In Zürich kann es vorkommen, dass ein Kellner oder eine Serviceangestellte den Gästen erklärt, dass er oder sie nur Englisch spricht.

Ausgebildetes Restaurantpersonal müsste eigentlich in der Lage sein, die Gäste nicht nur in deutscher Sprache, sondern auch auf Französisch oder Englisch zu bedienen. Laut Barbara Ott von der Berufsfachschule BBB in Baden lernen angehende Restaurantfachfrauen und -männer sowie Restaurantangestellte je nach Kanton die eine oder andere Fremdsprache – im Kanton Aargau beispielsweise ist Englisch die unterrichtete Fremdsprache, im Kanton Bern Französisch.

Wer nicht Deutsch kann, soll es noch lernen
Die Praxis sieht in Zeiten des Fachkräftemangels jedoch anderes aus – je nachdem, welche Sprachkenntnisse die Unternehmen den Gästen zutrauen. Mehrere Gastrobetriebe erklären auf Anfrage, dass sie eventuell auch dann Personal anstellen, wenn dieses nicht über ausreichend Deutschkenntnisse verfügt.

«Wenn eine Person eine sehr gute Ausstrahlung hat, reichen auch Englischkenntnisse. Wir würden jemanden anstellen mit der Bedingung, dass diese Person einen Deutschkurs besucht», sagt Daniel Wiesner, Co-Geschäftsleiter der Familie Wiesner Gastronomie (FWG).

Nach Wiesners Erfahrung sind Englischkenntnisse bei den Gästen sehr weit verbreitet. Doch trotzdem gelte für die FWG-Restaurants, die sich allesamt in der Deutschschweiz befinden: Im Grundsatz soll das Personal Deutsch sprechen.

Je nach Betrieb und Anstellung ist Deutsch kein Muss-Kriterium.
Laura Wiget Marketingleiterin, Tavolago-Gruppe Luzern

Auch bei der Luzerner Tavolago-Gruppe sind zu Beginn einer Anstellung perfekte Deutschkenntnisse nicht zwingend. «Je nach Betrieb und Anstellung ist Deutsch kein Muss-Kriterium. Wir fördern Deutschkurse aktiv und beschäftigen aktuell auch Mitarbeiterinnen mit Status S aus der Ukraine, die immer noch am Deutschlernen sind», sagt Marketingleiterin Laura Wiget.

Gemäss Wiget arbeiten derzeit im LUZ Seebistro Angestellte aus Italien oder Belgien, die sich im Team auf Englisch austauschen. «Das funktioniert sehr gut, weil die Gäste grösstenteils Englisch sprechen», sagt Wiget. Auch in den Bindella-Restaurants sind Deutschkenntnisse nicht zwingend, sondern «wünschenswert», wie Nicole Rüsch, Geschäftsleitung Kreation und Kommunikation, erklärt. «Wir fördern und unterstützen aktiv die Teilnahme an den kostenlosen Deutschkursen von Gastro Formation Schweiz.»

Eine striktere Haltung nimmt die Berner KG Gastrokultur ein, zu der fünf Restaurants gehören. Co-Geschäftsleiterin Regula Keller sagt: «Im Service muss das Personal auf jeden Fall Deutsch sprechen, dass die Angestellten Mundart verstehen, ist von Vorteil. «Le Beizli», «Du Nord Eiger», «L’esprit nouveau» – obwohl die Restaurantnamen des Unternehmens teils recht frankofon klingen: Wenn jemand nur Französisch – oder nur Englisch – spricht, ist es laut Keller nicht möglich, im Service zu arbeiten.

Speisekarten in Mandarin, Arabisch und Indisch
Ähnlich handhabt es Taberna in seinen vier Restaurants in Bern. Laut Geschäftsleiter Stefan Ruprecht muss das Servicepersonal mit Kundenkontakt Deutschkenntnisse besitzen. Insbesondere im Sommer stellt das Unternehmen zusätzliches Personal ein. Dieses serviert nur Gerichte und räumt ab, falls die Deutschkenntnisse nicht ausreichend sind. Was aber, wenn auch die Gäste weder Deutsch noch Englisch können? Tavolago betreibt unter anderem die Gastrobetriebe auf 19 Vierwaldstättersee-Schiffen. Gemäss Laura Wiget hat das Unternehmen vor Corona Speisekarten in bis zu sieben Sprachen übersetzt. «Das Angebot auf der Rundfahrt der Panorama-Yacht MS Saphir gab es beispielsweise in Deutsch, Arabisch, Indisch, Japanisch, Koreanisch und Mandarin.»

Aktuell würden die meisten Speisekarten mindestens auf Englisch übersetzt, teils zusätzlich auf Französisch und Italienisch. Als Grund für die geringere Anzahl Sprachen nennt Wiget die fortschreitende Digitalisierung. «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele unserer internationalen Gäste die Speisekarten mittels Google Translator direkt am Handy übersetzen.»

In der Tat können sich Gäste heute mit Apps behelfen, die Texte auf Fotos erkennen und übersetzen können. Aus Sicht des Gastrounternehmers Daniel Wiesner lohnt es sich abseits von touristischen Hotspots nicht, einen zu grossen Aufwand mit vielen Speisekartenübersetzungen zu betreiben. «Ich sehe keinen Bedarf. Über 95 Prozent der spanischsprachigen und chinesischen Gäste kommen mit Englisch klar.


Gastsprache

Vermeintliche Touristin lebt seit 20 Jahren in der Schweiz

Katia Lopez stammt aus Angola. Ihre Muttersprache ist Portugiesisch. Die Skiferien verbrachte sie in Davos GR. Egal ob im Restaurant, in der Bergbahn oder im Schwimmbad: Überall hiess es: «Hello, welcome» oder auch «Good evening». «Mein Sohn spricht sehr gut Englisch, er übersetzte», sagt die 41-Jährige, die seit bald 20 Jahren in der Schweiz lebt und längst Deutsch gelernt hat. Für die Aargauerin, die selbst in der Gastronomie arbeitet, war es kein Drama. «Ich fand es lustig, aber irgendwann sagte ich zu meinem Sohn: Du kannst doch einfach Schweizerdeutsch sprechen.»

Die eingesetzten Fremdsprachenkenntnisse waren gegenüber der vermeintlichen Touristin in diesem Fall gut gemeint – Deutsch oder Schweizerdeutsch hätte noch besser gepasst.

Barbara Ott von der Berufsfachschule BBB in Baden sagt: «Das Personal sollte die Gäste zuerst auf Deutsch ansprechen. Man ist davon abgekommen, vermeintlich Fremdsprachige in Englisch zu begrüssen.» Ott rät zudem, wenn immer möglich auf die Gastsprache einzugehen. «Vielleicht spricht eine Kollegin im Service Italienisch und kann einen Tisch mit italienischsprachigen Gästen übernehmen.»

Das findet auch Daniel Wiesner von der Familie Wiesner Gastronomie wichtig. Er nennt dazu ein persönliches Beispiel: «Meine Freundin ist Spanierin. Wenn das Personal dies merkt und ihr in ihrer Sprache antwortet, findet sie das cool.» Für den Gastrounternehmer ist denn auch klar: «Das Ziel ist, möglichst individuell auf den Gast einzugehen. Auch in der Kommunikation.» Und er rät bei entsprechenden Sprachkenntnissen: «Unbedingt auf die Gastsprache eingehen, wenn man diese heraushört!»