Stefan Welschen vom 4-Stern-Hotel Ambassador in Brig VS würde sich gern mit einem Notstromaggregat absichern. «Wir haben bereits entsprechende Räumlichkeiten eingerichtet», sagt der Hoteldirektor. 50'000 bis 60'000 Franken würde die Anschaffung kosten, ein gewisser Lärmpegel wäre in Kauf zu nehmen – bloss, bis im Winter wird das nicht klappen. Derzeit beträgt die Lieferfrist für ein Notstromaggregat 35 Wochen, hat Welschen vom Hersteller erfahren.

Kommt es in der anstehenden Wintersaison tatsächlich zu einem zeitweiligen Stromausfall, wird der Hotelier somit andere Lösungen finden müssen. Für ihn stellen sich dabei viele Fragen. Beispiel automatische Schiebetür am Hauseingang zur Lobby: Wenn diese nachts während Stunden offen stünde, müsste wohl dann die Réception besetzt sein. Oder er müsste Sicherheitspersonal anstellen. Und es stellen sich auch rechtliche Fragen. «Wenn mir ein Reiseanbieter eine Gruppe bringen will, ich aber den Vertrag nicht einhalten kann, wird er nicht zahlen. Wer ist verantwortlich, wenn mir der Staat den Saft abstellt?»

Hotels müssten bestimmten Prozentsatz einsparen
Der mögliche Stromengpass im kommenden Winterhalbjahr beschäftigt zurzeit die Hotellerie. Noch ist aber kaum abschätzbar, ob und wann sich eine Strommangellage ergeben wird. Immerhin ist klar, wie der Bund auf eine solche Situation reagieren will. Die Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen (Ostral) der wirtschaftlichen Landesversorgung des Bundes legt das Vorgehen in einer Broschüre dar.Bis es zur Abschaltung des Stroms käme, würden zunächst eine Reihe von Sparmassnahmen angeregt beziehungsweise verordnet werden (siehe «Mehr zum Thema - Das droht im Ernstfall»). Beispiel «Ambassador» in Brig: Als kleineres Hotel verbraucht es derzeit rund 200'000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Damit gilt es nach Definition der Ostral als Grossverbraucher. Im Rahmen der Eskalationsstufen zur Abwendung einer Strommangellage könnte der Bund somit das Hotel dazu verpflichten, einen bestimmten Prozentsatz des Stromverbrauchs einzusparen.[RELATED]

Noch weiss Welschen nicht, wie er beispielsweise zehn Prozent des bisherigen Strombedarfs einsparen würde. «Es hängt von der Gästefrequenz ab, übers Jahr haben wir eine Auslastung von 78 Prozent.» Bei laufendem Betrieb würde sich der Verbrauch nur begrenzt drosseln lassen. Denn wie spart man Strom, wenn der Betrieb bereits energetisch effizient ist? Welschen hat seinen Betrieb mit Blick auf die Stromrechnung optimiert, schliesslich habe sich der Strompreis mit dem Anstieg von 8 auf 32 Rappen pro Kilowattstunde vervierfacht.

Beispielsweise habe er die erst zehnjährige Küche durch eine neue Küche mit Induktionsherd ersetzen lassen, ihm sei eine Stromersparnis von 30 Prozent vorgerechnet worden.

Welschen wünscht sich eine klarere Kommunikation seitens des Bundesrates – insbesondere auch in Bezug auf die Sicherheit im Fall der höchsten Eskalationsstufe: des zeitweiligen Stromunterbruchs. «Als Gastgeber haben wir eine gewisse Verantwortung. Für uns ist es absolutes Neuland. Wir wissen nicht, was es heisst, wenn während vier Stunden der Strom ausfällt und weder Brandmelder noch Notruf funktionieren.»[DOSSIER]

«Worst Case» und «Super-GAU»
Für Christoph Schlatter, CEO der Laudinella Hotel Group, wäre bereits eine vom Bundesrat angeordnete Schliessung von Wellness- und Skianlagen ein Worst-Case-Szenario. «Wenn wir die Dienstleistung nicht aufrechterhalten könnten, hätten wir Mühe, die Preise zu rechtfertigen. Wenn die Gäste zum Schluss kämen, dass sie nicht Ferien machen wollten, wäre das eine bedrohliche Situation.»

In der Tat sei das Wellnessangebot sehr bedeutsam, sowohl für die Laudinella Hotel Group wie auch für die Hotellerie in Berggebieten insgesamt. Das habe sich auch in der Corona-Zeit gezeigt. Hotels mit hauseigenem Wellnessangebot seien besser über die Runden gekommen. «Wenn man nicht alles verkaufen kann, hat man ein Handicap.»

Im Fall einer Kontingentierung sieht Schlatter es als realistisch an, dass die Betriebe der Laudinella Hotel Group zehn Prozent des Stromverbrauchs einsparen können. Bisher hatte die Hotelgruppe einen jährlichen Verbrauch von circa 1,361 Millionen Kilowattstunden Strom. Künftig soll sich dieser laut Schlatter bei 1,1 Millionen Kilowattstunden einpendeln.

Wenn schliesslich der Strom für einige Zeit gesamthaft versiegen würde, wäre das für Schlatters Betriebe «der Super-GAU». In den vergangenen Jahren sei die Digitalisierung gefördert und propagiert worden, und man habe diese vorangetrieben. «Nun sind wir komplett abhängig vom Strom», sagt Schlatter. Die Modems würden um 2.30 Uhr rebooten, die Kassen um 3 Uhr – in der digitalen Infrastruktur spiele sich somit rund um die Uhr etwas ab. «Wahrscheinlich wäre es möglich, alles umzuprogrammieren. Aber es würde Wochen dauern, das zu organisieren.» Um einen Stromausfall abzufedern, gebe es Notstromakkus, diese sorgten dafür, dass das System kontrolliert heruntergefahren werden könne. Dass der Strom für einige Stunden gänzlich wegfallen könnte, sei ein «scary Szenario», sagt Schlatter.

«Hotelbetrieb wird auch bei Stromausfall weiterlaufen»
Von einer möglichen Stromkontingentierung wären auch die Hotels der Hospitality & Gastro Services SA betroffen. Zum Unternehmen gehören vier Hotels und ein Restaurant in Lugano und Locarno TI. Das grösste Hotel der Gruppe verbraucht laut Besitzer Fernando Brunner allein schon rund 700'000 Kilowattstunden pro Jahr, die gesamte Gesellschaft mehr als eine Million Kilowattstunden.

Stromsparen ist für ihn auch aus wirtschaftlichen Gründen wichtig. Bisher habe man die Kilowattstunde noch für 6 Rappen erhalten, künftig liege der Preis bei 47 Rappen. Brunner geht davon aus, dass im nächsten Jahr der höhere Strompreis zu Mehrkosten von 400'000 Franken führen wird. Sparpotenzial sieht Brunner vor allem bei der Klimatisierung. Die Wintersaison sei für seine Betriebe ohnehin weniger bedeutend. Geheizt werde mit Heizöl.

Einen Stromausfall hätten schon seine Eltern erlebt, in deren Fussstapfen er als Hotelier getreten sei, sagt der 73-Jährige. Er geht davon aus, dass der Hotelbetrieb trotzdem aufrechterhalten werden könnte. Dass es überhaupt so weit kommt, befürchtet er nicht. «Ich bin zuversichtlich, dass der Strommangel nicht derart hoch ausfallen wird, dass ein Stromunterbruch nötig wird.»

«Keinen Handyempfang mehr nach drei Minuten»
Energie-Experte Daniel Schneiter von der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) hält eine Mangellage im kommenden Winterhalbjahr für möglich. «Früher war die Wahrscheinlichkeit sehr klein, doch nun besteht ein deutlich höheres Risiko.» Stromsparen hält er für richtig und wichtig. Nach seiner Einschätzung könnten aber von den Behörden koordinierte Sparmassnahmen oder gar Teilabschaltungen bei Stromgrossverbrauchern nötig werden. Er rät Hoteliers dringend, sich «in einer ruhigen Minute» vorzubereiten und einen konkreten Notfallplan für ihren Betrieb auszuarbeiten. Dies für den Fall, dass die Stromversorgung gebietsweise für einige Stunden ausgeschaltet werden muss oder durch einen Blackout praktisch die gesamte Infrastruktur ausfällt. Nach seiner Kenntnis könnten gewisse Mobilnetze bereits nach drei Minuten Stromunterbruch nicht mehr betrieben werden. «Ich hoffe nicht, dass diese Situation je eintritt. Doch Hoteliers sollten sich vorab Gedanken machen, wie die Kommunikation im Betrieb und mit den Gästen in einem solchen Fall möglich ist», sagt Schneiter. Unter anderem würden sich Zimmertüren mit Kartensystem nicht mehr bedienen lassen – ein Stromunterbruch würde nach seiner Einschätzung zu einem Chaos führen. «Gäste werden sich mit ihren Fragen ans Hotelpersonal wenden, wer kann, wird abreisen.» Hotels sollten sich Gedanken machen, welche Vorräte sie für den Notfall anlegen wollen.

Privat hat Schneiter einen Wasservorrat angelegt. Wie ihm die Gemeindewerke bestätigten, wäre von einem Stromausfall auch die Wasserversorgung betroffen, da die entsprechenden Pumpen Strom benötigen. Ein Notstromaggregat sieht er für einen Hotelbetrieb als eine mögliche Lösung zur Überbrückung. Aufgrund der hohen Nachfrage und entsprechender Lieferfristen sei es allerdings in den nächsten zwei Jahren wohl kaum möglich, eines zu erhalten.

So abhängig ist die Schweiz vom ausländischen Strom

Gemäss Statistik der letzten Jahre erreichten die Schweizer Stauseen jeweils etwa ab April ihren Speichertiefststand, ab Ende Mai füllten sich die Seen allmählich wieder. Während sie in früheren Jahren im Herbst zu 80 bis 90 Prozent gefüllt waren, könnte die Füllmenge diesen Herbst nur 70 Prozent erreichen. Lediglich einzelne Werke haben mit einem nahen See die Möglichkeit, praktisch unabhängig von den Niederschlägen jederzeit Wasser hochzupumpen.

Dabei könnte nach Einschätzung von Energie-Experte Daniel Schneiter von der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) ein Strommangel schon vor dem Frühjahr eintreten. Mit 41 Leitungen in ein europaweites Stromnetz (einschliesslich Türkei) eingebunden, sei die Schweiz hochgradig vom Ausland abhängig. «Wir haben es nicht im Griff, was in anderen Ländern passiert. Revisionen von zahlreichen Atomkraftwerken in Frankreich, Stilllegungen von AKW und Braunkohlekraftwerken in Deutschland und Gasknappheit seien nur einige Faktoren des Problems. Schneiter geht davon aus, dass die Schweiz mit den eigenen Atomkraftwerken über die Runden kommen wird, falls diese mit voller Leistung produzieren können. Doch wenn eines vom Netz gehen müsste, hätte die Schweiz ein Problem.

Die Schweizer Wasserkraft könne das gesamteuropäische Problem nicht lösen. «Wenn der Strom knapp wird, werden alle Länder für sich schauen.» Es werde dann für die Schweiz zunehmend schwierig, an der Börse Strom einzukaufen. Schwierig sei zudem aus der Perspektive der Versorgungssicherheit auch die aktuelle Marktsituation im Stromhandel: Elektrizitätswerke würden derzeit wegen der massiv gestiegenen Preise lieber den Strom verkaufen, als das Wasser in den Stauseen für eine künftige Notlage zu sparen.

Ende August lanciert das Bundesamt für Energie (BFE) eine Energiespar-Initiative für Unternehmen und Privatpersonen. Auf ein genaues Datum will sich das BFE auf Anfrage nicht festlegen. HotellerieSuisse hat zusammen mit rund 50 Verbänden und Branchenorganisationen Einsitz in einer Begleitgruppe dieser Initiative. Am Dienstag, 6.9. (14.30 Uhr), gibt HotellerieSuisse in einem Webinar Stromspartipps. ua