Das Park-Projekt rund um die bekannte Greina-Hochebene im Bündner Oberland ist ambitiös. Mit einer Fläche von über 1000 Quadratkilometern wäre der Parc Adula sechs Mal so gross wie der Schweizer Nationalpark im Engadin.

Der Knackpunkt bei der Errichtung des Parks ist die 170 Quadratkilometer grosse Kernzone, wo menschliche Aktivitäten stark reglementiert wären. Nebst der Bevölkerung der 20 Standortgemeinden müssen die Promotoren Interessengruppen überzeugen, die vom Park in ihren Aktivitäten tangiert wären.

Die Park-Leute versuchen einen gemeinsamen Nenner zu finden mit Alp-Betreibern, Waldbesitzern, Jägern, Fischern und Bergsportlern. Dazu zählen die im Schweizer Alpenclub SAC organisierten Berggänger.

Kernzone zahlreichen Wünschen angepasst
Mit dabei in den Verhandlungen ist Giochen Bearth, Präsident der SAC-Sektion Piz Terri. Die Sektion nutzt das Adula-Gebiet für Berg- und Skitouren und betreibt im Kerngebiet die beliebte Terrihütte, die mit Helikoptern versorgt wird. Das will der SAC beibehalten. Die Zeichen stehen laut Bearth nicht schlecht. «Die Park-Promotoren suchen den Konsens», sagt er.

So sollen die Hütten zumindest vorläufig weiter per Helikopter Nachschub erhalten können und alle etablierten Routen des SAC begehbar bleiben.Einschränkungen erwartet Bearth allenfalls bei den Nutzungszeiten und beim freien Begehen ohne Bergführer.

Das Parc Adula-Team gehe viele Kompromisse ein um mehrheitsfähig zu werden, erklärt Bearth. Für die Natur schaue dabei nicht viel heraus. «Die ursprüngliche Kernzone wurde sehr stark modelliert und den Wünschen verschiedenster Interessengruppen angepasst», sagt er.

Nun fehlten etwa interessante Schutzgebiete in tieferen Lagen. «In ihrer aktuellen Ausgestaltung ist die Kernzone Makulatur», resümiert der SAC-Mann.Man spüre stark, dass für die Park-Leute der wirtschaftliche Mehrwert im Vordergrund stehe.

Letztlich ein Label
Bearths kritische Haltung wird vom SAC-Zentralverband in Bern geteilt. «In der Kernzone liegen bereits eidgenössische Jagdbanngebiete und geschützte Landschaften von nationaler Bedeutung», erklärt SAC-Bereichsleiterin Umwelt, Ursula Schüpbach.

Von starkem zusätzlichem Schutz könne man nicht sprechen. Allenfalls würden bestehende Nutzungen stärker gelenkt oder saisonal eingeschränkt. «Letztlich ist der Park auch ein Label, das eine Chance für eine nachhaltige regionale Entwicklung sein kann», so Schüpbach.

Ins gleiche Horn bläst Anita Mazzetta, Leiterin des WWF Graubünden. «Beim jetzigen Stand bringt der Park der Natur einen enttäuschend kleinen Mehrwert», sagt sie. Der heute vorhandene Schutz sei «nicht schlecht» und werde kaum gesteigert. Positiv sei aber jetzt schon der Nebeneffekt des Projektes: Die Diskussion rund um den Park sensibilisiere die Bevölkerung für die Umwelt.

Einen «richtigen Nationalpark» rund um den Piz Adula würde Mazzetta sehr begrüssen. Die Region sei von der Natur her prädestiniert dafür.

Käseglocke aus Verboten
Kritische Töne kommen auch vom Kanton. Georg Brosi, als Leiter des Bündner Amtes für Jagd und Fischerei zuständig für die Regulation der Wildpopulationen, setzt ein Fragezeichen. Man habe bereits fast paradiesische Zustände im Perimeter der Kernzone. «Die Tiere haben es gut dort», sagt Brosi.

Die Jagdbanngebiete umfassten rund die Hälfte der Fläche der Kernzone. «Müssen wir wirklich das alte Rezept anwenden und eine Käseglocke aus Verboten über das Gebiet stülpen nur um den Ist-Zustand zu bewahren», fragt Brosi. Statt dem «altbackenen Verbots-System» könnte sich der Chef der Wildhut eine Förderungsstrategie vorstellen, mit Vorrangflächen für die Natur und mit Biodiversitäts-Zonen, aber ohne Verbote.

Trotz der kritischen Worte aus der Amtsstube, der Kanton unterstützt die Bemühungen einen Parc Adula zu gründen. Bis zu 1,4 Millionen Franken überweist Graubünden an die Promotoren für ihre Projektierungs- und Überzeugungsarbeit. «Ein Nationalpark ist eine echte Chance für strukturschwache Gemeinden und Regionen», erklärt Regierungsrat Martin Jäger.

Für die Natur und die Biodiversität bringe ein Nationalpark Adula aber «wahrscheinlich keine fundamentalen Änderungen», räumt er ein. Immerhin biete ein Nationalpark nicht nur für die Tourismuswirtschaft ein erstklassiges Kommunikationsvehikel, sondern auch für die Anliegen des Natur- und Landschaftsschutzes. (J. Uhricek/npa/sdaHintergrund/sda)

Die Stellungnahme von Julia Lüscher, Umweltingenieurin und beim Parc Adula für Fragen des nachhaltigen Tourismus verantwortlich, lesen Sie in der Box (oben rechts).