Ich habe in den Medien kürzlich den Begriff «Gastrolücke» aufgeschnappt. Er steht sinnbildlich für die Personalknappheit in der Branche. Dabei ist das Problem ganz einfach zu lösen. Es braucht klare Hierarchien und autoritäre Entscheide, wie ein Blick nach Südafrika zeigt.

Die Welt ist eine andere in Bulungula. Das Dorf an der südöstlichen Spitze des Landes schmiegt sich über sanfte Grashügel, gekennzeichnet von vielen bunten Häuschen. Die Bevölkerung ist Xhosa-stämmig und somit Teil eines der ältesten Völker Südafrikas. Die Armut ist gross. Die Lebensfreude dennoch ungetrübt. Ein sanfter Tourismus soll wirtschaftliche Perspektiven für die Einheimischen bieten. Dieses Ziel verfolgt die Bulungula-Eco-Lodge seit 2004. Dave Martin, damals selbst Reisender, hatte sich sofort in den wildromantischen Streifen Land verliebt. Es folgten zähe Verhandlungen mit dem Dorfhäuptling und die Zustimmung für eine Backpacker-Lodge unter einer Bedingung: Nur die ortsansässige Xhosa-Community soll die Lodge betreiben dürfen.

Knapp zwanzig Jahre später komme ich in Bulungula an. Ich habe in Kapstadt von diesem ehrgeizigen Projekt erfahren und bin neugierig. Die Anreise ist nicht ganz unproblematisch. Umso freundlicher werde ich von Rezeptionistin und Managerin Aynissa begrüsst. Ob ich Hunger habe, fragt sie. Klar. Es gibt Eintopf. Die kleine Karte sei leider nicht mehr aktuell, da der Koch davongelaufen sei. Ein neuer ist zwar da. Aber der habe in seinem Leben noch nie etwas anderes als Eintopf zubereitet. Immerhin gehe ich satt zu Bett.

Am nächsten Tag lerne ich Andrew kennen. Der pensionierte Hotelier steht den Einheimischen temporär als beratender Manager zur Seite. Er erklärt mir, dass Personalentscheide hier eine heikle Sache seien. Solche Dinge lägen hier in der Hand der Obrigkeit. Die «Headmen», quasi Quartiervorsteher, und der Dorfhäuptling bilden die oberste Instanz, welche alleinig über solche Dinge entscheidet.

Ein Häuptling als Lösung für Probleme aller Art. Diesen Mann muss ich kennenlernen. Eine junge Frau namens Jabu führt mich an einem sonnigen Morgen zu ihm. Dank gepanschtem Maisbier bereits reichlich angeheitert, sitzt er vor seiner Hütte und begrüsst mich. Getreu der Rangfolge ist er zuerst mit Fragen dran. Ihn interessiert, wie viele Kühe ich für meine Freundin bezahlt habe. Dass deren Vater kaum auf Kühe steht, ist für ihn komplett unverständlich. Ich versuche, das Gespräch auf den Koch in der Lodge zu lenken. Er meint, dies sei ganz einfach. Als Häuptling wisse er genau, welche Familie ein Einkommen benötige. Und so bestimme er in «gerechter Weise», wer welchen Job zu verrichten habe. Schliesslich seien die Jobs ja einfach. Zudem sei es im spezifischen Falle des Kochs Sache der Lodge, diesem das Kochen beizubringen, erklärt er bestimmt.

Die Antwort auf die Frage, ob den Worten und Taten des Häuptlings etwas abgewonnen werden kann, das uns hilft, die «Gastrolücke» zu schliessen, überlasse ich der Leserin oder dem Leser selbst. Ich für meinen Teil bin unendlich dankbar für die Möglichkeit, meine berufliche Karriere selbst zu gestalten.

Highlight: Der Bulungula Incubator von Dave Martin steht als NGO noch immer voll und ganz hinter dem Tourismusprojekt.
Missing: Das Thema «Gender Equality» stösst in der Xhosa-Community auf taube Ohren.
Aufgefallen: Die Bulungula-Eco-Lodge schafft es, zu 100 Prozent solarbetrieben zu funktionieren, Wi-Fi inklusive.

Gemeinsam mit seiner Partnerin Lena-Maria Weber reist Patric Schönberg mit dem Rucksack für ein Jahr um die Welt. Der ehemalige Leiter Kommunikation von HotellerieSuisse berichtet aus seiner persönlichen Perspektive über Dinge, die auffallend anders sind als bei uns. Die gesamte Reise auf Instagram: @losnescos