Alleine bewegen sich die drei Skigebiete nur im Mittelfeld der grössten Skigebiete des Landes. Gemeinsam aber würden Engelberg-Titlis, Meiringen-Hasliberg und Melchsee-Frutt mit rund 200 Pistenkilometern in den Top 10 rangieren – zwischen Arosa-Lenzerheide und Flims-Laax-Falera. Und Umfragen zeigen: Je grösser ein Gebiet, desto gefragter ist es für einen Skiurlaub.

Lieber heute als morgen möchte Hanspeter Wenger, Präsident und Geschäftsführer der Bergbahnen Meiringen-Hasliberg, sein Gebiet mit dem benachbarten Melchsee-Frutt verbinden. Wenn es nach dem umtriebigen Berner ginge, würden schon in vier bis fünf Jahren Gäste von Bern nach Obwalden und umgekehrt gondeln. Die Vorteile sieht Wenger vor allem darin, dass das nach Norden ausgerichtete Melchsee-Frutt im Frühling schneesicherer, der Südhang Hasliberg dafür im Dezember/Januar sonniger ist.

Seit 20 Jahren ein Thema
Dass eine Verbindung der drei Gebiete realisierbar und vermutlich auch rentabel wäre, zeigt eine letzte Woche vorgestellte Machbarkeitsstudie. Im Auftrag der drei Bergbahnen und der Kantone Obwalden, Bern und Nidwalden hat eine Projektgruppe verschiedene Aspekte einer Erlebnisregion Engelberg-Frutt-Hasliberg unter die Lupe genommen – von der technischen Machbarkeit über die Rentabilität bis zu den Auswirkungen auf die Natur.[IMG 2]

Seit 20 Jahren geistert die Idee in der Region herum. In den Nullerjahren scheiterte sie daran, dass mit den neuen Bahnen auch neue Pisten geschaffen werden sollten. Vor allem vonseiten der Natur- und Umweltverbände schlug dem «Schneeparadies»-Projekt massiver Widerstand entgegen. Solche Pläne stehen heute nicht im Zentrum, wie der Projektleiter Niklaus Bleiker versicherte. Trotzdem drohen Umwelt- und Naturschutzorganisationen in einer Stellungnahme bereits damit, die Pläne «rechtlich durch alle Instanzen zu bekämpfen» (siehe unten).

Baukosten von rund 50 bis 70 Millionen Franken
Für die Bergbahnen geht es derweil um viel Geld: Rund 50 bis 70 Millionen Franken stehen auf dem Preisschild für den Anschluss aller drei Gebiete. Ob sich das lohnt? Um das zu beantworten, analysierten die Autorinnen und Autoren der Machbarkeitsstudie Zusammenschlüsse von Skigebieten im In- und Ausland – besonders Arosa-Lenzerheide und Grimentz-Zinal, die beide 2014 entstanden sind – und kamen zu teils überraschenden Erkenntnissen.

«Bezüglich der Logiernächte stellt man fest, dass die Skigebietsverbindung wohl einen positiven, allerdings nicht einen sehr starken Impact (...) hinterlassen hat.»

Machbarkeitsstudie Erlebnisregion Engelberg-Titlis, Melchsee-Frutt und Meiringen-Hasliberg

Obwohl nur eine Minderheit der Gäste tatsächlich vom einen ins andere Gebiet wechselt, hat die Vergrösserung die Attraktivität offenbar gesteigert: Im Benchmark-Vergleich haben die verbundenen Gebiete gemessen an den Skier-Days Marktanteile gewonnen. Wer darauf gehofft hatte, die Gebietserweiterung werde in den Bergdörfern für massiv mehr Logiernächte sorgen, wurde jedoch enttäuscht: «Bezüglich der Logiernächte stellt man fest, dass die Skigebietsverbindung wohl einen positiven, allerdings nicht einen sehr starken Impact (...) hinterlassen hat», steht zu Grimentz-Zinal im Bericht.

Für die Region Engelberg-Frutt-Hasliberg rechnet die Studie mit einer Steigerung des Verkehrsertrags um 3,5 Millionen Franken, falls in den Gebieten je 250 warme Betten entstehen. Das Plus soll sich fast ausschliesslich aus dem Skisport ergeben, da Sommergäste sowie Schlittler und Winterwanderer die Gebietsverbindungen laut Studie kaum nutzten.

Gleichzeitig warnen die Autorinnen und Autoren davor, dass Engelberg-Titlis, Meiringen-Hasliberg und Melchsee-Frutt im Alleingang zusätzlich unter Druck kämen: «Mögliche Folgen wären eine rückläufige Nachfrage nach Skier-Days sowie ein fallender Durchschnittspreis», heisst es im Bericht.

Wie weiter? Bergbahnen entscheiden im Sommer
Im Sommer wollen die Bergbahnen über das weitere Vorgehen entscheiden. Aus der Studie und ersten Reaktionen zeigt sich, dass eine Verbindung Frutt-Hasliberg gute Chancen hat – nicht nur, weil sich beide Regionen als Familienskigebiete sehen.

Die Kosten dieser Verbindung sind mit 13 Millionen (Variante Frutt-Glogghüs) bis 16 Millionen Franken (Variante Balmeregg-Planplatten) eher tief. Es ist denn auch jene Bahn, die gemäss Studie am ehesten rentiert: Sie rechnet sich als einzige selbst dann, wenn keine zusätzlichen warmen Betten entstehen. Zudem könnte zwischen diesen Gebieten sogar der Sommerbetrieb rentieren, während auf der Strecke nach Engelberg «eine Verbindungsbahn im Sommer wohl kaum rentabel» sein dürfte. Nicht zuletzt hätte die Bahn von Frutt nach Hasliberg laut Studie den geringsten negativen Einfluss auf die Umwelt.

Anschluss Engelberg wäre ein «Generationenprojekt»
Es sei sicher das Teilprojekt, das sich einfacher umsetzen liesse, sagt Bettina Hübscher, Präsidentin Sportbahnen Melchsee-Frutt. Vieles sei aber auch hier noch zu klären oder zu vertiefen: beispielsweise der gesellschaftliche Wandel und die Bedürfnisse der Gäste in Zukunft, die volkswirtschaftlichen Chancen und Risiken mit der öffentlichen Hand und den involvierten Partnern wie den Hotelbetrieben, Skischulen und Landbesitzern. Zudem brauche es vertiefte Abklärungen im technischen Bereich und zu den klimabedingten Einflüssen.

Die Verbindung nach Engelberg dagegen nennt die 42-Jährige ein «Generationenprojekt», das kaum noch während ihrer Amtszeit umgesetzt werde.

Umweltverbände: «Projekt abbrechen und endgültig aufgeben»

Dass neue Bergbahnen bei Umwelt- und Naturschutzorganisationen keine Begeisterungsstürme auslösen, war anzunehmen. Doch die Worte, die Pro Frutt-Engstlenalp, WWF Unterwalden und Pro Natura Unterwalden in ihrer Stellungnahme zur Erlebnisregion Engelberg-Titlis, Melchsee-Frutt und Meiringen-Hasliberg gewählt haben, sind überraschend gepfeffert – zumal die Projektverantwortlichen nicht müde werden, darauf hinzuweisen, sie seien bemüht, die Verbindungen «mit geringen Eingriffen in Natur und Landschaft» zu erreichen.

Die aktuellen Pläne basierten noch immer auf der in den Nullerjahren gescheiterten Idee des Schneeparadieses, so die Vereine. Die geplante Linienführung tangiere «aktuell störungsarme Lebensräume für diverse Tier- und Pflanzenarten». Zudem sei die Landschaft als touristische Ressource bei der Prüfung nicht berücksichtigt worden. Es würden «bisher unberührte Landschaftskammern tangiert». Zudem befürchten sie, dass die Bahnen früher oder später das Skigebiet in Richtung Schaftal und Graustock ausdehnen würden.

Gebiet würde an Vielseitigkeit und Attraktivität verlieren
Die Organisationen sehen aber nicht nur die Natur in Gefahr, sondern mit ihr auch den Tourismus: Gäste kämen derzeit in die Gegend, weil sie hier «ruhige Natur und unverbaute Landschaften» fänden. Mit der Verbindung würde das Gebiet an Vielseitigkeit und Attraktivität verlieren.

Die Organisationen fordern, dass weitere Abklärungen abgebrochen und das Projekt endgültig aufgegeben werden soll. Ansonsten sei man gezwungen, das Projekt rechtlich durch alle Instanzen zu bekämpfen. (stü)

Mischa Stünzi