungen. Beim Handlungsbedarf überwiegt meistenorts die Erkenntnis, dass die Entwicklungen weiterhin aufmerksam verfolgt werden müssen. Pfannenfertige Lösungen gibt es keine.

Wohnbau fördern
Probleme ortet der Bundesrat beim Wohnungsmarkt. «Beim Zugang zu günstigem, bezahlbarem Wohnraum herrscht innenpolitischer Handlungsbedarf», sagte Sommaruga. Eine Revolution bei der Wohnraumförderung ist aber nicht zu erwarten.

«Wir suchen Wege, damit wir den gemeinnützigen Wohnungsbau fördern können», erklärte Ernst Hauri, Direktor des Bundesamtes für Wohnungswesen. Möglich seien Finanzierungshilfen für die Bautätigkeit oder aber für den Bodenerwerb. In der Raumplanung braucht es gemäss Bericht Massnahmen, die eine dichtere Bauweise – heisst Bauen in die Höhe, Aufstockungen oder Anbauten – ermöglichen.

Dem Druck auf die Infrastruktur wie Strassen oder Eisenbahn will der Bundesrat mit Effizienzsteigerungen begegnen: «Wenn diese Massnahmen nicht ausreichen, soll das Verkehrsangebot mit den dazu nötigen Infrastrukturausbauten erhöht werden.»

Unternehmen fordern
Weil der Schweiz die Fachkräfte fehlen und Nachbarländer immer mehr versuchen, ihre eigenen Spezialisten zu halten, setzt sich der Bundesrat zum Ziel, den Fachkräftebedarf vermehrt durch Personen aus dem Inland zu decken. Als Mittel gegen den Fachkräftemangel nennt der Bericht die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Zentral ist für den Bundesrat die Integration der zugewanderten Arbeitsbevölkerung. Die Unternehmen als Nutzniesser der Schweizerischen Einwanderungspolitik sollen seiner Meinung nach besonders in die Pflicht genommen werden.

Sie sollen aktiv zur Integration ihrer Angestellten beitragen. Das bedeute nicht nur eine arbeitsmarktliche Integration, sondern auch eine soziale, sagte Mario Gattiker, Direktor des Bundesamtes für Migration (BFM) vor den Medien.

Zuwanderung regeln
Bundesrätin Sommaruga betonte am Mittwoch, dass die Zuwanderung nicht nur über das Ausländerrecht und über Integrationsmassnahmen gesteuert wird, sondern vor allem durch die Wirtschaftslage und die Standortattraktivität der Schweiz.

Die Zuwanderung widerspiegle den Erfolg der Schweizer Wirtschaft. Das duale System auf Basis des Freizügigkeitsabkommens mit der EU und der ergänzenden kontingentierten Zuwanderung von gut qualifizierten Arbeitnehmenden aus Drittstaaten habe sich bewährt. «Damit kann gewährleistet werden, dass die Schweizer Wirtschaft ihren Bedarf an Arbeitskräften primär aus den EU-Staaten abdecken kann», hält der Bericht fest.

Die staatliche Zuwanderungskontrolle im herkömmlichen Sinne beschränke sich «auf die Zulassung von Arbeitskräften aus Drittstaaten, den Familiennachzug sowie die Aufnahme von schutzbedürftigen Personen».

Einer Regelung der Zuwanderung, wie dies die SVP-Initiative «gegen Masseneinwanderung» verlangt, erteilte der Bundesrat am Mittwoch eine deutliche Absage. Er lehnt die Zuwanderungs-Initiative ohne Gegenvorschlag ab. «Die vorgeschlagene Regelung ist nicht mit dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU vereinbar», erklärte Sommaruga.

Neuverhandlungen, wie sie die SVP fordert, haben laut Bundesrat keine Aussichten auf Erfolg. Ein Kündigung des Abkommens hingegen «hätte gravierende Konsequenzen für die Schweizer Volkswirtschaft», warnte die Justizministerin.

Entwicklung beobachten
Künftig will sich der Bundesrat «noch intensiver als in der Vergangenheit» mit den Auswirkungen der Zuwanderung in die Schweiz befassen. Dafür wird er einen interdepartementalen Fachausschuss einsetzen, welcher sich regelmässig zu den offenen und kontroversen Fragen ausspricht.

Gemäss Bundesamt für Statistik belief sich die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz im Jahr 2011 auf 7'952'600 Einwohnerinnen und Einwohner, was einem Anstieg von 82'400 Personen im Vergleich zu 2010 entspricht (+ 1 Prozent). Die Zahl der ständig in der Schweiz wohnhaften ausländischen Staatsangehörigen belief sich Ende 2011 auf 1'814'800 Personen. (npa/sda)