Nach der Pleite des Reisekonzerns Thomas Cook hat der britische Regierungschef Boris Johnson die Vergütungen der verantwortlichen Spitzenmanager kritisiert. Er frage sich, ob die Führungskräfte sich hohe Summen genehmigen sollten, wenn ein Unternehmen derart den Bach heruntergehen könne. Wirtschaftsministerin Andrea Leadsom sagte dem TV-Sender Sky News am Dienstag, sie lasse untersuchen, ob Fehler des Managements den Zusammenbruch des ältesten Reiseveranstalters der Welt verursacht hätten. Führungskräfte mit beachtlichen Vergütungen müssten schliesslich verantwortungsvoll handeln.

Thomas-Cook-Konzernchef Peter Fankhauser, der Schweizer ist, verdiente 8,3 Millionen Pfund, seit er im November 2014 den Vorstandsvorsitz übernahm. Seine Vorgängerin Harriet Green kam während ihrer beiden Jahre an der Spitze von Thomas Cook auf knapp fünf Millionen Pfund. Und deren Vorgänger Manny Fontenia-Novoa, der ebenfalls schon an der Sanierung des Reiseriesen arbeitete, erhielt während seiner Zeit von 2003 bis 2011 gut 17 Millionen Pfund.

Unter Fankhauser hatte Thomas Cook in der Nacht zum Montag Insolvenz anmelden müssen, nachdem Verhandlungen mit Geldgebern gescheitert waren und auch die Regierung eine Finanzhilfe von 150 Millionen Pfund verweigert hatte. Oppositionspolitiker von Labour hatten Johnson vorgeworfen, das Traditionsunternehmen mit seinen rund 21'000 Beschäftigten hängengelassen zu haben.

Ministerin Leadsom verteidigte die Entscheidung: Es wäre falsch gewesen, schlechtem Geld gutes hinterher zu werfen und dafür Steuergeld zu verschwenden. Die 200 Millionen Pfund hätten sowieso nur einige Wochen gereicht.

Bis zu 600'000 Urlauber gestrandet
Über staatliche Hilfe hat auch die Bundesregierung noch zu entscheiden. Die deutsche Cook-Airline Condor beantragte zu Wochenbeginn einen staatlichen Überbrückungskredit, um den Flugbetrieb aufrecht erhalten und sich vor der Pleite noch retten zu können. Verbraucherschützer, Gewerkschaften und Reiseveranstalter forderten von der Politik, dem Ferienflieger mit seinen rund 4'900 Beschäftigten die Stange zu halten. Insidern zufolge geht es um rund 200 Millionen Euro.

Das schwarz-grün regierte Land Hessen als Sitz von Condor ist Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) zufolge geneigt, die Hälfte der in Rede stehenden Finanzhilfe zu übernehmen. In solchen Fällen sei eine Aufteilung halbe-halbe zwischen Bund und Land vorgesehen, sagte er dem Radiosender «hr info». Condor sei profitabel und nur wegen seines Mutterkonzerns in Schwierigkeiten.

In Grossbritannien organisiert unterdessen die Flugbehörde weiter die Heimflüge der insgesamt rund 150'000 Touristen aus dem Vereinigten Königreich. In den kommenden zwei Wochen werde die Rückholaktion abgewickelt. Allein für Dienstag wurden 74 Flüge angesetzt – für 16'500 Urlauber. «Wir wollen, dass die Leute ihren Urlaub weiter geniessen, deshalb bringen wir sie zum ursprünglichen Reisetermin oder sehr kurz danach zurück», sagte Behördenchef Richard Moriarty. Weltweit sind bis zu 600'000 Urlauber gestrandet, darunter mehr als 300'000 aus Deutschland.

Griechenland und Spanien
Für beliebte Urlaubsländer wie Griechenland und Spanien ist die Pleite ein Schlag. Griechische Tourismusverbände gehen davon aus, dass die Insolvenz von Thomas Cook den Sektor bis zu 500 Millionen Euro kosten könnte. Der Tourismusverband Sete rechnet mit Einbussen von 250 Millionen bis 500 Millionen Euro.

Eine andere Berechnung, die des Verbands Hellenischer Hoteliers (GTP), schätzt den Verlust für die griechische Tourismusbranche auf 300 Millionen Euro. Es sei für die Wirtschaft «der stärkste Schlag seit der Finanzkrise», schrieb am Dienstag die Wirtschaftszeitung «Naftemporiki».

Im Ranking der fünf wichtigsten Destinationen von Thomas Cook lag Griechenland auf Platz drei, 2018 brachte das Unternehmen rund 2,8 Millionen Besucher ins Land. Vor allem Hoteliers auf Kreta, Rhodos und Kos arbeiteten laut GTP eng mit den Briten zusammen. Zudem betrieb Thomas Cook in Griechenland vier eigene Hotels und beschäftigte 640 Mitarbeiter. Was nun mit den Beschäftigten und den Hotels geschieht, sei unklar, berichten griechische Medien.

Zukunft vieler Unternehmen gefährdet
Die spanische Tourismusbranche wird derweil allein wegen der vom insolventen britischen Reisekonzern Thomas Cook nicht beglichenen Rechnungen nach Schätzungen mindestens 200 Millionen Euro verlieren. Diese Verluste würden grosse Hotelketten wie Meliá und Iberostar, aber auch mittlere und kleinere Unternehmen treffen, sagte der Vizepräsident des Reiseunternehmerverbandes Exceltur, José Luis Zoreda, am Montagabend in einem Radiointerview.

Die Präsidentin der Hotelierverbandes von Mallorca (FEHM), Maria Frontera, hatte zuvor gewarnt, wegen der Thomas-Cook-Pleite sei «die Zukunft vieler Unternehmen ernsthaft gefährdet». Hilfe des Staates werde auf jeden Fall nötig sein, damit diese Unternehmen überleben. Frontera sprach von «grossen Sorgen».

Das Aus von Thomas Cook trifft in Spanien vor allem die Kanaren, die Balearen und Andalusien. Mit dem britischen Reiseveranstalter waren im vergangenen Jahr rund 3,6 Millionen der insgesamt 82 Millionen ausländischen Touristen nach Spanien gekommen. Auf den Kanaren machten die Thomas-Cook-Kunden nach amtlichen Angaben 20 Prozent aller ausländischen Besucher aus, auf den Balearen waren es 10 bis 15 Prozent. Die Konsequenzen der Pleite für Mallorca seien «von einer bisher nie dagewesenen Dimension», sagte FEHM-Präsidentin Frontera. (awp sda reu)