Sie heissen Valbona, Debi oder Morgana. Vom Charakter her sind sie verblüffend angriffslustig, im Umgang mit Menschen jedoch friedlich. «Harmlos wie Kaninchen», findet jedenfalls ihr Besitzer Patrick Dillon. Die Rede ist von Eringer Kampfkühen, die Dillon seit 15 Jahren züchtet und mit denen er bereits einige Wettkämpfe gewinnen konnte. Dillons Lieblinge sind es denn auch, die bei seinem Projekt im Gantrischgebiet eine tragende Rolle spielen: Anfang Juli hat der gelernte Koch in Ottenleue die Eringer Lodge eröffnet.

Ein Novum in der Deutschschweiz
Man könnte es als eine Art glückliche Fügung bezeichnen, dass Dillon für seine Kampfkühe ein neues Zuhause suchte und der Berner Unternehmer Hans-Ulrich Müller einen Pächter für das leer stehende Hotel und Restaurant Ottenleuebad, das er sanieren und umbauen wollte. Auch mit der Gemeinde und den Nachbarn war man sich schnell einig: Die Alpgenossenschaft Ottenleue stellte Dillon Stall und Weideland für seine Kühe zur Verfügung. Unternehmer Müller, der bis dahin wenig über die Walliser Kampfkühe wusste, war von Dillons Konzept auf Anhieb begeistert. «Ein Betrieb, der Kampfkühe beherbergt und saftige Eringer Steaks serviert, ist in der Deutschschweiz ein Novum», sagt Dillon, der nicht nur Koch und Tierzüchter, sondern auch Möbelhändler ist.

«Die Leute identifizieren sich sehr stark mit ihrer Region und ziehen alle mit.»
Hans-Ulrich Müller, Berner Unternehmer, der im Gantrischgebiet investiert

Klar, hat er die Lodge selbst eingerichtet, mit hellem Holz, karierten Tischdecken und Schwarz-weiss-Fotografien von Eringer Kühen. Das Ambiente wirkt edel-urban, mit einer Prise alpinem Flair. Natürlich stehen auf der Karte ausschliesslich Spezialitäten von Eringer Kühen, deren Fleisch als sehr schmackhaft gilt, und die Weinkarte bietet erlesene Tropfen von bis zu 300 Franken pro Flasche.

Dillon ist sich bewusst, dass man in dieser abgeschiedenen Gegend von Wanderern, die zwei Rivella bestellen, kaum leben kann. «Als Tierzüchter und Möbelhändler habe ich ein grosses Netzwerk, das ich nun in die Eringer Lodge bringen möchte», sagt er. Und er weiss auch wie: Geplant sind Apéros im Stall, bei denen er die Tradition rund um die Eringer Kampfkühe erläutert, zudem veranstaltet er Livemusikabende und organisiert Bankette für private Gruppen und Geschäftsleute. «Die Lodge soll aber unbedingt auch ein Treffpunkt für Einheimische sein.» Dillons Bilanz nach zwei Monaten: «Es läuft gut, gerade hatte ich am Abend rund 70 Gäste.»

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Der Gantrisch - ein Garten
Die touristische Belebung des Gurnigel- und Gantrischgebiets, das einst für seine Badekuren bekannt war, ist derzeit in vollem Gange. Eine Strategie dazu wurde soeben erarbeitet (siehe Box unten). Müllers finanzielles Engagement spielt dabei eine gewichtige Rolle. Der ehemalige Top-Banker gilt als Troubleshooter. Er selbst sieht sich indes lieber als «Ermöglicher». Müller gehört unter anderem der Bernapark in Deisswil, ein urbanes Quartier im Grünen, wo er ein modernes Zusammenleben etablieren will – mit Wohnungen, Arbeitsplätzen und Freizeitangeboten. «Die Leute sollen eine Community werden, die sich gegenseitig hilft und voneinander profitiert», so Müllers Vision. Den Bernapark charakterisiert der 71-Jährige als «eine Art Wohnzimmer, in dem man sich im Alltag trifft», das Gurnigel- und Gantrischgebiet soll nun «der Garten» dazu werden.

Mehr Übernachtungsgäste 
Die Gantrischregion versucht seit einigen Jahren, aus dem Dornröschenschlaf aufzuwachen. Den Anfang hat 2012 der Naturpark Gantrisch gemacht, 2018 wurde die Gantrisch Plus AG zur Wirtschafts- und Tourismusförderung gegründet. Vor ein paar Monaten erst haben die Verantwortlichen eine Tourismusstrategie bis 2030 vorgelegt – in Kooperation mit den Gemeinden, dem Naturpark und der Bernapark AG. Priorität Nummer eins: ein besseres Mobilitätskonzept, denn heute ist die Region mit dem ÖV schlecht erschlossen. «Wir sind nun daran, private Initiativen ins Leben zu rufen, mit Rufbussen und Mitfahrgelegenheiten», sagt Ruedi Flückiger, Geschäftsführer von Gantrisch Plus. Seit diesem Sommer verkehrt bereits der erste Pendelbus.
Im gleichen Zug soll die Wertschöpfung gesteigert werden – bis 2030 auf 100 Millionen Franken, was einer Verdoppelung gleichkäme. «Dafür müssen wir unter anderem mehr Übernachtungsgäste anlocken», so Flückiger. Der Plan: einerseits die bestehenden Kapazitäten besser auslasten, andererseits mehr Übernachtungsmöglichkeiten schaffen. Zurzeit verfügt die Region über einige Hundert Betten und 25 Gruppenunterkünfte mit insgesamt rund 1000 Betten. Die Gruppenunterkünfte haben die Kooperationspartner bereits ausgebaut und ein gemeinsames Preis- und Marketingkonzept entwickelt. «Wir möchten uns zudem  als Bike-Destination positionieren und Angebote mit Übernachtungen schaffen», sagt Ruedi Flückiger. Und last but not least: In den nächsten Monaten soll auch eine gemeinsame Buchungsplattform für alle Anbieter in der Region entstehen. lm

Neben der Eringer Lodge hat die Bernapark AG nämlich drei weitere Immobilien gekauft: das «Gurnigelbad», das Berghaus Gurnigel und das Bergheim Gurnigel. Durchaus ein Glücksfall für eine Region, in der manch ein Beherbergungs- und Gastrobetrieb in den letzten Jahren aufgeben musste. «Ich möchte mit diesen Investitionen einen Beitrag dazu leisten, dass der Gantrisch als Naherholungsgebiet noch attraktiver wird und wir Kooperationen bilden, von denen alle profitieren können», sagt Müller. Bisher habe er bei der Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Handwerkern nur positive Erfahrungen gemacht. «Die Leute identifizieren sich sehr stark mit ihrer Region und ziehen alle mit.»

«Wir müssen unter anderem mehr Übernachtungsgäste anlocken.»
Ruedi Flückiger, Geschäftsführer von Gantrisch Plus

Auch Müllers Mission im Gantrisch ist «eine Herzensangelegenheit», wie er betont. Der Unternehmer ist in Belp aufgewachsen, die Winter verbrachten er und seine Geschwister jedoch regelmässig im Gantrischgebiet mit Skifahren. Und auch heute noch ist Müller mit seiner Familie oft in der Gegend anzutreffen.

Mehrere Bauphasen
Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Eringer Lodge erst der Anfang von Müllers Bauvorhaben im Gantrisch ist. Die erste Umbauphase der Lodge hat die Bernapark AG 300 000 Franken gekostet. In einer zweiten Phase, die ein Mehrfaches der Restaurantrenovierung kosten soll, werden die Hotelzimmer saniert. «Ausserdem entstehen neue Mietwohnungen, Studios sowie Juniorsuiten, die wir via Bernapark an Langzeitmieter vermieten möchten und die die Leute aus der Region auch untervermieten können», so Müller.

Ähnliche Konzepte plant er im Berghaus und im Bergheim Gurnigel sowie im «Gurnigelbad», die bei entsprechendem Anklang erweitert werden sollen. «Im Gantrisch soll ähnlich wie im Bernapark ein Ort entstehen, an dem gewohnt, gearbeitet und die Freizeit verbracht werden kann – eine Art Resort.»