Beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) wird die steigende Fallzahl sehr ernst genommen, wie Sprecher Yann Hulmann am Sonntag der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage sagte. Die wichtigsten Schutzregeln blieben die Hygiene und das Abstandhalten.

«Zurzeit bleibt das BAG bei der dringenden Empfehlung, im öffentlichen Verkehr eine Maske zu tragen, wenn es viele Leute hat und der Abstand nicht eingehalten werden kann», sagte Hulmann. «Die Möglichkeit eines (künftigen) Maskenobligatoriums ist jedoch nicht ausgeschlossen.»

Für Lukas Engelberger, Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK), funktioniert das Maskentragen im öffentlichen Verkehr noch ungenügend. Doch das Bewusstsein wachse, sagte er in einem Interview im «Sonntagsblick».

«Wir unterstützen die Maskenempfehlung vollumfänglich», so Engelberger. «Aber wenn nötig behalten wir uns eine Pflicht vor.» Die Kantone könnten eine Maskenpflicht anordnen. Das müsse aber mit dem BAG abgesprochen sein und wäre an eine Verschärfung der Lage gebunden.

Task-Force für Maskenpflicht
Die Covid-19-Task-Force des Bundes hat vergangene Woche beschlossen, eine Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr zu empfehlen, wie Task-Force-Leiter Matthias Egger am Sonntag auf Anfrage mitteilte. Empfohlen werde eine Maskenpflicht zudem im öffentlichen Raum generell dann, wenn die Nachverfolgung der Kontakte von Infizierten nicht gewährleistet werden könne. Dieses Prinzip gelte bereits bei Demonstrationen. Er bestätigte damit auch einen Bericht der «SonntagsZeitung».

Egger sieht die Entwicklung der Zahlen mit Sorge. Die Reproduktionszahl liege bei 1,28 twitterte er am Samstag. Eine Reproduktionszahl über 1 sei ein Alarmzeichen – das heisse, dass sich das Virus weiter ausbreite, sagte Egger gegenüber Radio SRF.

Er mache sich Gedanken darüber, was die neuesten Öffnungsschritte mit sich bringen würden, denn die jetzige Reproduktionszahl sei auf frühere Öffnungsschritte zurückzuführen. Obwohl die Testaktivität deutlich zugenommen habe, seien jedoch keine Infektionsherde entdeckt worden.

Am Montag werden sich eine Delegation des Bundes um Gesundheitsminister Alain Berset, Vertreter der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren sowie Kantonsärzte und Kantonsärztinnen treffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen, wie ein GDK-Sprecher einen Bericht des «Tagesanzeigers» bestätigte.

Reisen bereitet Sorgen
GDK-Präsident Engelberger ist besorgt wegen des Tourismus. «Wir wissen nicht, wie sich die Lage entwickelt, deshalb ist weiter Vorsicht geboten», sagte er dem Sonntagsblick. Die Politik müsse immer wieder die Hygienemassnahmen in Erinnerung rufen.

Für Bundesrat Alain Berset sind Ferien in der Schweiz derzeit eine gute Idee. «In dieser unsicheren Situation ist es sicher keine schlechte Idee, in den Sommerferien in der Schweiz zu bleiben», sagte Berset im Hinblick auf die Feriensaison in der «Samstagsrundschau» von Radio SRF.

Mit Blick auf Reisen prüft das BAG, ob und wann grenzsanitarische Massnahmen erforderlich sind. Da es sich um eine weltweite Pandemie handle, sei die Koordination zwischen den Staaten wichtig, sagte BAG-Sprecher Hulmann. Für die Schweiz sei insbesondere das Vorgehen der EU-Staaten gegenüber Drittstaaten wichtig.

Die Task Force des Bundes empfiehlt Temperaturkontrollen für Personen, die mit dem Flugzeug in die Schweiz reisen, wie das Gremium am Freitag auf seiner Webseite mitteilte. Für Reisende aus Ländern, die die Epidemie nicht unter Kontrolle haben, schlägt die Task Force eine Quarantäne von zehn Tagen vor.

«Wir analysieren die epidemiologischen Situation weltweit fortlaufend und passen unsere Empfehlungen an», teilte Egger am Sonntag weiter mit. Laut BAG werden derzeit Temperaturkontrollen am Flughafen Kloten für Reisende aus Schweden durchgeführt.

300 Personen in Quarantäne
Wie unberechenbar Ansteckungen mit dem Coronavirus sind, zeigte der Fall im Kanton Zürich, wo es zum ersten "Superspreader-Event" kam. Ein Mann, der in einem Club in Zürich zu Gast gewesen war, wurde positiv auf Covid-19 getestet, er steckte offenbar fünf weitere Personen an, die mit ihm im Club waren. Sie wurden ebenfalls positiv auf Covid-19 getestet, wie die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich am Samstag mitteilte.

Um die Infektionskette zu unterbrechen, ordnete der Kantonsärztliche Dienst für die knapp 300 Gäste und Angestellten des Clubs, die am Abend des 21. Juni anwesend gewesen waren, eine zehntägige Quarantäne an.

Regierungsrätin und Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) sagte an einer Medienkonferenz vom Sonntag, die Arbeit der Contact-Tracer werde erschwert, weil viele Besucher bei den Clubbetreibern falsche Adressen angaben. Viele Partygänger beschimpften die Kontaktermittler zudem bei ihrer Nachforschungsarbeit. Trotzdem wolle die Regierung aktuell keine Clubs schliessen.

Im Kanton Aargau wurde derweil für eine 10-köpfige Beachsoccer-Mannschaft eine zehntägige Quarantäne angeordnet. Nach einem Trainingsspiel war ein Spieler der gegnerischen Mannschaft positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die Spieler kommen aus den Kantonen Aargau, Luzern und Zürich, wie das Departement für Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau mitteilte.

Grosses Interesse an Covid-App
Nach wie vor gross ist das Interesse an der Swiss-Covid-App. Gemäss den am Sonntag publizierten aktuellsten Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) haben sich inzwischen knapp 810'00 Nutzerinnen und Nutzer der Swiss-Covid-App angemeldet. Innert eines Tages sind damit weitere 60'000 App-Nutzerinnen und -Nutzer hinzugekommen.

Die Messung der Zahl der aktiven Swiss-Covid-Apps beruht auf der automatischen Kontaktaufnahme der Apps mit dem Proximity-Tracing-System zur Aktualisierung der Konfigurationsdaten. Diese automatische Kontaktaufnahme erfolgt mehrmals täglich. Berechnet wird hieraus die Anzahl der aktiven Apps pro Tag. Diese Zahl korrespondiert mit der Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer der App. (sda)