Monika Bandi Tanner ist Co-Leiterin Forschungsstelle Tourismus (CRED-T), Universität Bern.

In einer historischen Sondersession der eidgenössischen Räte wurden zur Abfederung der Corona-Krise Unterstützungsgelder von über 57 Milliarden Franken gesprochen, darunter 41 Milliarden Franken in Form von Bürgschaften und Garantien, von denen ein namhafter Teil wieder in die Bundeskasse zurückfliessen sollte. Zur Einordnung: Die Bundesausgaben betrugen 2019 ca. 71 Milliarden, die aktuellen Bruttoschulden des Bundes liegen aktuell in der Nähe von 100 Milliarden, und die Schweiz erwirtschaftete vor der Corona-Krise ein jährliches Bruttoinlandprodukt von rund 700 Milliarden. Die Generation meines Sohnes wird sich auch noch mit diesen Nachwirkungen beschäftigen müssen. Der Tourismus erhielt vom Parlament nebst einer euphorischen Bundesratsrede für «Ferien in der Schweiz» ein Recovery-Programm von 40 Millionen zur Stärkung der Nachfrage. Dabei liess man sich von der Annahme leiten, dass dies die am «schnellsten» wirksame Stossrichtung sei.

Das Covid-19-Virus stellt den Tourismus an sich vor neue Realitäten mit nur schwer abschätzbaren Auswirkungen. In solchen Situationen eignet sich die Szenario-Methode hervorragend, um denkbare Zukunftsbilder zu entwickeln und entsprechende Konsequenzen abzuleiten. Dabei werden Annahmen zu den veränderlichen Variablen wie dem Verlauf der Pandemie, der schrittweisen Öffnung des Lockdown, der Grenzöffnungen sowie der weltweiten konjunkturellen und Wechselkurs-Situation benötigt. Zu den eher gesicherten Annahmen, die Eingang in die unterschiedlichen Szenarien finden, gehören die Gästeströme und -bedürfnisse: starker Ferienwohnungs- und Ausflugstourismus aus dem Inland, der Nachholbedarf nach persönlichen Kontakten oder die Neugierde nach besinnlichen, authentischen und natürlichen Erlebnissen. Zudem muss man sich auf neue Ansprüche bezüglich Hygiene, Sicherheit und (Online-)Convenience einstellen, die viel Kreativität und Innovation erfordern. Es ist davon auszugehen, dass sich die Konkurrenz mit viel Mitteln und Ideen auf die neue touristische Realität vorbereitet, was in einem «Marketinggerangel» resultieren wird.

Die Corona-Krise wird aber zusätzliche Spuren in der Gesellschaft hinterlassen, welche die touristische Führung zusätzlich herausfordern: Der Push der Digitalisierung fordert im Eiltempo die digitalen Kompetenzen der TouristikerInnen, der massvolle Rückbau der Globalisierung fordert regionale Wertschöpfungsprozesse und verändert Vorleistungsnetzwerke und -partnerschaften, das E-Learning auf allen Bildungsstufen ermöglicht mit individuellen Lernangeboten, der Saisonalität des Tourismus zu begegnen und zugleich den neuen Ansprüchen der Generation Z im Bereich der Community-Kommunikation gerecht zu werden.

Das Homeoffice-Privileg wird für viele touristische Berufe nicht zutreffen und eine stationäre Verfügbarkeit der Dienstleistung und somit der Mitarbeitenden erfordern. All diese durch die Corona-Krise erzwungenen Veränderungen und Errungenschaften haben grosse Auswirkungen auf die erforderliche Führungskultur im Tourismus: Ausgeprägte agile Coachingfähigkeiten von kleinen Teams sowie selbstloses Managen sind in, Wettbewerbsdenken, Effizienz und Gewinne werden mindestens kurzfristig durch die drei grossen C nach der Werteforscherin Mandeep Rai überlagert: Collaboration, Creativity, Compassion. Das Virus hat uns verstärkt animiert, zusammenzuarbeiten, kreative Lösungen zu finden, und dies mit viel Mitgefühl und Solidarität zu tun. Wenn uns die drei C auch nach Corona erhalten bleiben, dann hat das Virus nicht nur viel Schaden angerichtet, sondern uns als Gesellschaft und auch im Tourismus einen Schritt weitergebracht! Mit diesen drei Tugenden Kooperation, Kreativität und Empathie müsste doch der Tourismus auch in Zukunft punkten. Man darf daher auch gespannt sein, wie diese Tugenden in den weiteren (tourismus)politischen Diskussionen mit veränderten Zielen und Prozessen Eingang finden.